INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber
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"Metaphysik entlang weltzentrischer Linien neu denken..." Post-Metaphysik
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PREMODERN | (POST)MODERN | TRANSMODERN |
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ethnozentrisch | weltzentrisch | weltzentrisch |
transzendent, aber kosmisch |
immanent, dies-weltlich |
transzendent, aber Kosmisch |
nur wahre Gläubige kom-men in den Himmel | der Himmel ist ein Glücks-zustand | der Himmel ist allen mensch-lichen Wesen offen |
Eine interessante Nebenbemerkung: die Tatsache, dass die himmlische Welt eine Realität ist, bedeutet nicht, dass sich die meisten Einwohner dessen bewusst sind. Es stellt sich tatsächlich heraus, dass die meisten in diesen Ebenen ihre Zeit damit verbringen, über ihr vergangenes Leben zu träumen. Da gibt es einen weiten Raum für einen „konstruktivistischen" Angriff auf das Leben nach dem Tod in dieser esoterischen Konzeption. Sogar das konzeptuelle Konditionieren lebt weiter: viele werden Dinge sehen, die zu erwarten man sie gelehrt hat, seien es Christus, Krishna oder Engel. Um der Realität der astralen Welt gewahr zu werden, ist ein Erwachen der zu dieser Welt gehörenden Sinne vonnöten.
Wilbers Neuformulierungen der immerwährenden Philosophie in eine Form, die dem modernen Geschmack annehmbar ist, gründen auf einer bestimmten strategischen Weisheit. Wenn die Moderne keine ontologischen Spekulationen mag, wird sie niemals Ideen über höhere Welten abkaufen, mit ihren Bewohnern, die um uns herum existieren sollen, genau hier und jetzt. Indem man diese metaphysischen Aspekte der antiken Weisheit ausklammert, hat man wenigstens eine kleine Chance, dass die Moderne zuhören mag. Und er ist davon überzeugt, dass er die gleichen Punkte ansprechen kann, indem er eine psychologische Sprache benützt. Als verkörperte menschliche Wesen sind wir in der Lage, das volle Spektrum von Glücklichsein und Unglücklichsein zu erfahren, sogar bis zur Ebene der höchsten mystischen Erfahrung des Einen Geschmacks. Man benötigt kein metaphysisches Rahmenwerk, um diesen Erfahrungen einen Sinn zu geben.
Da besteht jedoch immer die Gefahr, in die Flachland-Falle hineinzufallen, wenn man für eine rein immanente Philosophie optiert. Wenn alle diese Zustände von einem verkörperten Wesen erfahren werden können, wer sagt dann, dass sie nicht nur das Resultat eines biochemischen Prozesses im menschlichen Gehirn seien ? Wilber vermeidet diese Falle, indem er das Alle-Quadranten-Modell benützt, das die neurologische Dimension sicher in nur einen Quadranten schiebt. Gleichzeitig scheint er der physischen Ebene eine unverdiente Vorherrschaft zu geben, wenn er vorschlägt, sie aus dem traditionellen Schema der Welten herauszunehmen und sie als die äußerste Ebene aller inneren Dimensionen zu revidieren. Doch was ist dann der ontologische Status der anderen drei Quadranten, besonders des oberen linken, der viele verborgene Schichten des inneren Lebens zu beherbergen scheint ? Wenn diese innere Dimension nicht auf Gehirnprozesse reduzierbar ist, wie können wir dann vermeiden, metaphysische Schlussfolgerungen über ihren ontologischen Status zu ziehen ?
Die physische Ebene: die niedrigste oder die äußerste ?
In der theosophischen Weltsicht leben die menschlichen Wesen auf allen Ebenen gleichzeitig, doch sie haben noch nicht (bis jetzt) die Fähigkeit, diese Realitäten wahrzunehmen. Im Augenblick sind wir nur in der Lage, mit unseren physischen Augen zu sehen. Konsequenterweise scheint die physische Realität die einzig vorhandene Realität zu sein, und die Physik scheint die einzig wahre Naturwissenschaft zu sein. Alle anderen Erfahrungen werden angezweifelt, entsprechend ihrer flüchtigen Natur. In der Theosophie wird unser physischer Körper als das äußerste „Vehikel" angesehen, das von unserem Bewusstsein benützt wird. Wir haben tatsächlich Vehikel des Bewusstseins für jede Ebene der Existenz, obgleich die meisten noch in einem embryonalen Zustand sind: wir haben einen Astral- oder Gefühlskörper, einen Mentalkörper, einen Kausalkörper, einen Buddhikörper etc. Grundsätzlich sind wir eine Bewusstseins-Einheit oder „Monade", die von oben herabgestiegen ist, Körper nach Körper angenommen hat, bis wir die tiefste Ebene, diesen physischen Plan erreicht haben. Andersherum: nach dem Tod werden wir diese Körper nacheinander ablegen und dabei aufwärts durch die Sphären steigen, bis wir unsere Heimat im Geist erreichen.
