INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Ein Shambhala Interview
mit Ken Wilber

Über Kritiker, das Integrale Institut, meine neueren Schriften,
und andere weniger wichtige Themen

Teil 1

DER RÜCKZUG VON DER TRANSPERSONALEN PSYCHOLOGIE

Shambhala: Wir haben verschiedene Themen die wir gerne besprechen möchten, also fangen wir gleich an. Zuerst, ihr Rückzug aus der transpersonalen psychologischen Bewegung. Das verursachte einige Aufregung. Sie galten als einer ihrer führenden Theoretiker, und doch haben sie dieser Bewegung einfach den Rücken gekehrt.

KW: Nun, wie ich schon auf früheren Veröffentlichungen dieser Webseite [www.Shambhala.com, „A Summary of My Psychological Model“] gesagt habe, hörte ich schon 1983 damit auf, mich als transpersonalen Psychologen zu bezeichnen. Weil ich darüber öffentlich nicht viel gesprochen habe, vermute ich, dass nur wenige zur Kenntnis genommen haben, dass ich praktisch schon vor zwei Jahrzehnten von dieser Bewegung Abstand genommen habe. Zu der damaligen Zeit war das eine sehr schwierige Entscheidung, die mich innerlich sehr beschäftigte, und die ich mir nicht leicht gemacht habe.

Shambhala: Betrachten Sie sich heute als einen Teil der transpersonalen Bewegung?

KW: Nein, das tue ich nicht.

Shambhala: Erzählen Sie uns etwas darüber.

KW: Nun, das grundlegende Problem dabei ist, dass die transpersonale Psychologie, was ihr grosser Verdienst ist, die erste Schule der heutigen Psychologie war, die Spiritualität ernst nahm. Doch weil es grosse Differenzen bezüglich der Frage gibt, was Spiritualität ausmacht, gibt es grosse Differenzen darüber worin eine transpersonale Psychologie selbst besteht. Und dies sind keine kleinen inneren Spannungen wie man sie z.B. in den verschiedenen Schulen der Psychoanalyse oder der Jung'schen Psychologie findet . Nein, hier handelt es sich um wesentliche innere Trennungslinien, und sich reibende Meinungsverschiedenheiten über das Wesen, den Geltungsbereich, und die Rolle der transpersonalen Psychologie selbst. Und damit ist der Boden bereitet für eine Fülle von politischen Spaltungen und sich bekriegenden Ideologien. Das ist der Grund dafür, so glaube ich, dass in drei Jahrzehnten, und abgesehen von ein oder zwei bestimmten Theoretikern, die derzeitige Schule der transpersonalen Psychologie keinen wesentlichen Einfluss ausserhalb der Bay Area (eine Gegend in Kalifornien) hatte, und sich heute, und da stimmen mir viele Menschen zu, sich in einem irreversiblen, endgültigem Abstieg befindet. Was von den vier Kräften (behavioristisch, psychoanalytisch, humanistisch, transpersonal) überlebt, überlebt - wenn überhaupt - nur durch die Aufnahme in einen integralen Ansatz [siehe „A Summary of My Psychological Model“, Abschnitt „Der Tod der Psychologie und die Geburt des Integralen“, veröffentlicht auf dieser WebSeite (A. d. Ü: damit ist im folgenden die Internetadresse www.Shambhala.com gemeint)].

Shambhala: Wir kommen auf den integralen Ansatz später zurück. Doch zuerst, welches sind die Haupt-Gruppierungen der transpersonalen Psychologie, aus ihrer Sicht?

KW: Da gibt es im Wesentlichen vier, mit vielen Variationen Zum einen ist da eine magisch-mythische Gruppe (diese Worte in einem strikten Gebserschen Sinn verwendent). Dies ist eine wichtige Dimension des menschlichen Bewusstseins, und sie muss in jede integraler Psychologie berücksichtigt werden. Sie ist jedoch nicht, meiner Ansicht nach, die am tiefsten reichende Dimension des Seins. Dieser Ansatz, so scheint es mir, hat die Tendenz, prärationale mythische Formen mit dem postrationalen formlosen GEIST zu verwechseln. Er tendiert zum New Age hin, der mythopoetischen Bewegung, und verschiedenen Romantizismen, was es beinahe unmöglich macht Brücken zum Mainstream (A. d. Ü: Hauptrichtung der Psychologie) zu bauen.

Zum Zweiten gibt es eine Gruppe veränderter Bewusstseinszustände, welche Entwicklung, Stufen und andauernde Praxis scheut, und sich stattdessen auf zeitlich begrenzte veränderte Bewusstseinszustände konzentriert, oft induziert durch Drogen oder Atemarbeit. Diese Haltung geht oft, aber nicht notwendigerweise einher mit einem Öko-Primitivismus, einer Verherrlichung eines früheren Stammesbewusstseins, von welchem behauptet wird das es „nichtdissoziiert“ wäre (dabei ist es wahrscheinlicheinfach nur „prädifferenziert“), und dieser Öko-Primitivismus ist verbunden mit der Verwendung psychotroper Substanzen, oft ayahausca. Nun bin ich der Überzeugung, dass die Existenz veränderter und nicht-gewöhnlicher Bewusstseinszustände ebenso ein wichtiger Teil einer integralen Psychologie ist, doch für sich alleine genommen führen sie zu vielen Schwierigkeiten, weil diese Haltung andere, gleichermassen wichtige Aspekte der Psyche ignoriert, ebenso wie einen gewaltigen Umfang von Forschungsmaterial, welcher nicht in das Modell veränderter Bewusstseinszustände passt. Dieser Ansatz endet oft in einer zurück-ins-Paradies Haltung, und diese Retro-romantische Orientierung macht es ebenso schwer, Brücken zum Mainstream zu bauen. Und daher isoliert und entfremdet diese Gruppe, wie auch die vorher beschriebene, die transpersonale Psychologie von den grösseren Strömungen in der Welt, was tatsächlich - leider - auch passiert ist.

Zum Dritten, oft verbunden mit der Schule aussergewöhnlicher Bewusstseinszustände, doch konzeptuell unterschieden, ist die postmoderne Gruppe, welche den Versuch unternimmt, nicht-duales Bewusstsein durch die Brille des pluralistischen Relativismus zu interpretieren, die Kritik der Postmodernisten am Universalismus, und gelegentlich intensiv Angriffen auf die ewige Philosophie. Ich glaube dass es viele wichtige Wahrheiten innerhalb dises postmodernen Ansatzes gibt, doch allein für sich genommen, führt er ebenso zu vielen Problemen, wovon Boomeritis nicht gerade das geringste ist. [Für eine Diskussion zu Boomeritis, siehe A Theory of Everything und die Einführung zum Band 7 Collected Works, veröffentlicht auf dieser WebSeite ]. Der Autor, nachdem er alle anderen für ihren ungehörigen Universalismus gescholten hat - von dem behauptet wird dass er Menschen unterdrückt und dominiert - behauptet dann dass seine Ansichten über Relativismus ihrerseits universell verbindlich sind für alle Kulturen und alle Menschen. Hmmmm. Wie auch immer, es gibt einige sehr kompetente Gelehrte die mit diesem grünen-Meme Ansatz arbeiten, doch ich glaube nicht dass sie etwas wirklich Neues zum postmodernen Dialog der vergangenen dreissig Jahre beigetragen haben. Tatsächlich, so sagen Kritiker, haben die „postmodernen Transpersonlisten“ einfach nur wiederholt was jetzt einfach nur noch müde Klischees sind, entwickelt von anderen Theoretikern. Meiner Ansicht nach liegt das Problem darin, dass sie im Wesentlichen eine hohe Dosis von postmodernen performativen Widersprüchen in die transpersonale Psychologie eingebracht haben, und so jeden Augenblick echten transzendentalen Bewusstseins geschwächt haben. Auch dies hat wenig dazu beigetragen, das Forschungsfeld in den Augen der grösseren Welt auszuzeichnen.

