INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Frank Visser gründete IntegralWorld.net 1997 (damals unter dem Namen ,,Die Welt von Ken Wilber''). Er ist der Autor der ersten Monografie über Ken Wilber und sein Werk: "Ken Wilber: Thought as Passion" (SUNY Press, 2003) und vieler Essays auf dieser Webseite. Gegenwärtig ist er Service Desk Manager für die weltweite Sara Lee Websites bei der niederländischen Online Werbeagentur Lost Boys.

Integrales Design

Ken Wilbers Ansichten über Evolution

Frank Visser

Die neo-darwinistische Theorie kann Scheiße nicht erklären. Beschäftigen Sie sich damit.''
— Ken Wilber
Ken Wilber wird mit den gleichen Dilemmata konfrontiert wie die Anhänger des Intelligenten Designs.

Auf dieser Webseite habe ich viele Male über Wilbers Ansichten über Evolution geschrieben. Für eine Übersicht siehe "The Wilberian Evolution Report (Der Wilbersche Evolutionsbericht)". Seitdem Wilber über die Evolution von Augen und Flügeln geschrieben hat, inA Brief History of Everything (1996)(Eine kurze Geschichte von Allem), habe ich mich gefragt, welche seine tatsächliche Position sein würde in der Debatte zwischen Intelligentem Design(ID) gegen die Evolutionstheorie, die die Aufmerksamkeit des Laienpublikums sowohl in den USA als auch in Europa auf sich gezogen hat. Die in dieser Debatte erhobenen Fragen sind ebenso relevant für die integrale Gemeinschaft.

Denngibt es oder gibt es nicht,ein spirituelles Etwas in der Evolution am Werk? Und wenn es so ist, kann die Naturwissenschaft dieses Etwas auf irgendeine Weise zu fassen kriegen? Oder ist das Sprechen oder Schreiben über Geist als eine Kraft in der Evolution (,,Geist in Aktion''),wie es Wilber in seinen vielen Werken ausführlich getan hat, durch seine eigentliche Natur eine Angelegenheit von schierer Poesie?

Leider hat Wilber noch keine zusammenhängende Darstellung seiner Ansichten über Evolution angeboten. Das ist ziemlich befremdlich für jemanden, der sein Hauptwerk mit dem Untertitel ,,Der Geist der Evolution'' versehen hat und der gegenwärtig für eine ,,Evolutionäre Spiritualität" plädiert. Wilber gibt sich oft mit der Erklärung zufrieden, dass ,,es einen Eros [sein Ausdruck für den Geist] im Kosmos gibt'',d.h. da ist ein spiritueller Einfluss im Kosmos am Werk, der für die Evolution von komplexen Lebensformen im Kosmos verantwortlich ist. (Das besagt, dass ohne die Forderung nach einer solchen Kraft diese Komplexität sich auf keine naturwissenschaftliche Weise erklären lassen kann.)

Von den diversen ad hoc Behauptungen, die Wilber über die Jahre geäußert hat, können wir jedoch darüber spekulieren, was seine aktuelle Position ist. Obgleich er sich bei verschiedenen Gelenheiten von der Intelligentes-Design-Bewegung distanziert hat, ist die Struktur seiner Argumente, seine Strategie beim Schreiben über Evolutionstheorie sehr dicht bei jenen der ID-Befürworter.

Wie jene hat Wilber versucht, Zweifel auf den Neo-Darwinismus zu säen, indem er nahelegte, dass die meisten Mutationen tödlich seien oder dass er nicht die Evolution der Vogelschwinge erklären könne oder des menschlichen Auges, indem er die ,,sprunghafte'' Natur der Evolution betont, in der neue Spezies plötzlich in Szene treten, und indem er mit Stephen Jay Goulds Theorie vom ,,durchbrochenen Gleichgewicht''[Punktualismus] liebäugelt — in welchem evolutionäre Perioden von ,,Statis'' oder langsamer Entwicklung gefolgt werden von kurzen Perioden rascher Evolution — was jetzt weitgehend als ein übertriebener Gesichtspunkt betrachtet wird.

