INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber
Today is:
Veröffentlichungstermine von Essays (Monat / Jahr) finden Sie unter "Essays".
Jeff Meyerhoff ist ein unabhängiger Gelehrter, der Philosophie, Politik,
Mystizismus und Psychologie studiert. Er benützt Aufmerksamkeit und
Psychoanalyse zur Selbstentwicklung. Er verdient seinen Lebensunterhalt als
Sozialarbeiter bei Geisteskranken, sucht jedoch nach neuen beruflichen
Gelegenheiten. Sein Weblog kann gefunden werden bei
philosophyautobiography.blogspot.com
. Email at [email protected].
Die Mythen vertreiben
Eine zweite Erwiderung auf Ray Harris
über den arabisch-israelischen Konflikt
Jeff Meyerhoff
Ray Harris erwiderte mit beeindruckender Geschwindigkeit auf meinen Essay über
seine Ansichten vom arabisch-israelischen Konflikt, obschon die Schnelligkeit
seiner Antwort nicht zu einem kleinen Teil auf das vollständige Fehlen der von
ihm dargebotenen Dokumentation zurückzuführen ist. Während es einige Gebiete
der Zustimmung gibt, die ich bemerke, bin ich für den größten Teil auf die
mühselige Aufgabe beschränkt, die wissenschaftliche Beweislage zu ordnen, die
in den meisten Fällen direkt seinen vertrauend undokumentierten Behauptungen
widerspricht oder einen Ausgleich anbietet für die weniger wahren, jedoch
parteilichen Aussagen, die er macht.
Die alten Mythen sind die besten Mythen
Um die Handlungsweise Israels und der USA gegenüber den Palästinensernnicht zu
erwähnen, betont Harris, was er als eine unvermeidbare Tendenz zur
Unterdrückung im Islam ansieht. In seiner Antwort an mich jedoch schreibt er,
um meiner Behauptung der amerikanisch-israelischen Zurückweisung zu begegnen,
einen alternativen Bericht über die Geschichte der arabisch-israelischen
Beziehungen im zwanzigsten Jahrhundert. Bei seiner Auflistung von positiven
israelischen Aktionen und negativen palästinensischen und arabischen Aktionen
ist auffallend, dass es sich so anhört, als wäre es einer Zeitkapsel
entnommen, die 1982 begraben wurde. Seine Beispiele sind durch die veraltete,
triumphalistische Rhetorik eingerahmt, die als Geschichte in Israel
durchzugehen pflegte, die jetzt jedoch durch die Integration von Israels
revisionistischer Geschichtsschreibung der „neuen Historiker’’ ersetzt wird.
Man muss sich nicht bloß auf die Seite der neuen Historiker schlagen, doch das
Spektrum der Debatte hat sich verändert und man bleibt zurück, indem man naiv
zionistische Propaganda vom Stapel lässt, wenn das volle Spektrum der Forschung
nicht beachtet wird. Hier sind die Hauptmythen:
Der Mythos der gierigen, ununterscheidbaren arabischen Horde
Der Dunsthauch von Vorurteilen, der aus Harris’ Arbeit hervorweht, kommt
teilweise von seinen manchmal aufgewühlten, manchmal ungezwungenen Anspielungen
auf „die Araber’’, als wären sie alle das gleiche Volk. Sind diese „Araber’’
die Perser Irans oder die multikulturelleren Araber Libanons? Sind sie die
Unterstützer von bin Laden oder die Verächter bin Ladens? Sind sie die
weltlichen Gemäßigten oder die islamischen Fundamentalisten? Die herrschenden
Eliten oder die beherrschten Massen?
In den USA ist es jetzt ein klischeehaftes Erste-Welt-Stereotyp zu sagen, dass
alle jene – Schwarze, Chinesen, Inder, Asiaten – gleich aussehen, Harris jedoch
bleibt dabei, die Idee zu verbreiten, dass man sich auf „die Araber’’beziehen
kann als eine gewaltige, anti-jüdische Wesenheit und dass ihr gesamtes Land
zusammengezählt werden könne und dass daran gezeigt werden kann, dass es viel
größer sei als Israels Land. „In diesem Fall sage ich zu Meyerhoff, wenn es um
Land geht, dann geht es um den verblüffenden Geiz der Araber. Mit all dem Land
und all dem Gas und Öl können sie es sich leisten, großzügig zu sein. Sie haben
eine Menge Land und die Juden wollen nur ein bisschen.’’ Ist das eine
Projektion des engstirnigen Stereotyps vom geizigen Juden auf den anderen?
Auf die kleine Ausdehnung Israels zu zielen im Vergleich zu den
zusammengefassten arabischen Staaten, ist naiv und ein gefährlicher gesetzter
Präzedenzfall. (Das widerspricht ebenso seiner Erklärung, dass Israel sich in
seine Grenzen vor 1967 zurückziehen sollte). Sollten wir sagen, dass das kleine
Japan die Mandschurei verdient und dass seine Übergriffe auf die Chinesen
gerechtfertigt wären? Als ich ein Schuljunge war, zeigte man mir eine Karte des
Nahen Ostens mit dem kleinen Israel in Blau und allen arabischen Staaten in
Rot. „Armes kleines Israel.’’ Als Kind verstand ich nicht, dass das ein
Propaganda-Werkzeug war und ich wusste nicht, dass es Unterschiede zwischen
jener ununterscheidbaren arabischen Horde geben sollte. Erstaunlicherweise
haben Araber, ganz wie andere menschliche Wesen, ungleiche Gefühle für und
Bindungen an
ihre
Länder.
Harris schreibt, dass „Meyerhoff leider dem Mythos anheim fällt, dass die
Probleme im Nahen Osten alle dem imperialistischen Eingreifen von außen zu
verdanken sind. Die Wirklichkeit ist, dass der Nahe Oster schwierig unter
Kontrolle zu bekommen ist.’’ Ich werde das Thema des imperialistischen
Einflusses weiter unter behandeln. Hier möchte ich die Aufmerksamkeit auf
Harris’ Redewendung „schwierig zu kontrollieren’’ lenken: als obläge es uns
vernünftigen, aufgeklärten Westlern, jene hitzköpfigen, hinterwäldlerischen
Nahöstler „zu kontrollieren’’. Vielleicht meint er es nicht auf diese Weise, es
ist jedoch befremdend, von einer weiten Region der Welt zu denken, als wenn sie
von irgendeiner äußeren Macht kontrolliert werden müsste.