Shambhala: Folgt man diesen grünen-Meme postmodernen Kritikern, dann ist die ewige Philosphie eine die menschheitsgeschichte andauernde Quelle der Unterdrückung.

KW: Nun ja, und die Moderne ist der grosse Unterdrücker. Doch ich denke, dass das ein sehr armseliges Verstämdnis von der ewigen Philosophie wie auch dem Wesen der Unterdrückung darstellt. Tatsache ist, dass während der Menschheitsgeschichte die Kräfte der Unterdrückung überwiegend von den verschiedenen Produktionsmethoden herrührten. Die grösste soziale Unterdrückung z.B. geschah in den fortgeschrittenen Gartenbaugesellschaften und den frühen Agrargesellschaften, welche ganze Zivilisationen versklavten, und welche existieren, lange bevor es entwicklete Formen der ewigen Philosophie gab. Und für diese Beispiele ist es immer noch wahr, das die Ideologie den [technisch-ökonomischen] Grundlage folgt, und nicht umgekehrt. Das Hauptproblem der Moderne ist, dass sie dem Strammesbewusstsein erlaubte moderne Technologie zu kidnappen, und das führte zu Auschwitz [siehe „The Terror of Tomorrow,“ veröffentlicht auf dieser Website .] Diese postmodernen Kritiker haben meiner Meinung nach die Ursachen von Unterdrückung auf den Kopf gestellt, und sie geben uns jedenfalls eine merkwürdig selektive Auslegung der Geschichte, um zu ihren Schlussfolgerungen zu gelangen.

Shambhala: Und zwar, die Garstigkeit von jedermann, mit Ausnahme der Postmodernisten.

KW: (lacht) Ja, so etwa. Obgleich für einige dieser Schulen das Bewusstsein der früheren Zeiten in Ordnung war, eine Art Proto-Einheit, was wiederum verdächitg nach einer selektiven Interpretation der Fakten aussieht. Doch schauen Sie, Ich habe eine Menge des postmodernen Denkens in meine Arbeit aufgenommen. Ich bin ein grosser Fan vieler der grossen postmodernen Schriftsteller, speziell Heidegger, Nietzsche, Derrida, Foucault, Gadamer, der späte Wittgenstein. Sie finden viele Seiten von Anmerkungen in Eros, Kosmos, Logos, die sich mit deren Arbeit ausführlich beschäftigt.Und, wenn Sie erlauben, möchte ich als Zeichen meiner Bildung ein paar Namen erwähnen. Ich habe mit dem entsprechenden Einverständnis Abschnitte zitiert von Bataille, Althusser, Lacan, Barthes, de Man, Gramsci, Irigaray, Bourdieu, Jameson, Kristeva, Cixous, Bachelard, Baudrillard, Deleuze und Lyotard. Boomeritis widmet ihren wichtigen Einsichten verschiedene Kapitel. Die vielen positiven und auch brillianten Beiträge des Postmodernismus sind in einem ganzen Kapitel von Naturwissenschaft und Religion zusammengefasst. Der gesamte untere linke Quadrant meines Werkes ist eine Hommage an den postmodernen Genius. Doch allein für sich genommen ist der Postmodernismus eine wirkliche Sackgasse, eine Tatsache die mittlerweile weitgehend anerkannt wird (obgleich niemand zu wissen scheint was ihn ersetzen könnte). Und wenn er ausschliesslich angewandt wird, dann ist der die Heimat von Boomeritis, und all den Schattenseiten des grünen Meme....

Shambhala: Okay, wir werden darauf zurückkommen. Aber was ist falsch daran, Parallelen zu finden zwischen, sagen wir, einer bestimmten Art der Derrida'schen Dekonstruktion, und der Buddhistischen Leere oder der Madhymaka Schule?

KW: Daran ist nichts falsch, solange Sie sich bestimmter wesentlicher Unterschiede dabei bewusst sind. Das Hauptziel der Dekonstruktion besteht in der Arbeit mit Sprache, und - während des Wachbewusstseins oder dem grobstofflichen Bereich - dem Versuch, zu einer bestimmten Art des Verstehens zu gelangen über die Mehrdeutigkeit, Instabilität und Paradoxhaftigkeit von Signifikanten. Das Ziel buddhistischer Meditation ist die Stärkung des Bewusstseins in einer Art, die es ihm erlaubt, allen Phänomenen des Wachbewusstseins UND des Traumbewusstseins UND traumlosen Tiefschlafes mit reiner Aufmerksamkeit zu begegnen, so dass man zu einem all-durchdringenden Bewusstsein oder zum Buddhageist erwacht, welcher anwesend ist in allen drei Zuständen - wachen, träumen, Tiefschlaf - und so eine grosse Befreiung erfährt von allen vorübergehenden Zuständen des Seins, hoch oder niedrig, heilig oder profan.

Shambhala: So wie Sie es sagen, scheint es wenig Gemeinsamkeiten zu geben.

KW: Es gibt nur sehr wenig Gemeinsamkeiten. Was an Gemeinsamkeiten übrig bleibt bezieht sich auf die Beschränkungen der Sprache im Wachzustand. Ich finde diese Gemeinsamkeiten anregend und nützlich, und ich habe darüber geschrieben (z.B. in Anmerkungen zu Eros, Kosmos, Logos). Doch wenn man allein bei der Dekonstruktion bleibt, dann wird man sich nicht der mühsamen Praxis eines Yoga, Zen, oder einer Meditation unterziehen, welche das Bewusstsein über das verbale Denken hinaus transzendiert - tatsächlich über das Wachen, Träumen und den Tiefschlaf hinaus, was etwas ist was Dekonstruktion nicht nur nicht leisten kann, sondern sich noch nicht einmal vorstellen kann. Doch bevor Sie sich nicht einem Yoga unterziehen, in welchem Sie bewusst bleiben während des Wachzustandes, des Traumzustandes und des traumlosen Tiefschlafes, bleinen Sie lediglich mit dem oberflächenhaften Wachzustand identifiziert, und Sie manipulieren linguistische Signifikanten in diesem Zustand, und glauben dass diese „Dekonstruktion“ auf irgendeine Weise Samsara dekonstruiert, währenddessen sie einfach nur ein ziemlich oberflächliches Bewusstsien manipuliert, und nicht zu den tieferen Ursachen des Leidens führt, wie der Anhaftung an den Zustand des Wachbewusstseins. Dekonstruktion ist etwas was das Ego im Wachzustand tut, um am Ego festzuhalten.

Shambhala: Das habe ich verstanden. Zum nächsten Punkt: meistens ziehen die Postmodernisten keine Vergleiche zu den grossen Weisheitstraditionen oder der ewigen Philosophie, sondern greifen diese heftig an und bezeichnen sie als unterdrückend. Was die ewige Philosophie angeht, haben Sie sie ja auch hart kritisiert, warum dann ihre Kritik an den Postmodernisten was diesen Punkt angeht?