Wilber hat bei vielen Gelegenheiten betont, dass dort, wo die Alten glaubten, dass die physische Welt die tiefste Ebene sei, eine moderne Neuformulierung sie als die äußerste Dimension aller inneren Ebenen ansehen sollte:
Die materiellen Domänen sind nicht so sehr die niedrigsten Ränge in der großen Hierarchie, sondern sie sind die äußeren Formen einer jeden Stufe in der Hierarchie (Marriage of Sense and Soul, [Naturwissenschaft und Religion], S. 183).
Das scheint mir eine Übertreibung zu sein. Während es wahr zu sein scheint, dass das physische Gehirn mit allen inneren Erfahrungen verbunden ist, hohen oder niedrigen, verschleiert dies die Tatsache, dass (1) die physische Ebene eine Ebene mit ihrer eigenen Berechtigung ist und (2) das physische Gehirn wirklich mit allen inneren Prozessen verbunden ist, doch dass (3) diese inneren Prozesse ihre eigenen „Körper" auf ihren eigenen Ebenen der Existenz haben. Nach meiner Meinung können wir eben nicht eine der Ebenen der Existenz herausnehmen (gerade weil sie die einzige uns bekannte Ebene ist), um uns den modernen Erkenntnissen über die Gehirntätigkeiten anzupassen, wenn diese Erkenntnisse ebenso gut herangezogen werden können, wenn man die Ebenen als gegenseitig ineinander verflochten ansieht. Ein von Wilber gern benütztes Beispiel, um zu zeigen, dass die physische Ebene gerade nicht die niedrigste Ebene im Schema aller Dinge sein kann: in jener traditionellen Konzeption würden die Gefühle eines Wurms höher sein als die Komplexität des menschlichen Gehirns. Dazu bemerkt er: „Etwas ist offenbar nicht ganz richtig bei diesem Schema" (Auszug G). Ist es aber so ? Ontologisch gesprochen sind Gefühle, gleichgültig wie primitiv, höher als physische Realitäten, wie komplex auch immer. Ich sehe hier kein Problem. Kein Betrag an Komplexität kann durch sich selbst die Tiefe des Bewusstseins erklären.
Wenn wir darüber hinaus einen Körper in jeder Welt haben, ist eine volle AQAL-Analyse für jede Ebene der Existenz möglich. In der physischen Welt sehen wir nur die jeweiligen physischen Körper, die äußersten Vehikel unserer inneren Leben. Auf der Astralebene würden wir nur die jeweiligen Astralkörper sehen, die äußersten Vehikel unserer inneren Leben in jener Dimension. Und so weiter. Das AQAL-Rahmenwerk ist ein authentischer kosmischer Kompass, der sich auf allen Ebenen der Existenz bewährt! Wo auch immer wir bewusste Wesen antreffen, in welcher Ebene der Verkörperung auch immer, können wir zwischen oberem linken, oberem rechten, unterem linken und unterem rechten Quadranten unterscheiden. Im Fall eines Hellsichtigen, der in der Lage ist, den Astral –(und höhere) Körper zu sehen, während er auf der physischen Ebene wach ist, ist die Situation wieder völlig verständlich innerhalb der AQAL-Analyse. Da ist immer ein Körper das äußerste Vehikel des Bewusstseins – der untere rechte Quadrant in dieser besonderen Situation – und die Gemeinschaft der in jenem Körper lebenden Wesen macht die unteren beiden Quadranten aus. In einem neuerlichen Schreiben hat Wilber die Natur der subtilen Energie oder subtilen Körper/Felder diskutiert und hat diese dem oberen rechten Quadranten der physischen Ebene zugeordnet. Dies scheint den oberen rechten Quadranten ein bisschen zu sehr zu überladen. Während subtile Energie/Körper tatsächlich der Kategorie oben rechts angehören, gehören sie nicht zu der gleichen Existenzebene. (Es ist nicht überraschend, dass AQAL sowohl Quadranten als auch Ebenen einschließt, da Quadranten notorisch schlecht sind beim Entdecken von Ebenen). Hier mag eine optische Täuschung vorliegen: da alle Ebenen ihre vier Quadranten haben und wenn man von oben durch alle diese Quadranten schaut, mag es so aussehen, als existierten physische Energie/Körper und subtile Energie/Körper innerhalb des gleichen Quadranten, doch das ist nicht der Fall. Astrale und mentale Körper existieren per Definition auf den astralen und mentalen Ebenen der Natur. Die Tatsache, dass einige Hellsichtige diese in ihren Zeitgenossen sehen, ändert nichts an dieser Tatsache. (Und irgendwelche Lebens- oder Geistfelder, die mit physischen Mitteln entdeckt werden, wie von H.S.Burr etwa, würden diese Felder per Definition lediglich dem oberen rechten Quadranten zuordnen.)