Und in einer seltsamen, kognitiv abweichenden Tirade erkennt Harris sowohl die
imperialistischen Bestrebungen der Westmächte im Nahen Osten an – mutmaßlich
eine schlechte Sache – und eifert dann, dass die Araber ohne diese in einer
schlechten Verfassung wären. „Lassen Sie mich tatsächlich Meyerhoff diese Frage
stellen – was wäre im Nahen Osten geschehen, wenn die westlichen Mächte
überhaupt nicht eingebunden gewesen wären, wenn sie ihre imperialistischen
Bestrebungen für sich behalten hätten und eine isolationistische Annäherung
eingenommen hätten?...Alle jene heben mal die Hand, die denken, dass der Nahe
Osten in einen Bürgerkrieg abgesunken wäre, bis einer oder mehr
Kalifen/Diktatoren sich erhoben (die dann immer noch westliche Technologie
gebraucht hätten, genauso wie die Osmanen es taten – vorrangig militärisch?)’’
Ich vermute, wir werden es nie wissen, doch vielleicht wären sie unbehindert
auf dem moralisch progressiven, evolutionären Bahnverlauf vorangeschritten, den
Wilber für alle sozialen Gruppierungen beschreibt. Die Frage ist nicht
ob
westliche Staaten sich im Nahen Osten engagieren und dort einschreiten sollten,
die Frage ist
was
sie tun und
wem
ihre Aktionen wehtun und helfen.
Der Mythos der nur-arabischen Aggression
Harris beschreibt „den Krieg von 1948, in dem benachbarte arabische Staaten den
neuen Staat Israel am Vorabend seiner Ausrufung angriffen.’’ „Die israelischen
Grenzen sind jedes Mal erweitert worden, wenn die Araber Israel angriffen. Das
Schlüsselwort hier ist 'Angriff'. Wenn die Araber nicht gegen die
UN-Erklärung gekämpft hätten, die Israel schuf, wäre Israel kleiner als es
jetzt ist.’’
Dieser Mythos ist ein gutes Beispiel dafür, weshalb es schwierig ist, gegen
Harris zu erwidern. Er macht wiederholt diese überbreiten Verallgemeinerungen
ohne Zitate. Sie säuberlich als falsch zu entlarven, erfordert eine Menge
Arbeit. Die Aussagen oben schließen tatsächlich vier von sieben Mythen von
Die Geburt Israels
ein, was Simha Flapan als falsch entlarvt, indem er Archivmaterial benützt.
Zum Beispiel hinsichtlich der Zurückweisung der Teilung durch palästinensische
Araber schreibt Flapan:
Das war nicht die ganze Geschichte. Während der Mufti wirklich fanatisch war in
seiner Opposition gegen die Teilung, antwortete die Mehrheit der
palästinensischen Araber, auch wenn sie ebenfalls opponierten, nicht auf seinen
Aufruf zum heiligen Krieg gegen Israel. Im Gegenteil, vor der
Unabhängigkeits-Erklärung Israels am 14. Mai 1948 unternahmen viele
palästinensische Führer Anstrengungen, um einen
modus vivendi
zu erreichen. Es war nur Ben Gurions tiefe Opposition gegen die Schaffung
eines palästinensischen Staates, die den palästinensischen Widerstand gegen den
Aufruf des Mufti untergrub.
In jedem der Kriege, die die arabischen Staaten und Israel kämpften, gab es
eine verwickelte Kette von Ereignissen, die entweder zu dem israelischen
Angriff oder dem arabischen Angriff führten. Wenn man den Eindruck erweckt,
dass es die Araber waren, die die Angriffe durchführten, ist das bloß
parteiische Mythen-Mache.
Der Mythos der israelischen militärischen Unterlegenheit: Der israelische David
tritt gegen den arabischen Goliath an
Harris behauptet ohne Zuordnung: „Der Krieg offenbarte ebenso die Schwäche der
Araber (trotz ihrer militärischen Überlegenheit zu jenem Zeitpunkt)”. Im
Gegensatz dazu erfahren wir von Rashid Khalidi, dass „wie die israelischen
neuen Historiker gezeigt haben, sind viele Elemente der palästinensischen
standardmäßigen Darstellung tatsächlich durch Archivforschung zur Kenntnis
gebracht worden. Diese schließen ein… die absolute Übermacht der Zionisten und
später der israelischen Streitkräfte gegenüber jenen ihrer Gegner im Feld
während der meisten Stufen des Konflikts von 1947-49.“
[1]
Gleichermaßen schreibt Ilan Pappe, sich auf den Krieg von 1948 beziehend: „Dass
die Araber es überhaupt geschafft haben, einen Soldaten ins Feld zu schicken,
ist bemerkenswert.“ „Der Mangel an Munition, lange Nachschubwege und das Fehlen
von militärischer Übung ließ die arabische Seite unfähig erscheinen, den
israelischen Streitkräften zu widerstehen, die trotz einer ähnlichen Anzahl von
Soldaten erfahrener und besser ausgerüstet waren.’’
[2]
Der Mythos der Extremisten
Harris behauptet, dass es die zionistischen Extremisten waren, die die Probleme
in der Periode vor der Staatsgründung auf der israelischen Seite verursachten:
Ich streite nicht die Existenz von zionistischen Plänen ab, einen israelischen
Staat zu gründen und den Plan, die Araber zu vertreiben. Das ist eine
Angelegenheit der Geschichte und es wird allgemein in Israel akzeptiert, dass
ein solcher Plan existierte (das Argument geht darum, wie ernsthaft und gewiss
der Plan war). Nicht alle jüdischen Einwanderer waren jedoch zionistische
Hardliner, tatsächlich gibt es viele jüdische Kritiker des Zionismus.’’