KW: Das ist richtig. Oder, genauer, ich versuche beides im Auge zu behalten, die Stärken und die Schwächen der ewigen Philosophie, wohingegen die meisten Postmodernisten (einschliesslich der postmodernen Transpersonalisten) darin nicht viel mehr als Müll sehen. Die Stärken der grossen Weisheitstraditionen sind zahlreich, und beinhalten die Tatsache des Auftretens einiger der grossen Pioniere der höheren Zustände und Stufen der Bewusstseinsentwicklung, und als solche verdienen sie eine ganz grosse Ehre und Respekt. Weiterhin, im Hinblick auf die zeitlose Natur oder die zeitlose Dimension des GEISTES, waren diese Pioniere die ersten die zu diesem ewigen Zustand erwachten, und dies ist eine ehrfurchtgebietende Vollendung, auf die die einzig angemessene Antwort in meinen Augen eine tiefe und bescheidene Verbeugung darstellt, etwas was das starke postmoderne Ego niemals in Erwägung ziehen würde. Die Mängel sind jedoch ebenso zahlreich: die ewige Philosophie wurde normalerweise in statischen und fixierten Form formuliert anstatt in dynamischen Prozessen; die psychologischen und kosmologischen Hierarchien waren oft zu starr; die Evolution über geologische und phylogenetische Zeiträume wurde nicht verstanden; die Archetypen wurden daher als unveränderliche Formen und nicht so sehr als kosmische Gewohnheiten definiert; die Quadranten wurden nicht ausreichend verstanden; und so weiter. Kritik an der ewigen Philosophie findet sich in fast allen meinen Büchern (siehe, z.B., Integral Psychology, One Taste, die Einführungen zu den Collected Works Bände 1,2,4,7, und 8, veröffentlicht auf dieser WebSeite).Was ich im Grunde versucht habe ist, die zeitlose Weisheit der grossen prämodernen Traditionen zu nehmen, und die ergänzenden Wahrheiten der Moderne und der Postmoderne hinzuzufügen, damit wir etwas haben was einer integraleren Sicht nahekommt, welche die Wahrheiten all dieser grossen Epochen umarmt; prämodern, modern und postmodern.

Shambhala: Sie erwähnten eine vierte Gruppe in der allgemeinen transpersonalen Bewegung.

KW: Die vierte Gruppe ist der integrale Ansatz. Diese Schule behauptet, dass sie das Wesenliche aller anderen Schulen beinhaltet („transzendiert und einschliesst“), doch genau das wird von den anderen Schulen heftig bestritten. Dennoch, der integrale Ansatz berücksichtigt das magisch-mythische, die postmoderne Wende, die Wichtigkeit aussergewöhnlicher Zustände, mit Strukturen, Stufen, Bereichen, Linien, Quadranten usw. Aus diesem Grund hat der integrale Ansatz nachweisbar verschiedene Brücken zum Mainstream gebaut, und eine bescheidene Akzeptanz diesbezüglich erreicht. Sie finden eine Aufstellung von integralen Psychologen, oder denjenigen die einem integralen Ansatz folgen, in „A Summary of My Psychological Model“, veröffentlicht auf dieser WebSite.

Shambhala: Aber die integrale Schule ist doch diejenige mit der Sie jetzt verbunden sind, und dennoch sagen sie dass sie nicht wirklich Teil der transpersonalen Bewegung ist.

KW: Das ist richtig. Meiner Meinung nach beinhaltet die Integrale Psychologie mehr als jede der traditionellen Schulen der Transpersonalen Psychologie, weshalb sie nicht mehr der transpersonalen Bewegung angehört. Wir bezeichnen sie normalerweise auch nicht mehr als eine „Psychologie“, sondern einfach als den integralen Ansatz, da er im wesentlichen aus „alle Quadranten, alle Ebenen, alle Linien, alle Zustände, usw“ besteht. And das geht weit über jede Form von Psychologie hinaus.

Shambhala: Sie glauben ja dass die Psychologie sowieso am ende ist.

KW: Als eine wissenschaftliche Disziplin ja. Schon seit fast zehn Jahren. Sie wird einfach nicht mehr ernst genommen ausserhalb des immer kleiner werdenden Kreises der eigenen Anhänger. Es ist eine „verstaubte Disziplin“ geworden. Sie wurde bei lebendigem Leibe verspeist durch die wissenschaftlichen Ansätze der rechtsseitigen Quadranten (wie z.B. der kognitiven Wissenschaft), und dekonstruiert und auseinandergenommen durch das gemeine grüne Meme [mean green meme] der linksseitigen Quadranten. Sie scheint in den letzten Zügen zu liegen.

Shambhala: Sie beschreiben deses Situation, und mögliche Gegenmittel, in „Der Tod der Psychologie und die Geburt des Intergralen [The Death of Psychology and the Birth of the Integral,]“ dem ersten Abschnitt von „An Introduction to My Psychological Model,“ veröffentlicht auf dieser Homepage.

KW: Ja

Shambhala: Ist das der Grund, warum Sie als beratender Mitherausgeber des Journal of Transpersonal Psychology zurückgetreten sind?

KW: Ja. Sehen Sie, der Punkt hinsichtlich dieser vier Gruppen ist einfach der, dass sie , von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht nur nicht vorankommen, sondern dass sie auch untereinander unter ihren eigenen Abhängigkeiten leiden - und alle sind sich darin einig dass dies der Fall ist. Wenn z.B. die Gruppe der alten Stammesmythologie einem New-Age Vertreter auf einer ihrer Konferenzen das Wort erteilt, dann wird die Zuhörerschaft sehr ärgerlich. Wenn auf einer integralen Konferenz postmoderne Pluralisten oder Repräsemtanten des grünen Meme versuchen die Diskussion mit endlosen Verfahrensfragen zu dominieren, langweilt sich die Zuhörerschaft sichtbar. Keine der vier Gruppen hat den anderen etwas anzubieren, ausser Irritationen.

Shambhala: Kein Wunder dass es bisher keinen transpersonalen Ansatz gegeben hat, auf den sich die einzelen Richtungen einigen können und dem sie zustimmen.

KW: Ich denke das stimmt. Jede Richtung hat ihren eigenen Ansatz und ihre eigene Theorie. Tatsächlich sind die verschiedenen Gruppierungen in verschiedenen Ebene des Bewusstseins verankert, warum sie sich aller Wahrschaeinlichkeit nach nie einigen werden. Das magisch-mythische Modell ist überwiegend rot/blau; das postmoderne Modell ist überwiegend grün; und das Modell der veränderten Bewusstseinszustände hat Zugang zu höheren, transmentalen, subtilen und kausalen Zuständen (jedoch ohne die entsprechenden Strukturen). Dies ist der Grund warum, meiner Meinung nach, nur wenige von ihnen sich einer unvoreingenommenen Forschung öffnen - sie ignorieren einfach das was nicht in das ihrem Modell entsprechende Paradigma passt, welches wiederum in ihrer eigenen persönlichen Ebene der Entwicklung gegründet ist. Anstatt den Versuch zu unternehmen die unterschiedlichen Ansätze und Paradigmen zu integrieren - was ein Erwachen zum eigenen vollen Potenzial voraussetzt, welches den Paradigmen als Ganzes zugrundeliegt - tendieren sie dazu die anderen als „alte Paradigmen“ oder „patriarchalisch“ oder „wertlos“ oder was nicht noch alles abzuwerten. Daher sind diesem ideologischen Krieg nur sehr wenige integrative Ansätze entsprungen. Dies ist einer von vielen Gründen, warum alles was mit dem Etikett „transpersonal“ versehen ist, keine Chance für eine finanzielle Unterstützung hat, weil die begabtesten Forscher und Professoren schon vor langer Zeit aufgrund einfacher ökonomischer Notwendigkeit das Feld verlassen haben.

Shambhala: Worin besteht denn nun die Lösung?

KW: Nun, ich denke zuallererst sollte jede der vier Gruppen einfach ihren Weg gehen. Ich glaube das deshalb, weil, wie die Gruppen selber sagen, jede von ihnen im Kern verletzt wird durch die Verbindung mit den anderen. Wenn Du z.B. den Mainstream erreichen willst, kannst Du nicht einfach zu Harvard gehen mit einer Psychologie die New-Age Kristalle beinhaltet; auf der anderen Seite, wenn du die New-Age Anhänger erreichen willst, dann werden Harvard Professoren, welche auf empirischer Evidenz besteht, das ganze Vorhaben ruinieren, weil ihr „Skeptizismus“ und ihr „Unglauben“ einen bestimmten Gruppenenthusiasmus verhindern wird. Man kann einfach nicht überzeugend die Ergebnisse eines psychedelischen Drogenexperimentes dem Mainstream nahebringen, weil der Mainstream diese Art von Spiritualität als drogeninduzierte Halluzinationen abtun wird, was das ganze Forschungsfeld lahmlegt, und so weiter. Das alles ist meiner Meinung nach sehr schade, aber so liegen die Dinge nun einmal, eine Realität die von dem Bereich hartnäckig ignoriert wurde, was letztlich zu seinem Untergang führte.