Wir finden dies bereits in A Brief History of Everything(Eine kurze Geschichte von Allem):

Die neo-darwinistische Standarderklärung von zufälliger Mutation und natürlicher Auslese — sehr viele Theoretiker glauben das gar nicht mehr. Evolution operiert eindeutig teilweise durch darwinistische natürliche Auslese, dieser Prozess wählt einfach jene Transformationen aus, die bereitsdurch Mechanismen geschehen sind, die absolut niemand versteht."

Die Originalausgabe des Buches von 1996 gebrauchte sogar eine stärkere Sprache: ,,Die aalglatte neo-darwinistische Standarderklärung der natürlichen Auslese — absolut niemand glaubt sie überhaupt noch.'' Sogar bei dieser redaktionellen Neubearbeitung ist die verwendete Sprache immer noch extrem. ,,Mechanismen, die absolut niemand versteht?'' Drückt Wilber den Status im Feld der Entwicklungstheorie korrekt aus? Informiert er seine Leser korrekt über die Tatsachen, oder ist seine eigene Agenda (die neo-darwinistische Theorie zu entlarven) hier allzu offensichtlich?

Nimmt man irgendein neueres Buch über Evolution, zum BeispielWhy Evolution is True(Weshalb Evolution wahr ist) (2009) von Jerry Coyne, dann kann man lesen, dass die neo-darwinistischen Prinzipien keineswegs von der biologischen Gemeinschaft für zu leicht befunden werden. Im Gegenteil. Täglich wird neue Beweiskraft, um die Theorie zu belegen, zu den bereits beeindruckenden Berichten hinzugefügt.

Wilber geht dann auf das alte Thema zurück, das bei Kreationisten seit Darwins Zeiten so beliebt ist, dass sich komplexe Organe (wie etwa Augen und Flügel) nicht durch Evolution entwickelt haben können, weil ihre dazwischenliegenden Zustände vermutlich überhaupt keinen Überlebenswert gehabt hätten:

Man nehme die Standardbemerkung, dass Flügel sich einfach aus Vorderbeinen entwickelt haben. Es mag vielleicht hundert Mutationen gebraucht haben, um einen zweckmäßigen Flügel aus einem Bein zu produzieren — ein halber Flügel macht es nicht. Ein Halbflügel ist nicht gut als Bein und nicht gut als Flügel — man kann nicht rennen und man kann nicht fliegen. Er hat überhaupt keine anwendbare Bedeutung. Mit anderen Worten: mit einem Halbflügel ist man Speise. (S. 22-23)

Ein wenig Studium des Themas in populären Büchern über Evolution zeigt sehr schnell, dass diese Präsentation das gesamte Thema bis zur Unkenntlichkeit karikiert. Viele sorgfältige und detaillierte Studien über die Evolution von Flügeln (und Augen) sind geschrieben worden. Was jedenfalls während der Evolution nicht geschieht: dass durch einen Prozess von vielen gleichzeitigen Mutationen plötzlich Flügel auf der Szene erschienen. Halbflügel haben definitiv einen anwendbaren Wert. Zum Beispiel befähigen sie Tiere, über eine längere Strecke von Baum zu Baum zu springen und so ihre Überlebenschancen zu erhöhen.

Wilber fährt fort:

Wenn einmal diese unglaubliche Transformation [z.B. die Evolution eines Flügels] geschehen ist, dann wird die natürliche Auslese tatsächlich die besseren Flügel vor den weniger brauchbaren Flügeln auswählen—doch die Flügel selbst? Niemand hat eine Ahnung.

,,Niemand hat eine Ahnung''? Oder hat Wilber noch nicht die relevante Literatur studiert?