Evolution als ein zurückgespultes Video der Involution ?
Wilber hat seine Loyalität gegenüber der immerwährenden Philosophie am meisten im Fall der Involutions-Lehre wieder bedacht. Die traditionelle esoterische Philosophie meint, dass die Involution der Evolution vorangeht, und dass die Evolution in einem gewissen Sinn die Schritte während der Involution rekapituliert. Wo Involution ein sich nach unten gerichtet bewegender Prozess vom Geist zur Materie ist, ist Evolution der umgekehrte aufwärts gerichtete Prozess von der Materie zum Geist. Obwohl Wilber selten diese Anmerkung der Involution herausarbeitet, nicht einmal in seinen frühen Werken, hat er sie immer auf den Urknall bezogen als dem Beginn des physischen Universums. Nach Wilber führt dies zu einer Sicht der Evolution, die der Freiheit beraubt ist, da sie nur eine Art zurückgespultes Video der Involution ist, die ihr vorausging. Er hat die Doktrin der Involution von den meisten ihrer ontologischen Besonderheiten losgelöst, indem er nur eine Handvoll von „involutionären Gegebenheiten" belassen hat, wie etwa „das große morphische Feld des evolutionären Potenzials" und „gewisse physikalische Gesetze, die von der Mathematik beschrieben werden". Konsequenterweise gibt es keine harten und schnellen Schritte auf der Leiter des Lebens, die von der Involution festgelegt wurden, nur einen sanften Stoß, sich aufwärts zum Geist zu bewegen. Beachten Sie wieder die vorherrschenden Flachland-Themen, die hier erwähnt werden: der Urknall, die Gesetze der Physik und Mathematik etc.
Die theosophische Sicht der Involution erwähnt die metaphysischen Prozesse den ganzen Weg hinab vom Geist zur Materie, betont aber auch die primitive Natur des involutionären Lebens auf dieser Stufe des kosmischen Prozesses. Während er durch jede der höheren Sphären schreitet, bis er die unterste Ebene, die physische Welt erreicht, bereitet er die „Materie" dieser höheren Welten vor, so dass sie als Grundmaterial für die subtilen Körper der Lebewesen dienen kann, die sich auf dem evolutionären, nach oben gerichteten Bogen des kosmischen Prozesses befinden. Evolution ist keineswegs auf das beschränkt, was während der Involution geschieht, soweit es ihren besonderen Inhalt betrifft. Sie ist jedoch auf die Sphären der Existenz selbst beschränkt, die das „Feld der Evolution" der aus dem Göttlichen auftauchenden Monaden bilden.
Hören Sie, was Annie Besant in ihrem einhundert Jahre alten Meisterwerk „Eine Studie über Bewusstsein" schrieb:
Es ist wichtig zu bemerken, dass der evolutionäre Prozess, der in den Ausdruck des involvierten Bewusstseins hinausführt, durch Kontakte beginnen muss, die von seinem äußersten Vehikel empfangen wurden, d.h. er muss auf der physischen Ebene beginnen. (S.69)
Hier gibt es ein klares Verständnis der Aufeinanderbezogenheit des komplexen Prozesses von Involution und Evolution, des Mechanismus, durch den das Bewusstsein aus seinem Schlummer erwacht und der wichtigen Funktion des äußersten Körpers.