Jede dieser Richtungen wird von den anderen beschädigt, deswegen sage ich, lasst uns mit diesem gegenseitigen Verletzen aufhören. Es ist zeit für eine gesunde Differenzierung (auf dem Weg zu einer höheren Integration, einem wirklich integralen Ansatz). Anstatt zu versuchen alle vier Ansätze unter dem gleichen Dach zu vereinigen - wo sie sich untereinander bekriegen - sollten jeder zuerst für sich bleiben, und sich darauf konzentrieren was er am besten kann, ohne Beeinträchtigung durch die anderen. Das scheint mir ein wesentlich gesünderes Vorgehen zu sein. Ich wünsche diesem Forschungsbereich das Allerbeste, doch ich habe kein Verlangen an dieser Selbstbeschädigung teilzunehmen. Wie ich schon sagte, glaube ich dass alle vier Ansätze etwas sehr wichtiges anzubierten haben, und sie alle brauchen etwas Bewegungsfreiheit um ihre Ressourcen zu sammeln, und das ist es was sie tun sollten.

Und dann, wenn es soweit ist, emergiert ein wahrhaft integraler Ansatz. Ein Weg auf dem alle vier Ansätze systematisch berücksichtigt werden wird sichtbar (das heisst, ein systematisches Vorgehen welches sie alle differenziert-und-integriert - und, das Wichtigste, - unter Einschluss der konventionellen Lehre). Ich habe einen derartigen Ansatz in Integral Psychology vorgestellt, aber es gibt sicher noch viele andere. Wir werden sehen. Doch zu Zeit befindet sich das Forschungsfeld in einer Selbstzerfleischung, von der grösseren Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, und der integrale Ansatz ist dabei sich aus dieser unglücklichen Stimmungslage herauszudifferenzieren. Ich sehe einfach keinen aderen Weg, wie man hier vorgehen könnte.

BITTE LÄCHELN

Shambhala: Diese Differenzierung von der transpersonalen Bewegung scheint ein Teil einer grösseren Bewegung in ihrer gesamten theoretischen Arbeit zu sein. Indem Sie mehr und mehr Bereiche in einem integralen Ansatz „transzendieren und beinhalten", scheint für Sie immer mehr die Notwendigkeit zu bestehen, sich von engeren und weniger umfassenden Ansätzen zu unterscheiden. Bei ein paar Gelegenheiten in ihren späteren Schriften tun sie dies in polemischer Form, was uncharakteristisch für ihr Werk als Ganzes ist. Denken Sie an eine Überarbeitung dieser Passagen?

KW: Die polemischen Anmerkungen in Eros, Kosmos, Logos?

Shambhala: Ja. Warum haben Sie sie in das Buch mitaufgenommen? Es gibt Gerüchte dass die polemischen Anmerkungen in der Entwurfsfassung nicht enthalten waren.

KW: Das ist richtig, sie waren dort nicht enthalten. Ich bin durch einen sehr schwierigen Entscheidungsprozess hindurchgegangen, ob ich sie aufnehmen sollte oder nicht. Ich habe über ein dutzend Freunde und Kollegen befragt. Die Empfehlung lautete beinahe einmütig, die Anmerkungen in das Buch aufzunehmen. Die Idee dahinter bestand darin, das Feld wachzurütteln und den Prozess der Differenzierung zu beginnen (auf dem Weg zu einer höheren Integration). Roger Walsh unterrichtete zu dieser zeit ein Seminar an der University of California, Irvine, und er verwendete den zweiten Entwurf von EKL als einen Text für die Klasse - denjenigen mit den polemischen Anmerkungen - und so konnte ich diese Studenten als eine Testgruppe sehen. Nach dem Ende des ersten Kapitels stimmte die Gruppe beinahe einmütig dafür, die Anmerkungen herauszunehmen - sie waren zu provozierend. Doch am Ende des Buches stimmten sie - wieder beinahe einmütig - dafür die Anmerkungen drin zu lassen - sie erkannten genau was mein Anliegen war. Das war sehr interessant. Und am Ende entschied ich mich dafür die Anmerkungen im Buch zu lassen.

Shambhala: Was war dann Ihr Anliegen? Erklären Sie uns das bitte.

KW: Nun, es gibt verschiedene Wege um das zu erklären (oder, wie meine Kritiker sagen würden, es zu rationalisieren), doch am einfachsten geht es mit Verwendung von Spiral Dynamics [für eine kurze Erläuterung von Spiral Dynamics siehe der Abschnitt weiter unten, „Spiral Dynamics und die Wellen der Existenz"]. Einfach gesagt waren die Anmerkungen eine 2.-Rang [second-tier] Kritik an dem grünen Meme des 1.-Ranges, mit der Absicht den Lesern die Unterscheidung zu erleichtern - Leser konnten so klar erkennen mit welchem Meme sie sich identifizierten: grün oder türkis. Und die Antworten die ich bekam machten es sehr deutlich aus welcher Richtung die Menschen kamen: entweder eine sehr wütende grüne Reaktion, oder eine sehr sympathische türkise Zustimmung. Grün schoss zurück, in der gleichen Boshaftigkeit meiner Attacke, und das war ziemlich „cool"; und türkis schrieb mir tonnenweise Lob und Zustimmung. Das Thema wurde aus diesem Grund sehr kontrovers diskutiert, mit massivem grünen Ärger und gleichermassen grossem türkisem Lob. Gleichzeitig war dies ein Wendepunkt für diesen Bereich, weil niemand jemals wieder annehmen würde, dass grün und türkis dem gleichen Lager angehören würden - dies sind zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen an Themen wie Bewusstsein, Geschichte, Wirklichkeit und Spiritualität. Natürlich, nach Spiral Dynamics wird grün von türkis transzendiert und beinhaltet, ein Standpunkt den ich immer vertreten, und in den Anmerkungen auf die Spitze getrieben habe, und genau dagegen hat grün so wütend reagiert. Doch all dies wurde erst durch die Anmerkungen sichtbar, und ich glaube nicht dass ich dies auf eine andere Art hätte erreichen können.

Shambhala: Nun ja, doch ihre Kritiker sagen, dass diese polemischen Anmerkungen - tatsächlich sind es ja nicht so viele, vielleicht ein oder zwei Dutzend aus über eintausend - doch sie sagen dass diese Bemerkungen zeigen dass Sie von natur aus polemisch, wütend, arrogant... und dickköpfig seien.

KW [lacht] Schauen sie, Ich behaupte nicht dass ich von all dem frei bin. Ich nehme mal an dass ich genauso verkorkst bin wie jeder andere auch. Doch was die Kritiker sagen würde stimmen, wenn all die Polemik auch in dem ersten Entwurf enthalten gewesen wäre, dass all dies aus mir herausgekommen wäre, ohne dass ich etwas dagegen hätte machen können. Doch die Anmerkungen waren nicht im ersten Entwurf enthalten; sie wurden in den zweiten Entwurf aufgenommen nach einer langen und behutsamen Abwägung mit verschiedenen anderen Wissenschaftlern. Dies war kein hitzköpfiger Ausbruch. Wenn dies für mich charakteristisch wäre, dann würden Sie Tonnen von Polemik in meinen früheren Büchern finden, wohingegen tatsächlich, worauf viele Menschen hingewiesen haben, es keinen einzigen polemischen Satz in einem meiner etwa ein Dutzend vorausgehenden Bücher zu finden ist.