Im Augenblick hat jeder einfach zugestimmt, das ,,Quantenevoltion'' oder ,,unterbrochene Evolution'' oder ,,auftauchende Evolution'' zu nennen —radikal neuartige und auftauchende und unglaublich komplexe Holons kommen in einem großen Sprung in die Existenz, in einer Quanten-ähnlichen Weise —mit keinerlei Nachweis von was auch immer für Zwischenformen. Dutzende oder Hunderte von gleichzeitigen nichttödlichen Mutationen müssen zur gleichen Zeit geschehen, um überhaupt zu überleben—der Flügel zum Beispiel oder der Augapfel.

Jene Aussagen sind bisher aus der akademischen Literatur über das Thema entfernt worden, dass es einen erschaudern lässt. ,,Keine Beweise für welche Zwischenformen auch immer''? ..Radikal neuartige und auftauchende und unglaublich komplexe Holons kommen in einem großen Sprung in die Existenz''? Das kann nur die Laien beeindrucken, niemanden jedoch, der in der Literatur über Evolutionstheorie heimisch ist.

Und wohlgemerkt: dies ist das eine Studiengebiet, für das Wilber behaupten kann, er habe wenigstens einiges formales Training darin —angesichts seines Abschlusses in Biochemie.

Als er von einigen seiner Studierenden vor einigen Jahren nach seinem augenscheinlichen Mangel an Verständnis der Evolutionstheorie gefragt wurde, schrieb er (Vomitting confetti (Konfetti kotzend), Freitag, 27. Mai 2005):

Leute, gebt mir hier eine Verschnaufpause. Ich habe einen Masterabschluss in Biochemie und im Nebenfach eine gescheiterte Doktorarbeit in Biochemie und Biophysik mit der Spezialisierung auf die Mechanismen des Wahrnehmungsprozesses. Ich schrieb meine Doktorarbeit über die Photoisomerisation von Rhodopsin in den äußeren Stäbchensegmenten von Rindern.

Ich kenne die Evolutionstheorie in- und auswendig, einschließlich der Werke von Dawkins und anderen. Mein hier zitiertes Material ist extrem popularisiertes und vereinfachtes Material für eine laienhafte Leserschaft.

Seit wann rechtfertigt Popularisierung Falschinterpretation? Es gibt Dutzende von populären Büchern über Evolution, die die Tatsachen klar darstellen.

Öffentlich pflichten buchstäblich alle Naturwissenschaftler der neo-darwinistischen Theorie bei. Privat glauben echte Naturwissenschaftler it— das sind diejenigen von uns mit Hochschulabschluss in Naturwissenschaft, die auch professionell praktizieren it—kaum eine ihrer ausschlaggebenden Lehren.

Noch einmal: die Sprache ist hier so stark in Worte gefasst, dass sie schwerlich ernst genommen werden kann. ,,Wirkliche Naturwissenschaftler...glauben kaum eine ihrer ausschlaggebenden Lehren''? Würde Jerry Coyne als ein wirklicher Naturwissenschaftler zählen? oder Neil Shubin? Hat Wilber jemals in diesem Wissenschaftsfeld praktiziert? Hat er jemals etwas von akademischem Wert über das Thema Evolutionstheorie veröffentlicht? Ich meine nicht.

Dann gibt Wilber folgende ominöse Anregung:

Anstatt mit einem religiösen Prediger wie Dawkins starten Sie mit etwas wie Michael Behes Darwin’s Black Box: The Biochemical Challenge to Evolution(Darwins Blackbox: Die biochemische Herausforderung an die Evolution) Und was meinen Sie dann? Die neo-darwinistische Theorie kann Scheiße nicht erklären. Befassen Sie sich damit.

Wieder klärt ein schnelles Suchen im Internet über die Aufnahme von Behes Ideen auf, dass er von der naturwissenschaftlichen Gemeinschaft total diskreditiert wird. In einem neueren Buch The Edge of Evolution(Der Rand der Evolution) hat Behe sogar viele seiner früheren Aussagen zurückgezogen! (Siehe Coynes Besprechung von Behes Buch in New Republic (Juni 2007):,,Er gibt jetzt zu, dass das gesamte Gebäude der Evolutionstheorie wahr ist.: Evolution, natürliche Auslese, gemeinsame Vorfahren.'' Und weshalb? Weil die Beweise zu überzeugend sind).