Indem er den Plan, die Araber zu vertreiben, anerkennt, erkennt Harris die
Ergebnisse der Arbeit der israelischen neuen Historiker an und, wie er richtig
feststellt, gab es jüdische Kritiker des Zionismus, die entscheidende Frage ist
jedoch: wer
waren
die zionistischen Hardliner? Die Meisten würden zustimmen, dass die
zionistischen Revisionisten in ihrer absoluten Zurückweisung der
palästinensischen Araber die Hardliner waren, Flapan informiert uns jedoch,
dass „Ben Gurion [der Führer der zionistischen Sache und der erste
Premierminister des neuen Staates] die Aktionen der Revisionisten heftig
angriff und sich ihrer Teilnahme an der Regierung und den nationalen Behörden
widersetzte. Doch zur gleichen Zeit, als die Araber betroffen waren, trat er
[Ben Gurion] für die Grundprinzipien des Revisionismus ein: die Ausdehnung der
Grenzen, die Eroberung von arabischen Gebieten und die Evakuierung der
arabischen Bevölkerung.’’
[3]
Der Mythos der palästinensischen Flucht
Überraschenderweise wiederholt Harris immer noch die alte Zeitungsente über die
Gründe der palästinensischen Flucht während des Krieges von 1948. Er schreibt,
dass „es auch wahr ist zu sagen, dass die arabischen Hardliner mit der Furcht
vor dem Zionismus spielten, um den nicht-verbündeten Arabern (und Christen)
grundsätzlich eine Heidenangst einzujagen. Arabischen Dörflern wurde gesagt,
dass die Juden ihre Frauen vergewaltigen und ihre Kinder töten würden. Während
des Krieges von 1948 flohen Zehntausende von Arabern aus ihren Dörfern aus
‚Furcht’ vor einem solchen Angriff, nicht weil sie ‚wirklich’ angegriffen
wurden. Dies bildete die Masse der Flüchtlinge.’’ Dennoch erkannte Harris schon
den zionistischen Plan an, „die Araber zu vertreiben’’. Es gibt jetzt eine
weite Dokumentation seiner Umsetzung, einschließlich der buchfüllenden Studie
von Benny Morris.
Auf den Eröffnungsseiten von „Die Geburt des palästinensischen
Flüchtlingsproblems” bietet Benny Morris die Umrisse einer Gesamtantwort [auf
die Frage nach dem Grad der palästinensischen Vertreibung durch die Juden] an:
und benützt dabei eine Karte, die die 369 arabischen Städte und Dörfer in
Israel (innerhalb der Grenzen von 1949) zeigt, und er führt die Gründe für die
Ausreise der örtlichen Bevölkerung gebietsweise auf… In 45 Fällen gibt er zu,
es nicht zu wissen. Die Einwohner der anderen 228 Ortschaften gingen unter den
Angriffen von jüdischen Truppen, und in 41 Fällen wurden sie mit militärischer
Gewalt vertrieben. In 90 weiteren Ortschaften befanden sich die Palästinenser
in einem Zustand der Panik in Folge der Eroberung einer benachbarten Ortschaft
oder aus Furcht vor einem feindlichen Angriff, oder wegen der Gerüchte, die von
der israelischen Armee verbreitet wurden – besonders nach dem Massaker an 250
Einwohnern von Deir Yassin am 9. April 1948, wobei die Nachrichten der
Ermordungen das Land wie ein Lauffeuer erfasste. Im Gegensatz dazu fand er nur
sechs Fälle von Abwanderung auf Drängen der örtlichen arabischen Autoritäten.
[4]
Der Mythos der arabischen Immigration nach Palästina
Harris macht eine flüchtige Anspielung zu einem belasteten Thema in der
arabisch-israelischen Debatte, doch ich meine, sie bringt einen Gegenbeweis
hervor. Er schreibt: „Die genaue Natur des Ansteigens der arabischen
Bevölkerung [vor 1948] ist umstritten. Die Araber sagen, dass es dem raschen
Anstieg der Geburtenrate schulde und einige Israelis sagen, dass es der
bedeutenden arabischen Einwanderung schulde.’’ Natürlich gibt es kein Zitat,
doch die Idee, dass die Masse der nach Palästina eingewanderten arabischen
Bevölkerung zur gleichen Zeit wie die Juden einwanderte, wurde in einem Buch
dargelegt, das eine Menge an Pressemitteilungen und schwärmenden Betrachtungen
von den amerikanischen Hauptmedien erhielt. Das war Joan Peters Buch
From Time Immemorial
[Seit Urzeiten] von 1984. Die Behauptung war, dass die palästinensischen Araber
nicht die einheimische Bevölkerung Palästinas seien, weil sie wie die Juden
dorthin in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eingewandert waren.
Jenes Buch war schon lange vorher als falsch entlarvt worden als ein Beispiel
für irreführende, sogar betrügerische Wissenschaft.
[5]
Abschließend
Harris behauptet wieder eine veraltete, triumphalistische Sicht der Geschichte,
in der die Araber die einzigen Aggressoren sind, um seine Behauptung zu
stützen, dass der Islam eine von Natur aus aggressive Religion sei. Dennoch
musste jetzt jene alte, triumphalistische Ansicht sich der Forschung von
Israels eigenen „neuen Historikern’’ anpassen. Harris muss es vermeiden, seine
fortschrittlichen Helden zu haben – die modernen weltlichen Demokraten – die zu
übel handeln oder das ruiniert seinen Glauben an das integrale Vorgehen.
Eine ansteigende Flut hebt einige Boote, versenkt andere
Harris
hat
einen wichtigen Wechsel vollzogen. Anstatt wie in seinem Originalstück zu sagen
„in seiner Essenz ist [der arabisch-israelische Konflikt], so glaube ich, ein
Konflikt zwischen zwei widerstreitenden Darstellungen von Identität’’ und es
geht nicht um Land, wie ich behauptete, räumt er jetzt ein, dass der Konflikt
„um Land geht, aber um Land UND Identität.’’ Das ist eine signifikante Wendung.