Shambhala: Heisst dass dann dass Sie überhaupt nicht wütend waren als Sie diese Anmerkungen schrieben?

KW: Nein, dass möchte ich damit nicht sagen. Ich sage, dass unter jeden anderen Umständen ich die Wut aus diesen Anmerkungen herausgenommen hätte, weil sie einfach nicht in ein wissenschaftliches Werk hineingehört, doch in diesem Fall entschied ich mich, sie drin zu lassen. Es gibt eine Atmophäre von Zorn und Schmerz die EKL durchdringt, ebenso wie Eine kurze Geschichte des Kosmos und Das Wahre, Schöne, Gute - meine Studenten nennen dies die „zornige Periode" [siehe die Einführung zu den CW 6, veröffentlicht auf dieser Internet-Seite] - zornig darüber was der extreme, dekonstruktive Postmodernismus und das gemeine grüne Meme [mean green meme] den kulturellen Studien, der Spiritualität und der Erziehung im allgemeinen angetan haben, den konventionellen wie auch den alternativen Richtungen. [Siehe die Einführung zu den CW 8, veröffentlicht auf dieser Internet-Seite.] All dies habe ich in einem anderen Buch während dieser Zeit, Boomeritis, beschrieben.

Shambhala: Okay, doch ihre Kritiker sagen ja auch, dass ihre Botschaft wesentlich besser gehört und aufgenommen worden wäre, wenn Sie sie etwas behutsamer vermittelt hätten.

KW: Das kann ich gut verstehen, doch das ist genau der Punkt den ich bezweifle. Diese Art einer integralen Botschaft ist ja nicht nur von mir in meinen früheren Büchern vermittelt worden, sondern auch von grossen integralen Schriftstellern von James Mark Baldwin über Jean Gebser zu Michael Murphy. Und diese integrale Botschaft ist praktisch über mehrere Jahrzehnte ignoriert worden, während die grosse Menge der akzeptierten Paradigmen magisch/mythischer Art waren (purpur/rot), sich auf aussergewöhnliche Zustände bezogen, oder postmodernistisch waren (grün), die drei Untergruppen die ich oben beschrieben habe, ohne jegliches Verständnis bezüglich einer Integration in einer umfassenden Synthese - worin ja schon eine scharfe Kritik an der Beschränktheit jedes einzelnen Ansatzes für sich genommen begründet ist, genau das also was ich in den Anmerkungen ausgedrückt habe. Manchmal wird das Rad, welches am lautesten quietscht, zuerst geschmiert, und die Anmerkungen waren in dieser Hinsicht sehr geräuschvoll, und bekamen sehr viel Schmiere. Dies hat die Thematik nach vorne gebracht, und schliesslich haben die positiven Auswirkung die negativen mehr als aufgewogen.

Shambhala: Ein kurze Geschichte des Kosmos und Das Wahre, Schön, Gute enthalten ein paar wenige polemische Sätze, doch all ihre nachfolgenden wissenschaftlichen Bücher wie z.B. Naturwissenschaft und Religion, Integral Psychology und A Theory of Everything waren frei von jeglicher Polemik. Es sieht so aus als wären Sie zu ihrer typischen Schreibweise zurückgelehrt.

KW: Mit einer Ausnahme. Wie ich kurz erwähnte, schrieb ich in dieser Zeit noch ein etwas polemisches Buch, ein Buch mit dem Titel Boomeritis. Und ich hoffe dass mein Stil weiterhin scharf und schneidend sein kann, falls notwendig, vielleicht auch witzig, an einem guten Tag, wenngleich auch nicht gemein oder böse, was ganz bestimmt nicht mein Absicht ist.

Shambhala: Wann erscheint Boomeritis?

KW: Shambhala wird das Buch im Herbst 2001 herausbringen. Unter dem Bevölkerungsanteil, welcher dem grünen Meme angehört, wird dieses Buch ganz sicher meinen Ruf als ein absolut arroganter, scheusslicher, dominierender Mensch zementieren... nun, wie Sie sagen, dickköpfig.

Shambhala: Genau das ist unser Eindruck von Ihnen.

KW: [lacht] Ja, herzlichen Dank.

Shambhala: Wir sollten noch erwähnen dass Sie eine Überarbeitung von EKL vorgenommen haben - 50 neue Textseiten und 6 neue Diagramme - verfügbar [auf englisch, (noch) nicht auf deutsch] als Band 6 der Gesammelten Werke, und als Einzelausgabe im Taschenbuch.

KW: Ja, für die Gesammelten Werke habe ich überarbeitete zweite Auflagen erstellt von EKL, Eine Kurze geschichte des Kosmos, und Das Wahre, Schöne, Gute. Sie werden alle [auf englisch] als Taschenbuch erscheinen.

Shambhala: Okay, kommen wir zurück auf die Spannungen zwischen grün und türkis, oder zwischen grün und dem zweiten Rang. Wie sehen Sie das? Und warum ist es wichtig?

KW: In Integral Psychology präsentiere ich Übersichten, welche die Arbeit von über 100 Entwicklungspsychologen zusammenfassen, aus Ost und West, aus früheren Zeiten, modern und postmodern. Spiral-Dynamik ist nur einer dieser 100, doch ich verwende es in letzter Zeit ziemlich oft weil es einfach und leicht zu verstehen ist, auch für Anfänger. Basierend auf intensiven Forschungen, begonnen von Clare Graves, sieht Spiral-Dynamik (entwickelt von Don Beck und Christopher Cowan) die Entwicklung oder Evolution der Menschen durch acht grosse Wellen des Bewusstseins. Der Einfachheit halber werde ich meine Zusammenfassung aus A Theory of Everything hier wiedergeben (diejenigen die mit Spiral-Dymanik vertraut sind können direkt zu Teil II des Interviews gehen: „Das grüne Meme").

SPIRAL-DYNAMIK UND DIE WELLEN DER EXISTENZ

Die ersten Ebenen sind Ebenen des „Existenzminimum", gekennzeichnet durch ein „Denken des ersten Ranges" [first-tier thinking]. Dann folgt eine evolutionäre Verschiebung im Bewusstsein: die Emergenz des „Denken des zweiten Ranges" [second-tier thinking], mit zwei Hauptwellen. Es folgt nun eine kurze Beschreibung aller acht Wellen, mit Prozentsatzangaben der Weltbevölkeurng jeder Welle, und dem Prozentsatz der sozialen Macht, die von jeder Welle gehalten wird.

1. Beige: Archaisch-Instinktiv. Die Ebene des Basis-Überlebens; Nahrung, Wasser, Wärme, Sex und Sicherheit haben Vorrang. Benutzt Gewohnheiten und Instinkte zum Überleben. Ein klar unterschiedenes Selbst ist kaum erwacht, oder wird aufrechterhalten. Organisiert in Überlebensgruppen, für die Aufrechterhaltung des Lebens.

Vorkommen: Frühe menschliche Gesellschaften, Neugeborene, senile Alte, Alzheimer Patienten im Spätstadium, verwirrte Obdachlose, Hungernde Massen, Explosionsschockopfer. Etwa 0,1% der erwachsenen Bevölkerung, 0% Macht.

2. Purpur: Magisch-Animistisch. Animistisches Denken; magische Geister, gut und böse, umschwärmen die Erde und verteilen Segen, Verwünschungen und Zaubersprüche welche Ereignisse bestimmen. Organisiert in ethnischen Stämmen. Die Geister exisistieren in den Ahnen und verbinden den Stamm. Verwandschaft und Nachfolge etablieren politische Verbindungen. Klingt „holistisch", ist jedoch atomistisch: „jede Krümmung des Flusses hat einen Namen, aber der Fluss selbst hat keinen".