Das lässt Wilber in der peinlichen Situation zurück, dass seine einzige Quelle für die Behauptung, dass ,,die neo-darwinistische Theorie Scheiße nicht erklären kann'', ihre Meinung geändert hat zugunsten der orthodoxen neo-darwinistischen Theorie. In der Tat eine sehr einsame Position.

Dann streift Wilber die ID-Befürworter selbst, die sehr oft von einem fundamentalistischen christlichen Hintergrund kommen:

Die extensiven Probleme mit der Evolutionstheorie, wie sie sich jetzt darstellt, sind genau deshalb vorhanden, weil die ,,Schöpfungswissenschaft'' große Wirkung im Lande zeigt, einschließlich Erfolge in Gerichtsverfahren, wo naturwissenschaftliche Beweise auf beiden Seiten eingebracht werden.

Ist es nicht viel plausibler, dass die Schöpfungswissenschaft Unterstützung findet, weil christliche fundamentalistische Gläubige sich durch die Evolutionstheorie in ihrem Glauben bedroht fühlen? Wenn Evolution uns geschaffen hat, gibt es dann keinen Gott? Auf welche ,,extensiven Probleme'' deutet Wilber hin (in Anbetracht dessen, dass sogar Behe nicht länger glaubt, dass sie existieren?). Und weiß er nicht, dass die ,,wissenschaftlichen Beweise'' zugunsten des ID sogar vom Richter als zu leicht empfunden wurden?

Das Problem ist, dass die Kreationswissenschaftler—die fast ausschließlich Christen sind—nachdem sie überzeugend demonstriert haben, dass die neo-darwinistische Theorie Schlupflöcher hat, die so groß sind, etliche Hummers hindurchzufahren—dann versuchen zu beweisen, dass Jehovah in einem dieser Hummers sitzt. Aber natürlich bedeutet die Tatsache, dass die neo-darwinistische Theorie nicht die Zentralaspekte der Evolution erklären kann nicht, dass ein bestimmter Typ von Gott das kann. Doch sie würden nicht so gut vorankommen wie gehabt, wenn nicht die neo-darwinistische Theorie das Stück Schweizer Käse wäre, das sie ist.

Die neo-darwinistische Theorie kann nicht die Zentralaspekte der Evolution erklären? Ist das Wilbers Botschaft an seine laienhaften Leser? Ist das nicht die gleiche Strategie, die von ID-Befürwortern eingesetzt wird, die versuchen, auf ,,minimal komplexe'' Phänomene zu zeigen, die sich keinesfalls auf irgendeine darwinistische Weise entwickelt haben könnten?

Und noch mehr dazu: gibt die Tatsache, dass die Naturwissenschaft (zum gegenwärtigen Zeitpunkt) ein gewisses Phänomen nicht erklären kann, irgendeine Unterstützung für die implizite Vermutung, dass das Intelligente Design (oder das ,,Integrale Design'' übrigens auch) es kann?

In seinem neuesten BuchIntegral Spirituality(Integrale Spiritualität) spricht Wilber die ID-Bewegung erneut an, wenn auch nur in einer kurzen Fußnote (S. 241-242):

Die Befürworter des ID haben eine Wahrheit auf ihrer Seite: naturwissenschaftlicher Materialismus kann nicht die gesamte Evolution erklären (er kann so ziemlich alles erklären außer die hauptsächlichen holistischen Veränderungssprünge). Damit bin ich sehr einverstanden.

Wir haben gesehen, wie schlecht es Wilber bei jenen ,,Transformationssprüngen'' erging, d.h. wenn er damit die Evolution von Augen und Flügeln meinte.

Wilber gibt jedoch in dieser bestimmten Fußnote eine Lösung für sein tiefstes Problem der Evolutionstheorie:

Was jedoch überhaupt nötig ist, um die Evolution ans Laufen zu bringen und dabei zu halten, ist ein minimalistischer Eros [Geist]...