Indem er von dieser traditionellen Konzeption abweicht, gesellt sich Wilber zu Sheldrake in seiner Bemerkung von kreativen Emergenzen, die im Lauf der Evolution durch den Mechanismus der morphischen Resonanz stabilisiert werden. Dieser Mechanismus kann jedoch niemals die kreative Emergenz selbst erklären, die ein Mysterium bleiben muss (gleichbedeutend mit „Kreativität" oder „Geist"). Wir haben hier die Alternativen vor uns: (1) einer kosmischen Sicht, die die Ebenen der Existenz darstellt, welche die Stufen der Leiter des Lebens sind, die wir betreten können, und (2) eine modernisierte Sicht, die neue Stufen der Entwicklung als Mysterium ansieht und sich darauf konzentriert, wie Stufen, die einmal aufgetaucht sind, in darauffolgenden Generationen stabilisiert werden. In der älteren Konzeption entdeckten die alten Mystiker die Stufen der spirituellen Entwicklung, weil diese einfach die Ebenen der Existenz waren; in der modernen Sicht erhoben sich diese Stufen einfach nur so, und spätere Generationen folgten ihren Spuren.
Das bringt mich zu der geäußerten, jedoch allgemeineren Frage, wie „real" die Stufen/Ebenen sind, die in Wilbers System behauptet werden. Man trifft oft die Haltung an, dass letztendlich alle Unterteilungen willkürlich sind, und wir können die Stufen der Entwicklung in jeder beliebigen Weise unterteilen. Die Analogie vom Lichtspektrum ist hier hilfreich. Während es wahr ist, dass dieses Spektrum bis zur Unendlichkeit unterteilt werden kann, ist es ebenfalls wahr, dass es (1) Grundfarben gibt – alles primäre Farben, wie gelb und rot; und sekundäre Farben, wie orange, die ohne weiteres unterschieden werden können – und (2) sind bei weitem nicht alle Farben Spektralfarben, sondern Mischungen von primären und sekundären Farben. Man wird niemals rosa oder braun in dem Farbspektrum finden, wie auch immer dies unterteilt wird.
Auf die gleiche Weise mögen Bewusstseinsstufen mit den Spektralfarben oder den Nichtspektralfarben verglichen werden. Die mental-egoische Stufe scheint mir ein guter Kandidat einer „Spektral"- Stufe der Entwicklung zu sein, da sie in der mentalen Ebene der Natur gründet. Eine magisch-emotionale Stufe mag genau aus dem gleichen Grund spektral genannt werden, denn sie gründet in der Astralebene der Natur. Eine „zentaurische" oder existenzielle Stufe mag mehr mit einer Farbmischung verglichen werden, weil sie durch die Integration von Körper und Geist charakterisiert wird. Wie sehr auch immer diese eine konkrete Entwicklungsstufe sein mag, so gibt es keine „zentaurische" Ebene der Natur, die das unterstützen würde. Ebenso ist die „psychische" Entwicklungsstufe, besonders wie sie von Wilber in seinen frühen Werken als eine entscheidend paranormale Stufe beschrieben wird – zu welcher NDEs, OOBs und ESP gehören – ein Beispiel für eine Stufe, die von einer ontologischen Existenzebene unterstützt wird. Wo „normale" Entwicklungsstufen als Expansionen des Bewusstseins definiert werden, von denen keine von menschlichen Wesen ausgelassen werden kann, ist die psychische Stufe eher wie eine Expansion der Sinne und kann definitiv ausgelassen werden. Wilber hat paranormale Konnotationen in seiner Neuformulierung der psychischen Stufe als eine proto-spirituelle Stufe der Naturmystik entfernt, doch dies lässt typische psychische Fähigkeiten noch erklärungsbedürftig zurück.
Bibliograpie
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K. Wilber, Excerpt G: Toward A Comprehensive Theory of Subtle Energies, wilber.shambhala.com
K. Wilber, On the Nature of a Post-Metaphysical Spirituality: Response to Habermas and Weis, wilber.shambhala.com
K. Wilber, Introduction to Excerpts, from Volume 2 of the Kosmos Trilogy, wilber.shambhala.com
World Research Foundation, The Electrical Patterns of Life (The Work of Dr. Harold Saxton Burr), www.wfr.org