Vorkommen: Glaube an Voodoo-ähnliche Verfluchungen, Blutschwüre, den Groll der Ahnen, Glückstalisman, Familienrituale, magisch-ethnische Überzeigungen und Aberglaube; verbreitet in der Dritten Welt, in Gangs, Sportmannschaften, und organisieretn „Stämmen". 10% der Bevölkerung, 1% der Macht.

3. Rot: Machtgötter. Erstes Emergieren eines Selbst welches sich vom Stamm unterscheidet; machtvoll, impulsiv, egozentrisch, heroisch. Magisch-mythische Geister, Drachen, wilde Tiere, und kraftvolle Menschen. Archetypische Götter und Göttinnen, machtvolle Wesen, Kräfte die wirken, gut und böse. Feudalherrscher beschützen Untergebene im Ausgleich für Gehorsam und Arbeit. Die grundlage feudaler Imperien - Macht und Ruhm. Die Welt ist ein Dschungel voller Gefahren und Raubtiere. Eroberer, Trickser und Herrscher; das Selbst in vollen Zügen geniessen, ohne Bedauern oder Reue; sei jetzt hier.

Vorkommen: Die „schrecklichen zwei" [„terrible twos"], regellierende Jugend, Grenzen-Mentalität, feudale Königreiche, epische Heroen, James Bond Bösewicht, Anführer von Gangs, Glücksritter, New-Age Narzissmus, wilde Rockstars, Attila der Hunnenkönig, Der Herr der Fliegen [Lord of the Flies]. 20% der Bevölkerung, 5% der Macht.

4. Blau: Mythische Ordnung. Leben hat Sinn, Richtung und Zweck, mit Ergebnissen welche durch ein allmächtiges Anderes oder eine Ordnung bestimmt werden. Diese selbstgerechte Ordnung erzwingt Verhaltensregeln basierend auf absolutistischen und unveränderlichen Prinzipien von „richtig" und „falsch". Das Verletzen dieser Regeln hat schwerwiegende, vielleicht auf ewig andauernde Konsequenzen. Das Befolgen der Regeln bringt Belohnungen für die die daran glauben. Grundlage der Nationen der Antike. Starre soziale Hierarchien; paternalisitisch; ein einziger - und nur ein eiziger - Weg wie die Dinge zu betrachten sind. Recht und Ordnung; Kontrolle von Impulsivität durch Schuld; wortwörtlicher und fundamentalisitscher Glaube; Gehorsam gegenüber den Gesetzmässigkeiten der Ordnung; stark konventionell und konformistisch. Oft „religiös" oder „mythisch" (im Sinne der mythischen Gruppenzugehörigkeit; Graves und Beck bezeichnen es als die heilig/absolutistische Ebene), kann sich jedoch auch auf eine sekuläre oder atheistische Ordnung oder Aufgabe beziehen.

Vorkommen: puritanisches Amerika, konfuzianisches China, Dickensianisches England, Singapur Disziplin, Totalitarismus, Kodex der Ritterlichkeit und Ehre, wohltätiges Handeln, religiöser Fundamentalismus (z.B. Christentum und Islam), Pfadfinder, „moralische Mehrheit", Patriotismus. 40% der Bevölkerung, 30% der Macht.

5. Orange: wissenschaftliches Erreichen. Auf dieser Welle „flüchtet" das Selbst aus der „Herdenmentalität" von blau, und strebt auf individuelle Art und Weise nach Wahrheit und Bedeutung - hypothetisch-deduktiv, experimentell, objektiv, mechanistisch, operational - im typischen Sinne „wissenschaftlich". Die Welt ist eine rationale und gut geölte Maschine mit natürlichen Gesetzen welche erlernt, gemeistert und für die eigenen Zwecke gehandhabt werden können. Sehr auf Zielerreichung ausgerichtet, speziell (in Amerika) auf materielle Ziele hin. Die Gesetze der Wissenschaft steuern die Politik, die Wirtschaft, und menschliche Ereignisse. Die Welt ist ein Schachbrett auf dem Spiele gespielt werden, bei denen die Gewinner Vorrang und Vergünstigungen gegenüber den Verlierern erhalten. Martwirtschaft; Manipulation der Ressourcen der Erde für die eigenen strategischen Ziele. Grundlage der korporativen Staaten.

Vorkommen: Die Aufklärung, Ayn Rand's Atlas Shrugged, Wall Street, aufstrebende Mittelklasse auf der ganzen Welt, Kosmetikindustrie, Trophäenjagd, Kolonialismus, der Kalte Krieg, Modeindustrie, Materialismus, säkularer Humanismus, liberales Eigeninteresse. 30% der Bevölkerung, 50% der Macht. 6. Grün: Das Sensitive Selbst. Gemeinschaftlich, menschliche Bindungen, ökologische Sensitivität, Vernetzung. Der menschliche Geist muss befreit werden von Gier, Dogma und der Tendenz alles zu unterteilen; Gefühle und Fürsorge treten an die Stelle von kalter Rationalität; liebevolles Sorgen für die Erde, Gaia, das Leben. Gegen Hierarchie; etabliert gleichrangige Bindungen und Verbindungen. Das durchlässige Selbst, relationale Selbst, Vernetzung von Gruppen. Betonung auf Dialog, Beziehungen. Basis der Wertegemeinschaften (d.H. frei wählbare Zugehörigkeit auf der Basis gemeinsam geteilter Neigungen). Entscheidungsfindung durch Schlichtung und Konsens (Nachteil: endlose Verfahrensdiskussionen und Unfähigkeit Entscheidungen zu treffen). Anregung der Spiritualität, harmoniebringend, Bereicherung des menschlichen Potentials. Stark egalitär, antihierarchisch, pluralitische Werte, soziale Konstruktion der Wirklichkeit, Vielheit und Verschiedenheit, multikulturell, relativistische Wertesysteme; diese Weltsicht wird oft auch pluralistischer Relativismus genannt. Subjektiv, nichtlineares Denken; zeigt vermehrt gefühlsmässige Wärme, Sensitivität und Fürsorge, für die Erde und alle ihre Bewohner.

Vorkommen: Tiefenökologie, Postmodernismus, niederländischer Idealismus; Rogerianische Beratung [Rogerian Counseling], Canadisches Gesundheitssystem, humanistische Psychologie, Befreiungstheologie, gemeinschaftliche Untersuchungen, Weltkonzil der Kirchen, Greenpeace, Tierschutz, Ökofeminismus, Post-Kolonialismus, Foucault/Derrida, politische Korrektheit, Bewegungen der Vielfalt, Menschenrechtsfragen, Ökopsychologie. 10% der Bevölkerung, 15% der Macht. (Hinweis: dies sind 10% der Weltbevölkerung. Don Beck schätzt, dass etwa 20-25% der amerikanischen Bevölkerung grün ist.)