Diese Kraft des kreativen Fortschreitens in die Neuartigkeit ist eine Form des Geistes-in-Aktion, und dass Eros alles Erforderliche ist, damit die evolutionäre Theorie gerade richtig wirken kann. Deshalb zeigt sich Evolution so sporadisch; sie ist ein kreatives Kunstwerk, nicht ein intelligentes technisches Produkt (wenn das so wäre, ist dieser Ingenieur ein Idiot).

Die ID-Befürworter verhandeln ihre eine kleine Wahrheit in der Forschung, dass der Jehovah der Genesis dieser Eros sei, und da gibt es weder irgendwo im Himmel noch auf der Erde den geringsten Beweis.

Unterstellt Wilber, dass es für seine Erostheorie, sogar wenn sie ,,minimalistisch'' ist, ,,den geringsten Beweis...irgendwo im Himmel oder auf der Erde'' gibt? Gibt es irgendeine glaubhafte Weise, auf die Wilber demonstrieren kann, wie sein Eros das Auftauchen von komplexen Organismen und ihrer Organe erklärt? Minimalistisch oder nicht, es ist immer noch ,,die Hand Gottes'', die er beschwört. Wilber mag komplizierter sein als der durchschnittliche Fundamentalist, die Logik ist jedoch die gleiche. (Und zu Behes Verdienst: er geht viel mehr in biochemisches Detail, als es Wilber jemals getan hat.)

Ken Wilber ist mit dem gleichen Dilemma konfrontiert wie die Intelligentes-Design-Anhänger. In dem Moment, wo er erklärt, dass irgendein Phänomen (in seinem Fall: die Evolution von Augen oder Flügeln) ,,möglicherweise'' nicht durch darwinistische Prinzipien erklärt werden kann, ist er verwundbar durch jede neue Entdeckung durch die Naturwissenschaft, die demonstriert, dass es schließlich doch auf diese Weise erklärt werden kann. Das benötigt oft nur wenige Jahre, wie Behe u.a. zu ihrer eigenen Bestürzung herausgefunden haben.

In genau dem Jahr, in dem A Brief History of Everything (1996) veröffentlicht wurde, schrieb ironischerweise Richard Dawkins ein Buch, das sich genau mit diesen beiden Themen befasste: die Evolution von Augen und Flügeln (Climbing Mount Improbable, 1996)(Den unwahrscheinlichen Berg besteigend). Der Unterschied jedoch zwischen Wilber und Dawkins —in der Tat ein ,,wirklicher Naturwissenschaftler''—ist, dass Dawkins sich nicht damit zufrieden gibt, bloß Dinge auszudrücken, sondern er nimmt die Mühe auf sich, seine Theorien mit empirischen Resultaten zu demonstrieren und zu illustrieren, was selten in Wilbers Büchern zu finden ist.

Wie es zu Beginn dieses Essays gesagt wurde: um herauszufinden, was Wilbers aktuelle Position im Hinblick auf die Evolution ist, muss man weit und breit Ausschau halten (das gilt im Übrigen auch für viele andere Themen, die er berührt hat). Zum Beispiel in einer seiner Online-Schriften (Excerpt A, "An Integral Age at the Leading Edge", Part V, "Integral Methodological Pluralism"(Auszug A ,,Ein integrales Zeitalter an der Anfangskante'', Teil V ,,Integraler methodologischer Pluralismus''), treffen wir wieder auf seinen vertrauten Gang der Argumente. Er berührt ebenso das Thema der Artenentstehung:

[E]volutionswissenschaften...stimmen alle (sogar wenn sie nicht erklären können) der Tatsache zu, dass es keine ersten Instanzen in der Evolution gibt.Wenn der erste Fall einer neuen Spezies auftaucht —zum Beispiel das erste Säugetier—taucht es niemals durch sich selbst auf; was sich zuerst zeigt, ist eine gesamte Population von Säugetieren.