Doch in einer schmerzhaften Verdrehung umgeht er das Thema des enormen
Landverlustes der palästinensischen Bevölkerung – „geschätzte 75% der
Besitztümer der palästinensischen Araber vor 1948’’
[6]
- Und stattdessen möchte er jetzt argumentieren, dass es in Ordnung sei, die
ökonomischen Bedingungen (wie etwa Land) in Betracht zu ziehen, doch wenn wir
das tun, dann werden wir entdecken, dass „die jüdische Einwanderung half, einen
ökonomischen Aufschwung in Palästina zu schaffen und das verbesserte die
Bedingungen der Araber im allgemeinen.’’ Deshalb profitierten die Araber
tatsächlich von der zunehmenden jüdischen Präsenz vor der Unabhängigkeit. Weil
die Araber wirtschaftlich profitierten, kann das nicht ein Faktor in der
arabischen Feindseligkeit gegenüber Israel und den Juden sein, außer wenn sie
neidisch wegen des israelischen Erfolgs waren. Doch ist das der Fall? Wir
wissen nicht, was diese Behauptungen erhärtet, weil er niemanden zitiert. Meine
Untersuchung stellt eine viel kompliziertere und gemischtere Sicht von
Palästina während der britischen Mandatsperiode von 1922 – 1948 dar, als
Harris’ Bericht des zunehmenden arabischen Wohlstands gemäß Israels
wirtschaftlichem Erfolg. Simha Flapan hatte sich auf Sichtweisen wie die von
Harris bezogen, als er beschrieb: „Zwei gleichermaßen verdrehte Versionen von
sozio-ökonomischer Entwicklung in dieser Periode…In der zionistischen Version
brachte die jüdische Einwanderung nach Palästina Zuschüsse für die Entwicklung
für alle Einwohner des Landes.’’
[7]
Gab es eine Situation von „zunehmendem Wohlstand in den 20ern und 30ern’’ für
die palästinensischen Araber, wie Harris es ohne Zitate behauptet? Rashid
Khalidi, ein führender palästinensischer Historiker vermerkt „ein jährliches
Anwachsen im Realeinkommen pro Kopf über diese 25 Jahre…von 3,6% für die Araber
und 4,8% für die Juden.’’
[8]
Während Simha Flapan feststellt: „Die arabische Bevölkerung profitierte bei
besseren sanitären Verhältnissen, Gesundheit, Erziehung, Transport und anderen
öffentlichen Diensten.’’
[9]
Während keine Quelle Verbesserungen zuordnete, die wirklich durch die
jüdische Präsenz geschahen, sind diese Indikatoren für „zunehmenden
Wohlstand.’’
Daher hat Harris teilweise Recht, es gab eine allgemeine ökonomische
Entwicklung in beiden zunehmend getrennten jüdischen und
palästinensisch-arabischen Ökonomien. Jedoch schuf die kapitalistische
Entwicklung Probleme für die hauptsächlich ländliche palästinensische
Bevölkerung. Von 1929-1936 beschreibt Ilan Pappe „eine katastrophale Mischung
von landwirtschaftlicher Kommerzialisierung, von zionistischem Drang nach
Landerwerb und der Gier der arabischen Prominenz, die das ländliche Palästina,
wo 60 Prozent der Bevölkerung lebte in Trümmern zurückließ.’’
[10]
Und Flapan schließt daraus: „Die sozio-ökonomische Transformation Palästinas
war schneller als die der anderen Länder des Nahen Ostens, doch sie brachte
Probleme mit sich, die nicht grundsätzlich unterschiedlich waren von denen der
anderen Entwicklungsländer – Landlosigkeit unter den Bauern und
Unterbeschäftigung unter den schnell anwachsenden städtischen Massen.’’
[11]
Was herauskam war „der Wettbewerb zwischen zwei getrennten nationalen
Ökonomien, beide wuchsen rasch, begleitet von einer Modernisierungskrise im
arabischen Sektor.’’
[12]
Fügt man zu dieser sozio-ökonomischen Entwurzelung die fortlaufende
Hintertreibung des Wunsches der Palästinenser nach Selbstbestimmung und die
zunehmende jüdische Einwanderung und die Enteignung palästinensischen Landes
hinzu, dann können wir nicht sagen, dass „die Zustände der Araber sich im
allgemeinen verbesserten.’’
Die israelischen Araber und die Grenzen der Toleranz
Was ist mit den palästinensischen Arabern, die in Israel nach der Einrichtung
des israelischen Staates 1948 verblieben und ihren Nachkommen, die Bürger
Israels sind? Sicherlich haben sie von der fortgeschrittenen,
industrialisierten israelischen Ökonomie profitiert. Drei buchfüllende Studien,
die die ökonomische Situation der israelischen Araber untersuchen, zeigen das
gleiche breite Bild.
[13]
Die allererste Seite in Lewin-Epstein und Semyonovs
Die arabische Minderheit in Israels Ökonomie
stellt fest: „Israel ist jedoch eine ethnisch geteilte Gesellschaft, in der
die arabische Bevölkerung eine untergeordnete Minderheit ist. Zurückgeblieben
bei Bildungserrungenschaften, Lebensstandard und öffentlichen Diensten’’
[14]
Diese Situation begann, sobald die arabische Minderheit 1948 ein Teil des
neuen Staates Israel wurde. „Die arabische Bevölkerung war sowohl geografisch
als auch sozial von der Mehrheit der jüdischen Bevölkerung abgespalten. Die der
Staatsgründung Israels folgende arabische Wirtschaft wurde deutlich geformt
durch die extreme räumliche Abtrennung der arabischen Bevölkerung und ihre
untergeordnete Position in der israelischen Gesellschaft.’’
[15]
Die Ursache dieser Ungleichheit und Unterordnung besteht aus einer Reihe von
Regierungsbeschlüssen, die entwickelt wurden, um das ökonomische Vorankommen
der israelischen Araber zu behindern. „Die Gesetze und die Politik, die die
arabische Wirtschaft am meisten geschwächt haben, sind diejenigen, die das
Eigentum und die Kontrolle von Land beeinflussten. Etwa 34 verschiedene
Gesetze haben die Enteignung von privatem arabischen Land in Israel
legalisiert, das sowohl den Einwohnern als auch den Flüchtlingen gehörte, und
dieser Prozess hält bis heute noch an [1988]…Diese Beschlagnahmen haben
geschätzte 75 Prozent der Besitztümer palästinensischer Araber vor 1948
enteignet…Das gesamte beschlagnahmte Land wurde an jüdische Bauern und
Ortschaften verteilt.’’
[16]
Aziz Haidar fasst die Situation zusammen:
Die arabische Bevölkerung stellt eine ethnisch-nationale Minderheit dar,
machtlos und diskriminiert durch das politische Regime, das von der jüdischen
Mehrheit kontrolliert wird. Die Politik der Diskriminierung stammt in erster
Linie von der Natur Israels als eine kolonisierende Gesellschaft und von seiner
Definition als ein jüdisch-zionistischer Staat, dessen Zweck es ist, die
ausschließlichen Rechte der jüdischen Mehrheit zu sichern und als ein Staat für
die jüdischen Menschen zu dienen. Gemäß den Bedingungen dieser Definition kann
die arabische Minderheit kein gleichwertiger Partner in der israelischen
Gesellschaft sein, denn die durch den Staat kontrollierten Ressourcen sind
nutzbar gemacht worden für die Entwicklung und das Wohl der Mehrheit, das führt
zu immer mehr sich ausweitenden Lücken zwischen den beiden Bevölkerungen.