Mit dem Erreichen des grünen Meme ist das menschliche Bewusstsein bereit für einen Quantensprung in das „zweite-Rang Denken" [„second-tier thinking"]. Clare Graves bezeichnet dies als einen „bedeutungsvollen Sprung", wo „eine Kluft unvorstellbarer Tiefe überwunden wird". Im Wesentlichen erlaubt einem das zweite-Rang Denken vertikal und horizontal zu denken, unter Verwendung von Hierarchien wie auch Heterarchien (beide unterscheidend und verbindend). Zum erstenmal ist man in der Lage, anschaulich und lebendig das gesamte Spektrum der inneren Entwicklung zu erfassen, und so erkennen, dass jede Ebene, jedes Meme, jede Welle entscheident wichtig für die Gesundheit der gesamten Spirale ist. Mit meinen Worten, jede Welle ist ein „Transzendieren und Beinhalten." Das bedeutet, jede Welle geht über ihren Vorgänger hinaus (oder transzendiert), und beinhaltet oder umarmt ihn auf ihre eigene Art und Weise. Eine Zelle z.B. transzendiert und beinhaltet Moleküle, welche Atome transzendieren und beinhalten. Die Feststellung dass Moleküle über ein Atom hinausgehen bedeutet nicht dass Moleküle Atome hassen, sondern dass sie sie lieben: sie umfangen sie auf ihre Art und Weise; sie beinhalten sie, ohne sie zu vernachlässigen. Genau so ist jede Welle der Existenz ein fundamentaler Bestandteil aller nachfolgenden Wellen, und daher sollte jede gewürdigt und umarmt werden. Weiterhin kann jede Welle für sich aktiviert oder reaktiviert werden, sollten die Lebensumstände dies fordern. In Notfallsituationen können wir den roten Kraftantrieb aktivieren; als Antwort auf das Chaos müssen wir vielleicht die blaue Ordnung aktivieren; bei der Suche nach Arbeit benötigen wir vielleicht unseren orangenen Zielerreichungsantrieb; in Liebesbeziehungen und mit Freunden nahe grüne Beziehungsfähigkeiten. All diese Meme haben etwas wichtiges beizutragen. Doch was keines der ersten-Rang Meme für sich tun kann, ist die volle Würdigung der Existenz der anderen Meme. Jedes der ersten-Rang Meme denk dass seine Weltsicht die richtige oder beste Perspektive ist - und reagiert negativ wenn diese Sicht angegriffen wird; es schlägt zurück, unter Verwendung der eigenen Werkzeuge, wann immer es sich bedroht sieht. Blaue Ordnung fühlt sich sehr unwohl mit der roten Impulsivität und dem orangenen Individualismus. Oranger Individualismus denkt dass blaue Ordnung etwas für Daumenlutscher ist und dass grüner Egalitarismus schwach und wachsweich ist. Grüner Egalitarismus tut sich schwer mit Elitedenken und Wertunterscheidungen, grossen Weltsichten, Hierarchien, oder irgendetwas was autoritär erscheint, und daher reagiert grün stark auf blau, orange und alles Post-Grüne. All dies beginnt sich mit dem Denken des zweiten Ranges zu verändern. Weil das zweite-Rang Bewusstsein sich der inneren Stufen der Entwicklung voll bewusst ist - auch wenn es sie nicht in technischen Formulierungen artikulieren kann - tritt es einen Schritt zurück und erfasst das Gesamtbild, und deswegen würdigt das zweite-Rang denken die notwendige Rolle die all die verschiedenen Meme spielen. Das zweite-Rang Bewusstsein bedenkt und erfasst die gesamte Spirale der Existenz, und betrachtet nicht nur eine der Ebenen. Während das grüne Meme beginnt, die zahlreichen verschiedenen Systeme und pluralistischen Kontexte die in den verschiedenen Kulturen existieren zu erfassen (weswegen es tatsächlich ein sensitives Selbst ist, d.h. sensibel hinsichtlich der Marginalisierung anderer), geht das zweite-Rang Denken einen Schritt weiter. Es schaut nach den reichen Kontexten welche diese pluralistischen Systeme verbinden und zusammenfügen, und nimmt daher die voneinander unterschiedenen Systeme und beginnt sie zu umarmen, zu beinhalten, und sie in einer integralen Spirale und in einem integralen Netzwerk zu integrieren. Das zweite-Rang Denken ist, mit anderen Worten, entscheidend für die Bewegung vom Relativismus zum Holismus, oder vom Pluralismus zum Integralismus.

Die umfangreichen Forschungen von Graves, Beck und Cowan weisen darauf hin dass es mindestens zwei weitere Hauptwellen in diesem integralen Bewusstsein des zweiten Ranges gibt:

7. Gelb: Integrativ. Das Leben ist ein Kaleidoskop natürlicher Hierarchien (Holarchien), Systeme und Formen. Flexibilität, Spontanität und Funktionalität haben die höchste Priorität. Unterschiede und Pluralitäten lassen sich in voneinander abhängigen, natürlichen Ströme integrieren. Egalitarismus wird ergänzt durch natürliche Rangordnungen und Qualitäten. Wissen und Kompetenz tritt an die Stelle von Macht, Status oder Gruppensensitivität. Die vorherrschende Weltordnung ist das Ergebnis der Existenz von verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit (Memes) und der unvermeidbaren Muster der Auf- und Abwärtsbewegungen in der dynamischen Spirale. Ein gutes Regieren erleichtert die Emergenz der Lebewesen durch die Ebenen fortschreitender Komplexität (verschachtelte Hierarchien). 1% der Bevölkerung, 5% der Macht.

8. Türkis: Holistisch. Universale holistische Systeme, Holons/Wellen von integrativen Energien; Vereinigung von Fühlen und Wissen; verschiedene Ebenen, verwoben in ein bewusstes System. Universale Ordnung, in einer lebendigen, bewussten Weise, nicht basierend auf äusseren Regeln (blau) oder Gemeinschaftsverbindungen (grün). Eine „grosse Vereinheitlichung" (eine „Theorie von Allem" [A Theory of Everything], oder T.V.A.) ist möglich, in Theorie und Verwirklichung. Manchmal erscheint die Emergenz einer neuen Spiritualität als ein Netzwerk von allem was existiert. Das türkise Denken verwendet die gesamte Spirale; sieht verschiedene Ebenen der Interaktion, findet Resonanzen und Obertöne, die mystischen Kräfte, und die alles durchdringenden Fliess-Zustände die jede Organisation durchdringen. 0,1% der Bevölkeurng, 1% der Macht.

Mit weniger als 2 Prozent der Bevölkerung auf dem zweiten-Rang Bewusstsein (und lediglich 0,1% auf türkis), ist das zweite-Rang Bewusstsein relativ selten, und stellt jetzt die Spitze der kollektiven menschlichen Evolution dar. Als Beispiele dafür führen Beck und Cowan die Noosphäre von Teilhard de Chardin, die Chaos- und Komplexitätstheorien, universelles Systemdenken, integral-holistische Theorien, Gandhi's und Mandela's pluralistische Integration an, mit deutlich zunehmender Tendenz, und noch höheren Memes in Aussicht...

