INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Veröffentlichungstermine von Essays (Monat / Jahr) finden Sie unter "Essays".

Ken Wilber im Dreier-Pack

Im Herbst erscheinen drei Werke Ken Wilber's auf dem deutschen Buchmarkt: Einfach Das (Fischer/Krüger), Integrale Psychologie (Arbor) und Ganzheitlich Denken - Eine Integrale Vision für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Spiritualität. (Arbor).

Einfach Das (One Taste) ist Wilber's Tagebuch aus dem Jahr 1997, und damit (wie auch schon Mut und Gnade ) ein sehr persönliches Buch, in dem er einen Einblick in seine eigene, private Welt eröffnet. Wie lebt dieser zurückgezogene Eremit, praktizierende Buddhist, Autor von über sechzehn Büchern, führender Theoretiker der Evolution des Bewußtseins? Die Tagebuch-Einträge beschreiben persönliche Erlebnisse und Einsichten; Wilber's eigene spirituelle Praxis (und seine Empfehlungen für andere); Gedanken über seine Arbeit und Auseinandersetzungen mit Vertretern der Transpersonalen Psychologie, mit Ökopsychologie, spirituellen Bewegungen und New Age; kurze Aufsätze und Interviews (u. a. über Feminismus und Psychotherapie); sowie den Werdegang und die Veröffentlichung von Naturwissenschaft und Religion.

Wilber nutzt die Erfahrungen seines Alltags und die Begegnungen mit anderen Menschen, um immer wieder neue Facetten der Philosophia perennis, der großen Verschachtelung von Körper, Emotion, Geist und Seele, zu beschreiben und auf den Punkt zu bringen. Dem Universum zugrunde liegt Reines Bewußtsein, das im Verlauf spiritueller Praxis mit dem Auge der Kontemplation wahrgenommen werden kann, und alles, was existiert, ist ein Ausdruck dieses Einen Geschmacks: nämlich Einfach Das.

Integrale Psychologie (Integral Psychology)

Die Wurzeln der modernen Psychologie liegen in spirituellen Traditionen, weil die Psyche selbst von spirituellen Quellen gespeist wird. Dies ist in den zurückliegenden Jahrhunderten, geprägt durch eine überwiegend ojektivierende-materialistische Sichtweise, nahezu vergessen worden. Wilber nimmt an diesem Punkt der Entwicklung den Faden wieder auf, und skizziert eine integrale Psychologie, die das jeweils Beste der alten Weisheiten mit den fundamentalen Einsichten der Moderne und Postmoderne verknüpft, und ihre Schattenseiten vermeidet.

Die Bestandteile einer solchen Integralen Psychologie sind:

- Ebenen der Bewußtseinsentwicklung: Vom Körper zu Emotion zu Verstand zu Seele zur nichtdualen Einheit, unterteilt in neun Stufen, durch die sich das Selbst als Ich-Identität mittels Differenzierung und Integration weiterentwickelt, bzw. im Falle von Dissoziation oder Fixierung Pathologien entstehen, für die jeweils eine bestimmte Art von Psychotherapie angemessen ist; - Entwicklungslinien, die sich in den Quadranten durch die Ebenen hindurchbewegen: Kognition, Affekt, Bedürfnisse, Moral, Spiritualität, u.a.; - Das Selbst als Steuermann durch die Ebenen und die verschiedenen Linien, welches sich im Laufe seiner Entwicklung mit der jeweils höheren Ebene identifiziert, und die darunter liegenden Ebenen integriert, und sich so zu immer größerer Ganzheit entwickelt (ich habe einen Körper, ich habe Emotionen, ich bin mein Verstand; der nächste Schritt wäre: Ich bin mein innerer Zeuge, ich habe einen Verstand usw.); - Vier Quadranten des Universums, unterschieden nach innen/außen und individuell/kollektiv: Individuelle Psyche, physiologisches Korrelat im Körper, kulturell bedingte Weltsichten und gesellschaftliches Umfeld; - Bewußtseinszustände: natürlich, verändert, außergewöhnlich; Wachen, Träumen und Tiefschlaf.

Aus der Kombination dieser Elemente ergibt sich eine Integrale Therapie, bei der nicht nur (je nach Ebene der Störung) tiefenpsychologisch, körpertherapeutisch, aufbauend oder meditativ/kontemplativ gearbeitet wird, sondern je nach Bedarf auch Ernährung, Bewegung, Medikamente, systemische Arbeit oder die Einbindung in gesellschaftliche Zusammenhänge thematisiert werden.

Wilber vertritt dezidiert den Standpunkt, daß die Probleme, mit denen wir als Einzelne und als Weltgesellschaft zu tun haben, nicht deswegen entstanden sind, weil wir aus einem Paradies herausgefallen wären, sondern weil wir uns im Gegenteil auf einem unvermeidbaren Weg der Evolution noch nicht weit genug entwickelt haben; die notwendige Differenzierung von Wissenschaft, Moral und Ästhetik hat noch nicht die Stufe der Integration erreicht, sondern ist in einer pathologischen Dissoziation hängengeblieben. So ergibt sich sowohl für den Einzelnen, wie für die gesamte Kultur die Berufung, Körper, Geist und Seele in allen vier Quadranten ausgewogen zur Geltung zu bringen; eine Integrale Psychologie, die psychische Entwicklung umfassend als Entwicklung von Bewußtsein versteht, bietet dafür Orientierung: "Alle Ebenen, alle Quadranten, alle Linien".

Ganzheitlich Denken - Eine Integrale Vision für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Spiritualität (A Theory of Everything)

Ganzheitlich Denken entwirft die Landkarte einer integralen Vison, in der Wissenschaft, Kunst, Religion und Ethik vereint werden. Im ersten Teil wird mit der Zusammenfassung von Wilber's Grundgedanken ("Alle Quadranten, alle Ebenen") die Theorie einer integralen Gesamtschau geschildert, im zweiten Teil wird diese Theorie auf praktische, lebensweltliche Bereiche wie Wirtschaft, Medizin, Politik, Bildung und Ökologie angewandt; diese Anwendung steht noch ganz am Anfang, so daß in einigen Bereichen erst Umrisse sichtbar werden Wilber beschreibt ausführlich das Spiral-Dynamik-Modell menschlicher Entwicklung (Graves, Beck, Cowan); die Probleme, die aus einem narzißtischen Ich-Denken entstehen, und die eine integrale Sichtweise behindern; die Bedingungen für Transformation auf der gesellschaftlichen und individuellen Ebene (insbesondere den Ansatz einer Integralen Transformativen Praxis: Je mehr Aspekte unseres Seins gleichzeitig entwickelt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß Transformation stattfindet).

Im letzten Teil des Buchs stellt Wilber weitere Landkarten des Kosmos vor, bezugnehmend auf andere Theoretiker von Weltsichten, die sich häufig auf einen Quadranten oder eine Ebene spezialisiert haben; in der Gesamtschau entstehen sinnvolle Karten, die den integralen Blick schärfen. Damit das Reine Bewußtsein sich auf allen Ebenen und in allen Quadranten zeigen kann, braucht es eine integrale Vision (die Landkarte), sowie eine integrale Praxis (den Weg gehen), in der Körper, Geist, und Seele sich in Selbst, Kultur und Natur entwickeln können.

Max Peschek, Körperpsychotherapeut und Trainer, Bremen