[17]
Islamische Toleranz und Intoleranz
In seiner Erwiderung an mich unternimmt Harris eine tüchtige Anstrengung, um zu
zeigen, dass vormoderne, islamische Regime nicht tolerant gegenüber
Minderheiten waren, dabei widerspricht er dem von mir vermuteten Anspruch, dass
vormoderne islamische Staaten und Reiche in seinen Worten „Leuchtfeuer der
Toleranz’’ waren und in günstiger Weise mit modernen weltlichen Demokratien wie
Israel und den USA vergleichbar wären. Er betont, dass die vormoderne
nahöstliche und muslimische Herrschaft über religiöse Minderheiten generell
intolerant war, während er ebenso anerkannte, dass „zu verschiedenen Zeiten
waren manche [tolerant und]…Zu verschiedenen Zeiten kamen einige Juden voran.’’
Der Druck von Harris’ Bemühungen lässt durchblicken, dass er meint, wir
debattierten darüber, ob der Islam, wenn er vor dem 20. Jahrhundert an der
Macht war, mehr oder weniger tolerant gegenüber ethnischen und religiösen
Minderheiten war als moderne weltliche Demokratien. Doch das ist nicht der
strittige Punkt. Ich habe klar festgestellt: „Ich zitiere diese Geschichte
[relativer muslimischer Toleranz], nicht um eine Rückkehr zu theokratischer
Herrschaft zu befürworten – demokratische weltliche Gesellschaften sind
sicherlich überlegener beim Beschützen von Minderheitsrechten – sondern um zu
demonstrieren, dass es eine mannigfaltigere muslimische Geschichte gibt, als es
Harris zulässt und dass ökonomische und territoriale Bedingungen eine große
Rolle spielen bei der Bewertung des Verhaltens jener, die Harris als zu
Repression durch religiöses Dogma und Eiferertum neigend darstellt.’’
Ich zitierte jene Gelehrten, die die vormoderne muslimische Toleranz gegenüber
religiösen Minderheiten dokumentierten, weil ich meinte, dass es Harris’
Standpunkt war, dass Mitglieder monotheistischer Religionen nicht in der
gleichen Gesellschaft leben könnten wegen der Unterschiede in ihren religiösen
Darstellungen, die um die Dämonisierung von anderen Monotheisten herum
konstruiert sind. Und weiterhin, dass der arabisch-israelische Konflikt im
Zentrum um religiöse Intoleranz geht.
Ich präsentierte wissenschaftliche Beweise für mehr Toleranz in der islamischen
Vergangenheit als in heutigen repressiven, islamischen Staaten, um erstens zu
zeigen, dass es ein Spektrum an Freiheit gibt, das der Islam zulassen kann
(dennoch niemals so viel wie der moderne weltliche Staat); zweitens, dass
Harris’ Vermutung, dass der Islam von Natur aus repressiv sei nach dem Modell
der gegenwärtigen islamischen Staaten, falsch ist; und drittens, dass es eine
Vielfalt an Toleranzebenen sogar in monotheistischen Staaten gibt und dass
widerstreitende Darstellungen nicht die zentrale Erklärung sein können, weil
sie gegensätzliche Darstellungen seit ihren Anfängen hatten. Wir müssen auf
andere bestimmende Faktoren des Konflikts schauen.
Die größere Intoleranz von islamisch-arabischen Regimen im Vergleich mit ihren
toleranten historischen Vorfahren ruft nach mehr Erklärung, wenn - wie Harris
in seinem ersten Stück sagte - die religiöse Darstellung und Identität die
zentrale zu untersuchende Determinante sei. Doch wenn es Harris’ Standpunkt
bloß ist, dass monotheistische religiöse Staaten intoleranter sind und weniger
Freiheiten anbieten als moderne weltliche Demokratien, dann stimmen wir dem
bei. Wir dürfen jedoch widersprechen, dass die größere Toleranz des
Säkularismus gegenüber Minderheiten innerhalb seiner Grenzen überhaupt den
Menschen eine Hilfe ist, die seiner Aggression außerhalb seiner Grenzen
ausgesetzt sind. Israels heimische Toleranz ist der Intoleranz gegenwärtiger
islamischer Regime überlegen, doch Israels scheußlicher Menschenrechts-Bericht
gegenüber den Palästinensern unter seiner Kontrolle außerhalb seiner Grenzen
vor 1967 ist genauso schlimm wie der der am meisten repressiven
islamisch-arabischen Regime. Oder man untersuche das Übelkeit verursachende
Verhalten der USA gegenüber Mittel – und Lateinamerika in den 1980ern.
Daher ist es sehr leicht, Harris’ Fragen an mich zu beantworten: „Wie erklärt
Meyerhoff die Position der Araber in Israel heute? Er sagt, sie seien Bürger
zweiter Klasse. Sind sie das?’’ Ich habe keine Mühe, die Position der Araber in
Israel heute zu erklären. Ihre Existenz ist gemäß der Übermacht eines
weltlichen demokratischen Staates und, jawohl, sie sind Bürger zweiter Klasse,
wie die von mir zitierten wissenschaftlichen Studien demonstrieren.
Doch ich würde gern den Punkt noch etwas weiter verfolgen, weil Harris’
tendenziöse Lesart der islamischen Vergangenheit gegen die von mir gelesene
ausgewogenere Wissenschaft läuft.