Der Sprung zum zweiten-Rang Bewusstsein

Wie Beck und Cowan sagen, erfolgt die Emergenmz des zweiten-Rang Denkens angesichts grosser Widerstände seitens des ersten-Rang Denkens. Tatsächlich hat eine Version des postmodernen grünen Meme, mit seinem Pluralismus und Relativismus, aktiv die Emergenz eines mehr integrativen und holistischen Denkens bekämpft. Und doch bleibt ohne das zweite-Rang Denken, wie Graves, Beck und Cowan sagen, die Menschheit ein Opfer einer globalen „Autoimmunerkrankung", wo verschiedene Meme sich gegeneinanderstellen in dem Versuch die Vorherrschaft zu erlangen. Dies ist der Grund warum viele Argumente nicht wirklich eine Angelegenheit besserer objektiver Beweise sind, sondern von der Ebene desjenigen der argumentiert bestimmt werden. Keine noch so grosse Menge wissenschaftlicher Beweise wird einen blauen mythologisch Glaubenden überzeugen; Keine noch so starke grüne Verbundenheit wird eine orange Aggressivität beeindrucken; kein türkiser Holismus wird den grünen Pluralismus verdrängen - solange bis das Individuum bereit ist sich durch die dynamische Spirale des Bewusstseins nach vorne zu entwickeln. Aus diesem Grund führen „cross-level" Debatten nur selten zu einer Lösung, und alle Beteiligten fühlen sich meistens ungehört und nicht gewürdigt. Ebenso wird nichts, was in diesem Buch [A Theory of Everything] gesagt wird, Sie davon überzeugen dass eine T.O.E. [Theorie von Allem, Theory of Everything] möglich ist, es sei denn sie haben bereits einen Tupfer der türkisen Farbe auf Ihrer kognitiven Palette (und dann werden Sie auf fast jeder Seite des Buches denken, „das habe ich schon gewusst! Ich wusste nur nicht, wie ich es ausdrücken konnte"). Wie wir gesagt haben, leistet das erste-Rang Denken der Emergenz der zweiten-Rang Meme generell Widerstand. Wissenschaftlicher Materialismus (orange) ist auf eine aggressive Weise reduktionistisch gegenüber den Gedankengebäuden des zweiten Ranges, und versucht alle inneren Zustände auf ein objektives neuronales Feuerwerk zu reduzieren. Mythischer Fundamentalismus (blau) ist meistens empört gegenüber allen Bemühungen die die gegebene Ordnung in Frage stellen. Egozentrik (rot) ignoriert den zweiten Rang überhaupt. Magie (purpur) belegt ihn mit einem Fluch. Grün wirft dem zweiten-Rang Bewusstsein vor dass es autoritär, starr hierarchisch, patriarchalisch, vernachlässigend, unterdrückend, rassistisch und sexistisch ist. Grün hat die kulturellen Studien der vergangenen drei Jahrzehnte bestimmt. Sie haben wahrscheinlich schon einige der Standardbegriffe des grünen Meme wiedererkannt: Pluralismus, Relativismus, Vielfalt, Multikulturalismus, Dekonstruktion, Anti-Hierarchie, und so weiter. Auf der einen Seite hat der grüne pluralistische Relativismus den Bereich der kulturellen Studien bereichernd erweitert, und so viele Menschen, Ideen und Erzählungen mit berücksichtigt, die vorher vernachlässigt worden waren. Er hat einfühlsam und fürsorgend agiert im Bemühen, soziale Unausgewogenheiten auszugleichen, und jede Art von Ausschluss zu vermeiden. Er war verantwortlich für grundlegende Initiativen für die Bürgerrechte und den Schutz der Umwelt. Er hat starke und oft auch überzeugende Kritiken der Philosophien, der Metaphysik, und der sozialen Praktiken der konventionellen religiösen (blau) und wissenschaftlichen (orange) Meme entwickelt, mit ihren oftmals ausschliessenden, patriarchalen, sexistischen und kolonialistischen Programmen.

Auf der anderen Seite, so effektiv diese Kritik an den prä-grünen Stufen auch waren, grün hat versucht seine Kanonen auch auf die post-grünen Stufen gerichtet, mit sehr unglücklichen Ergebnissen. Dies hat es sehr schwierig, und oft unmöglich für grün gemacht, hin zu mehr holistischen, integralen Modellen voranzuschreiten. Weil der pluralistische Relativismus (grün) über den mythischen Absolutismus (blau) und die formale Rationalität (orange) hinausgeht, zu reichhaltigen Strukturen individualistischer Kontexte, ist eines seiner definierenden Charakteristika sein starker Subjektivismus. Das bedeutet dass seine Zustimmung zu dem was wahr und gut ist überwiegend von individueller Neigung bestimmt ist (solang das Individuum nicht andere verletzt). Was wahr für Dich ist, ist nicht notwendigerweise wahr für mich; was richtig ist ist einfach das worüber Individuen oder Kulturen zu einem gegebenen Moment übereinstimmen; es gibt keinen universellen Anspruch für Wissen oder Wahrheit; jeder Mensch ist frei seine eigenen Werte zu finden, welche niemanden anderen auf irgeneine Weise binden. „Du machst Dein Ding, ich mache meines" ist eine populäre Zusammenfassung dieses Standpunktes. Dies ist der Grund warum das Selbst auf dieser Stufe ein wirklich „sensitives Selbst" ist. Genau deshalb weil es sich der vielen verschiedenen Kontexte und verschiedenen Typen von Wahrheiten (Plurakismus) bewusst ist, lehnt es sich zurück und lässt jede Wahrheit ihre eigene Aussage haben, ohne eine zu vernachlässigen oder herabzusetzen. Man erkennt es an den Schagworten „Anti-Hierarchie," „Pluralismus", Relativismus", und Egalitarismus", wann immer Sie das Wort „Vernachlässigung" und eine Kritik daran hören, befinden Sie sich fast immer in der Gegenwart eines grünen Meme. Dieser noble Ansatz hat natürlich auch seine Nachteile. Besprechungen die nach grünen Prinzipien ablaufen haben oftmals die gleiche Tendenz: jeder kann seine Gefühle ausdrücken, was oft Stunden dauert; es gibt ein fast endloses Abfolge von Meinungen, oftmals ohne zu einer Entscheidung zu kommen oder zu Aktionen, weil eine bestimmte Aktionsfestlegung wahrscheinlich jemanden ausschliessen würde. Deswegen wird immer wieder zu Einschluss, Nichtvernachlässigung und leidenschaftlicher Umarmung aller Ansichten aufgerufen, doch wie genau das getan werden kann wird selten ausgesprochen, weil in der Wirklichkeit nicht alle Ansichten von gleichem Nutzen sind. Die Besprechung gilt dann als Erfolg, nicht wenn ein Beschluss gefunden wird, sondern wenn jeder die Gelegenheit hatte seine Gefühle mitzuteilen. Da keine Ansicht von Natur aus besser ist als eine andere, werden keine konkreten Ziele und Aktionen verfolgt, ausser dass alle Ansichten mitgeteilt werden. Wenn irgendwelche Aussagen mit Bestimmtheit getroffen werden, dann sind es Aussagen darüber wie unterdrückend und scheusslich all die alternativen Konzepte sind. Es gab einen typischen Spruch in den sechzigern: „Freiheit ist eine endlose Besprechung". Nun, das Endlose daran war sicherlich richtig. In der akademischen Welt ist dieser pluralistisch Relativismus die vorherrschende Meinung. Colin McGuinn fast es wie folgt zusammen: „Folgt man dieser Konzeption, ist das menschliche Denken von Natur aus lokal, kulturbezogen, verwurzelt in den verschiedenen Fakten der menschlichen Natur und Geschichte, und eine Angelegenheit unterschiedlicher 'Praktiken' und 'Lebensformen' und 'Bezugsrahmen' und 'konzeptueller Projekte'. Es gibt keine Regeln des Denkens, welche dasjenige transzendiert was von einer Gesellschaft oder Epoche als akzeptiert gilt, keine objektive Rechtfertigung für Überzeugungen die für jeden gültig wären, vor dem Hintergrund offensichtlicher schmerzhafter Denkfehler. Gültig wird einfach als gültig genommen, und veschiedene Menschen können legitim ganz unterschiedliche Muster dieses Nehmens haben. Am Ende besteht die einzige Rechtfertigungen für Überzeugungen in einem 'richtig für mich'". Clare graves formuliert es so, „Dieses System sieht die Welt relativistisch. Das Denken zeigt eine radikale, fast schon zwanghafte Tendenz, alles von einem relativistischen, subjektiven Bezugsrahmen her zu betrachten." Worum es dabei geht ist vielleicht offensichtlich: weil der pluralistische Relativismus einen ausgeprägten subjektivistischen Standpunkt darstellt, ist er eine leichte Beute für den Narzissmus. Pluralismus wird unbewusst zu einer Heimat für die Kultur des Narzissmus, und Narzissmus ist der grosse Verleugner von jeder allgemeinen integralen Kultur und jeder T.O.E speziell (weil Narzissmus sich weigert aus seinem eigenen subjektiven Orbit herauszutreten, und daher auch keine anderen Wahrheiten duldet als seine eigenen). Daher gehört auf unsere Liste von Hindernissen für eine echte Theorie über Alles [Theory of Everything] auch die Kultur des Narzissmus und die ausschliessende Vorherrschaft des grünen Meme...

Ende Teil I der Interviews