,,Eine gesamte Population von Säugetieren erscheint''? Wieder fragt man sich, welches biologische Lehrbuch derartige Aussagen belegen würde. Haben sich Säugetiere nicht aus reptilartigen Kreaturen über Millionen von Jahren entwickelt (oder vielmehr: von gemeinsamen Vorfahren, die Wesenszüge von beiden gezeigt haben?)

Wilber bringt wieder seine eigene gestrickte Theorie der Evolution, mit vielfältigen Mutationen, die sich in vielen Tieren gleichzeitig zeigen...:

Es ist sinnvoll, darüber nachzudenken. Damit eine neue Spezies auftauchen kann, müssen sich Dutzende von günstigen Hauptmutationen ereignen. Die Widrigkeiten dagegen sind natürlich astronomisch; aber noch schlimmer: die gleichen Dutzend Mutationen müssen in einem anderen Tier vom gegenteiligen Geschlecht geschehen; und dann müssen sie auf dem gesamten weltweiten Planeten zueinander finden und dann sich paaren, und dann muss ihre Nachkommenschaft überleben und sich paaren—und die Widrigkeiten gegen all das Geschehen stehen natürlich über der Größenordnung des Glaubhaften oder sogar des Möglichen.

Nein, auf irgendeine mysteriöse Weise tauchen ganze Populationen einfach auf.

Wenn das Wilbers Version vom ,,Der Urspung der Arten'' ist, dann ist es vernünftig, unsere gegenwärtige Autorität auf dem Gebiet zu konsultieren: Jerry Coyne (der nicht nur ein Kapitel darüber in Why Evolution is True(Warum Evolution wahr ist) geschrieben hat, sondern der eine verbindliche akademische Abhandlung über "Artenbildung" geschrieben hat), der ausdrücklich das gradualistische neo-darwinistische Modell verteidigt:

Wir...haben vielfältige Beweise für die Artenbildung. Wir sehen Abstammungslinien, die sich in den dokumentierten fossilen Funden aufsplittern. Und wir sehen, dass sich neue Spezies zu erheben beginnen, sobald Populationen einsetzende reproduktive Barrieren entwickeln —Barrieren, die die Grundlagen der Artenbildung sind.

Herr Darwin wäre zweifellos entzückt, wenn er heute erweckt würde, herauszufinden, dass der Ursprung der Arten nicht länger ein ,,Geheimnis der Geheimnisse'' ist.(Why Evolution is True, S. 189)

Tatsächlich ähnelt Wilbers rhetorische Strategie der von Behe auf mannigfaltige Weise. Coyne beschreibt das Letztere in seiner Besprechung von The Edge of Evolution(Die Kante der Evolution):

Diese Beschreibungen sind unterhaltsam und instruktiv, und diejenigen, die mit der Molekularbiologie nicht vertraut sind, werden durch die Eleganz dieser Bearbeitung in Bewunderung geraten. Tatsächlich sind es derartige komplexe Erscheinungen, die viele von uns in die Biologie gelockt haben, in der Hoffnung, ihre Evolution zu erklären.

Aber der Sinn von Behes [Wilbers] Übung über die Pädagogik hinaus ist bloß, den Leser von der Komplexität der Natur zu überwältigen in der Hoffnung, die Frage zu erheben, wie Mutation und natürliche Auslese möglicherweise solch eine Erscheinung erbaut haben könnten, als wäre in Verwunderung gesetzt das gleiche wie überzeugt werden.

Anstatt ständig eine suggestive Sprache anzuwenden beim Behandeln dieses Themas -- ,,unglaublich'', ,,mysteriös'', ,,gewaltige Sprünge'' -- und absolutistische Phrasen wie ,,niemand hat eine Ahnung'', ..jeder glaubt das'', ,,niemand glaubt das'' -- ist es nicht an der Zeit, dass die Integrale Universität einen Kurs für Evolutionstheorie beginnt, um zu einer nüchterneren und adäquateren Bewertung des Feldes der Evolution zu gelangen?