In einem seiner seltenen Zitate gibt Harris vor, den Rangältesten der
islamischen Gelehrten Bernard Lewis zu zitieren. Es sieht so aus, als wäre das
meiste des Zitats tatsächlich von einem Moise Rahmani,
[18]
Aber es würde wahrscheinlich Lewis’ Ansichten von den schlechten Bedingungen
widerspiegeln, in denen die Juden während der Ära der muslimischen Herrschaft
lebten. Merkwürdigerweise steht das scharf im Widerspruch zu den Bemerkungen,
die von Benjamin Braude und Bernard Lewis in ihrer Sammlung mit dem Titel
Christen und Juden in dem osmanischen Reich
[19]
gemacht werden, das immer noch der hervorragende Richtwert in diesem
Studiengebiet ist. Der einführende Abschnitt für die gesamte zweibändige
Sammlung bemerkt:
“Für fast ein halbes Jahrtausend beherrschten die Osmanen ein Reich, das so
verschiedenartig war wie kein anderes in der Geschichte. Bemerkenswerterweise
funktionierte diese Vielvölker- und Vielreligions-Gesellschaft. Muslime,
Christen und Juden beteten und studierten Seite an Seite, indem sie ihre
unterschiedlichen Kulturen bereicherten. Die legalen Traditionen und Praktiken
jeder Gemeinschaft, besonders in Angelegenheiten des Familienstands – d.h. Tod,
Heirat und Erbschaft – wurden durch das Reich respektiert und
durchgeführt…Gelegenheiten für sozialen Aufstieg und Wohlstand standen in
unterschiedlichen Graden allen Untertanen des Reichs offen.’’
Die Autoren warnten jedoch vor zwei überhand nehmenden Mythen: „Einer
beschreibt die Muslime als blind ergeben, intolerant, unterdrückend; das
bekannteste Bild ist das von Gibbon: die legendäre Figur eines fanatischen
Kriegers, der aus der Wüste geritten kommt, mit dem Koran in einer Hand und dem
Schwert in der anderen, seinen Opfern eine Wahl zwischen den beiden anbietend.
Der andere Mythos ist der eines religionsübergreifenden, gemischtrassigen
Utopia, in dem Muslime, Christen und Juden in Gleichheit und Harmonie in einem
goldenen Zeitalter freier intellektueller Bestrebungen zusammenarbeiteten. "
[20]
Eine weitere Quelle, die ich in meiner Erwiderung auf Harris erwähnte, war
Bruce Masters „ein hervorragender Experte der osmanisch-arabischen Geschichte.’’
[21]
Sein
Christen und Juden in der osmanisch arabischen Welt
nimmt ähnlich Stellung wie das oben erwähnte von Braude und Lewis. Man bemerke
den Unterschied im Ton zwischen Harris und Masters, wenn man nicht Harris’
Süppchen kochen muss.
Indem er Braude und Lewis folgt, räumt Masters die extremen Ansichten von
islamischer Herrschaft ein: „Westliche Gelehrte und Beobachter von muslimischen
Gesellschaften haben alternativ dem Islam als einem normativen sozialen
Konstrukt religiöse Toleranz und Fanatismus zugeschrieben. Beide
Charakterisierungen sind möglich, da muslimische Staaten diese gegenteiligen
Tendenzen historisch zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten
manifestiert haben.."
[22]
Indem er meine Fokussierung auf materielle Motivationen bei Sozialkonflikten
bestätigt und im Gegensatz zu Harris’ Betonung einer religiösen Motivation für
den islamischen Imperialismus, schreibt Masters: „Trotz des westlichen
Stereotyps muslimischer Eroberer mit dem Schwert in einer Hand und dem Koran in
der anderen, erwarteten Muslime nicht, dass ihre neuen Untertanen den Islam
umarmten. Eher war ihrer ein auf politische Kontrolle und Kriegsbeute
ausgerichteter Krieg, nicht auf die Herzen und Gemüter der Ungläubigen, die ein
„Buch“ besaßen [d.h. andere Monotheisten; sie waren Polytheisten gegenüber
weniger tolerant]"'
[23]
Harris’ Verlangen, die negativen Aspekte des Islam zu betonen, ergibt ein
verdrehtes Bild des Ganzen und verschafft den Eindruck, dass der an der Macht
stehende Islam gemäß seiner Glaubensüberzeugungen, die das konstituieren,
weitgehend intolerant sei. Doch an die historischen Variationen beim Grad der
islamisch-arabischen Toleranz ist wichtigerweise zu erinnern wegen
gegenwärtiger islamischer Bewegungen, die versuchen, eine islamische Demokratie
zu schmieden. In der neuesten Ausgabe von Harper’s Magazine berichtet Ken
Silverstein über seine ein Jahr dauernde Reise durch den Nahen Osten und das
Potenzial für eine selbstgezogene islamische Demokratie, die er gefunden hat.
Silverstein berichtet über die Ansichten von „Alastair Crooke, früher vom MI6
[britischer Geheimdienst] und Chef des Konfliktforums”, das „eine kleine Gruppe
pensionierter westlicher Diplomaten und Geheimdienstler” ist.
Nach seiner [Crookes] Ansicht sehen amerikanische und britische Analysten einen
„Zusammenstoß der Zivilisationen” zwischen dem Westen und dem Islam, während
sie einen fundamentalen Kampf innerhalb des Islam selbst verpassen, zwischen
„Anhängern der Erweckungsbewegung“(Revivalisten), die eine Wahlpolitik als
einen Pfad zum Gewinnen eines Anteils an der Gesellschaft ansehen und den
„Revolutionären“ wie Al Qaeda, die jenen Pfad ablehnen. Der politische Dialog
mit den Revivalisten ist dringend erforderlich, weil das anti-westliche Gefühl,
das durch den Irakkrieg entzündet wurde, nach Crookes Meinung das Pendel auf
Osama bin Laden hin verschiebt. [Und Silverstein bemerkt] Die arabische
Presse macht gewöhnlich einen ähnlichen Unterschied: Sie benennt Crookes
Revivalisten als „nationale Islamisten“ und die Revolutionäre als
„internationale Jihadisten.“
[24]
Da ich aus einem Land komme mit einer starken Tradition der Trennung zwischen
Kirche und Staat, bin ich misstrauisch gegenüber dieser engen Verbindung von
Religion und Demokratie, doch es sollte daran erinnert werden, dass der Nahe
Osten viele Jahrzehnte lang Erfahrung hat mit parlamentarischer Demokratie
europäischen Stils.
Harris missversteht ebenfalls unseren Streitpunkt in seiner Erwiderung auf
meine Bemerkung, dass israelische Araber in Israel Bürger zweiter Klasse seien.
Er scheint diese Beschreibung nicht zu mögen, doch seine Erwiderung muss sagen:
„Welches Land ist frei von Rassismus und Diskriminierung? Wie ergeht es Latinos
und Afro-Amerikanern in den USA? Gibt es keine rassische, religiöse oder
ethnische Diskriminierung in der arabischen Gesellschaft? Hält Meyerhoff an
Juden einen höheren Maßstab an?“ Dies ist eine reflexartige Verteigungshaltung
von einem, der es nötig hat, seinen auserwählten Helden – Israel – als Sieger
zu erklären. Ich bezog mich auf den Status der Zweitklassigkeit der
israelischen Araber nicht, um zu sagen, dass dies zeigt, dass die israelische
Gesellschaft oder die Juden schlechter seien als die islamischen arabischen
Staaten – es ist offensichtlich eine tolerantere Gesellschaft und sollte dafür
auch gelobt werden – doch um bloß anzuerkennen, dass moderne weltliche
Demokratien im allgemeinen besser seien beim Respektieren von Minderheiten als
theokratische Staaten, da besteht ein Ausmaß an Diskriminierung. Die
Forschungsergebnisse, die ich oben präsentierte und die die ökonomische und
legale Situation israelischer Araber betreffen, demonstrieren das.
Darüber hinaus sollte daran erinnert werden, dass „Israel erklärtermaßen als
ein Staat einer Gemeinschaft gegründet wurde, die auf ethnischen und
religiösen Grundlagen basiert. Der Staat Israel wird definiert als ‚der Staat
des jüdischen Volkes’: ‚und findet seine logische Grundlage in der Ideologie
des Zionismus. Die Unabhängigkeitserklärung definiert den Staat als einen
‚jüdischen Staat im Land Israel: ‚und die Gesetze, die eingeführt wurden seit
seiner Gründung, haben den Charakter als ein jüdischer Staat verstärkt.’’
[25]
Gesetzlich ist Israel in erster Linie das Land der Juden und in zweiter Linie
das Land aller israelischen Bürger. Deshalb können die israelischen Juden
palästinensisches Land in Israel enteignen und lassen das als gesetzlich
erscheinen. Daher ist Israel auch nicht eine völlig weltliche Gesellschaft.
Immigration
Harris meint irrtümlich, dass es eine Art Doppelmoral oder Widerspruch zwischen
dem allgemeinen Unterstützen der linken Progressiven für die Immigranten gibt
und ihrer Kritik der jüdischen Einwanderung nach Palästina vor 1948, doch da
gibt es keinen Widerspruch. Immigration ist in Ordnung, solange sie nicht die
einheimische Bevölkerung vertreibt. Ich bin ein linker Progressiver und ich
komme gut klar mit Vietnamesen oder Irakern oder Haitianern, die in die USA
kommen - Einwanderer immigrieren in der Regel in das Land, das sie missbraucht
– doch ich akzeptiere nicht jene Puritaner, die in die USA kamen oder jene, die
Australien besiedelten und in diesem Prozess die eingeborene Bevölkerung
töteten und vertrieben. Und wie die amerikanischen Indianer waren die Araber
von Palästina bereit, mit den Fremden zu leben, solange sie nicht durch deren
Anwesenheit benachteiligt wurden. Die Frage ist nicht, ob eine gewisse
Abstraktion „Immigration’’ als gut oder nicht gut benennt, es geht darum, was
die Immigranten und die eingeborene Bevölkerung tun. In Harris’ Bericht wollten
die gutwilligen Juden nur friedllich in Palästina leben, bis die
voreingenommenen Araber sie angriffen, weil sie Juden waren. Seine verkürzte
Version ging wie folgt: „Viele von ihnen[den Juden] lebten friedlich und
kooperativ mit ihren arabischen Nachbarn zusammen. Was geschah? Nun, was
geschah, das war die arabische Rebellion der 20er und 30er und der Krieg von
1948, in dem benachbarte arabische Staaten Israel angriffen am Vorabend seiner
Ausrufung.’’
Du meine Güte! Was fällt jenen gemeinen Arabern ein, dass sie solche Sachen
machen?! Eine Aussage wie diese enthüllt Harris’ anti-arabisches Vorurteil. Die
Zitate, die ich weiter oben und unten dargeboten habe, beweisen die Lüge dieser
lächerlichen historischen Karikatur.
Über die Debatte
Ein anderes Thema, das von einigen von Harris’ Kommentaren angeschnitten wird,
hat mit der Natur der Debatte zu tun. Er macht eine eigenartige Aussage zu
Beginn seiner Schlussfolgerung. Er schreibt: „Alles, was Meyerhoff getan hat,
ist das Sammeln einiger alternativer Ansichten. Na und? Jeder der dieses Thema
studiert hat, weiß, dass diese Stimmen existieren und weiß ebenfalls von der
Kontroverse um Finkelstein und Chomsky.’’
Es ist nicht deutlich, was die Alternative „das Sammeln einiger alternativen
Ansichten’’ bedeutet. Ist das nicht bloß eine herabsetzende Weise, die Debatte
selbst zu beschreiben? Sie bieten eine Ansicht dar und dann biete ich eine
Ansicht dar. Ist Harris’ Ansicht nicht-alternativ, irgendwie weiter, inklusiv,
integral? Sie scheint das nicht zu sein, wenn sie keinerlei Quellen angibt,
inklusive meiner „alternativen Ansichten’’ noch die von mir zitierten Quellen.
Daher sage ich als Antwort zu seiner Respektlosigkeit „Na und?’’ „Sie verachten
die Debatte, und darum geht es hier.’’
Und was die Finkelstein und Chomsky Kontroversen betrifft, lässt Harris sich
das so anhören, als hätte kontrovers zu sein irgendeine Verbindung dazu, ob das
wahr ist, was jemand sagt. Es ist die Frage nach Wahrheit, die wir beantworten
wollen, ob unsere Quelle kontrovers oder nicht-kontrovers ist, das ist ein
möglicher Indikator der Wahrheit, jedoch meistenteils zufällig. Sicherlich ist
Finkelstein eine kontroverse Gestalt, doch ich verstehe nicht, was das mit den
Zitaten zu tun hat, die ich benützte. Erstens benützt er die Arbeit zweier
anerkannter israelischer Historiker und zweitens beschreibt er die Aufzählung
von amerikanisch-israelischen Einzelstimmen, die die unzähligen UN-Resolutionen
ablehnten, die der Rest der Welt befürwortete. Wir müssen uns nicht um
Finkelsteins Ruf kümmern, wir müssen bloß entscheiden, ob das von ihm
Behauptete richtig ist.
[26]
Darüber hinaus ist das Maß an Kontroverse abhängig vom Kontext. Die
Hauptströmung der amerikanischen Meinung Israel betreffend ist so verzerrt,
dass Chomsky weniger kontrovers in Israel als in den USA ist. Und er ist sogar
weniger kontrovers in gewissen europäischen Ländern, deren überwiegende
öffentliche Meinung eine fundamentalere Kritik der amerikanischen Außenpolitik
tolerieren kann. Der Ausdruck „kontrovers“ ist eine Beschönigung für „die
Infragestellung unserer für gesichert angenommenen Behauptungen’’. Ob die
„kontroverse’’ Person den Holocaust ableugnet oder nahe legt, dass die USA
nicht immer mit edlen Absichten handeln, man muss ihr mit validen Fakten und
Argumenten begegnen.
Dem Argument zuliebe lassen Sie uns jedoch Finkelstein zur Seite nehmen und
jemandem zuhören, der weniger „kontrovers’’ ist, dem früheren israelischen
Außenminister Shlomo Ben-Ami, einem Politiker, Historiker und Autor des Buches
Scars of War, Wounds of Peace
[Die Narben des Krieges, die Wunden des Friedens]. Er debattierte mit
Finkelstein in der Radiosendung "Democracy Now" [Demokratie jetzt] veranstaltet
von Amy Goodman, und seine Ansichten sind überraschend: tatsächlich sollte er
als ein Antisemit in den USA gegeißelt werden.
[27]
Hier ist ein Auszug:
AMY GOODMAN: Sie haben einige sehr starke Zitate in Ihrem Buch, eigene und auch
Zitate anderer, wie Berl Katznelson, der der Hauptideologe der Arbeiterbewegung
ist, dabei wird anerkannt, dass als Folge der arabischen Aufstände von 1929 die
zionistische Unternehmung eine Unternehmung der Eroberung war. Sie sagen
ebenfalls: „Die Realität vor Ort war die einer arabischen Gemeinschaft in einem
Zustand des Schreckens, die einer rücksichtslosen israelischen Armee, deren
Pfad zum Sieg gepflastert war nicht nur mit ihren Heldentaten gegen die
regulären arabischen Armeen, sondern ebenso mit der Einschüchterung und
zeitweiligen Grausamkeiten und Massakern, die sie gegen die arabische
Zivilgesellschaft beging. Eine von Panik ergriffene arabische Gemeinschaft
wurde entwurzelt unter der Wirkung von Massakern, die in das arabische Monument
von Kummer und Hass eingemeißelt werden sollten.“ Erklären Sie das doch weiter.
SHLOMO BEN-AMI: Nun, sehen Sie, es gibt eine ganze Reihe von neuen Historikern,
die in die Quellen des – die Ursprünge des Staates Israel gegangen sind, unter
ihnen haben Sie Avi Shlaim erwähnt, doch da sind viele, viele andere, die die
Beweise für das aufgedeckt haben, was tatsächlich vor Ort vorgegangen ist. Und
ich muss direkt zu Beginn sagen, dass der Hauptunterschied zwischen dem, was
sie sagen und meiner Sicht der Dinge nicht die Fakten sind. Die Fakten, sie
haben absolut Recht beim Erwähnen der Fakten und beim Zurechtrücken der
Darstellung…
Und unsere Rolle, die Rolle dieser Generation – deshalb bin ich in die Politik
gegangen und deshalb versuche ich, meinen bescheidenen Beitrag zum
Friedensprozess zu leisten – ist, dass wir dieser Ungerechtigkeit ein Ende
machen müssen, die den Palästinensern zugefügt wurde. Wir müssen eine Linie
ziehen zwischen einem israelischen Staat und einem souveränen palästinensischen
Staat und das Problem auf die uns bestmögliche Weise lösen, indem wir den
Flüchtlingen die notwendige Wiedergutmachung geben, indem wir die Flüchtlinge
in den palästinensischen Staat zurückbringen, auf keinen Fall in den
israelischen Staat, nicht weil es unmoralisch ist, sondern weil es nicht
durchführbar, nicht möglich ist. Wir müssen auf eine realistische Weise handeln
und schauen, welche die Bedingungen für einen endgültigen Friedensvertrag sind.
Ich glaube, dass wir sehr, sehr nahe an diesen endgültigen Friedensvertrag
gekommen sind. Leider haben wir ihn nicht geschlossen. Doch wir kamen sehr nahe
heran im Jahr 2001.
AMY GOODMAN: Bevor wir zu diesem Friedensvertrag kommen, kommt etwas anderes,
was Sie gesagt haben. „Israel als eine Gesellschaft hat ebenfalls die
Erinnerung an seinen Krieg gegen die einheimischen Palästinenser unterdrückt,
weil sie nicht wirklich mit der Tatsache ins Reine kommen konnte, dass sie die
Araber vertrieben hat, Grausamkeiten gegen sie begangen hat, sie enteignet hat.
Das war wie ein Zugeben, dass der edle jüdische Traum von Eigenstaatlichkeit
für immer befleckt würde durch die größere Ungerechtigkeit, die gegen die
Palästinenser begangen wurde und dass der jüdische Staat in Sünde geboren
wurde.’’ Ich glaube, dass eine Menge Leute überrascht sein werden zu hören,
dass der Autor dieser Worte der frühere Außenminister von Israel ist.
SHLOMO BEN-AMI: Ja, doch gleichzeitig ein Historiker. Ich versuche, so fair wie
möglich zu sein, wenn ich die Vergangenheit betrachte, es ist aber ein sehr
interessanter Punkt, den Sie hier zur Sprache bringen, dass wir versuchten, die
Erinnerung an unseren Krieg gegen die Palästinenser auszuradieren und die
gesamte israelische Mythologie von 1948 basiert auf unserem Krieg gegen die
einmarschierenden arabischen Armeen, weniger als gegen die Palästinenser, die
die schwächere Seite in dieser Konfrontation waren, weil das nicht dem Mythos
der Schaffung des Staates und der Nation dient. Daher müssen wir das
korrigieren. Es gibt keinen Weg – es gibt keinen Weg, wie wir die Flüchtlinge
und die Palästinenser voll entschädigen können, doch wir müssen unser
Allerbestes tun, um einen Weg zu finden, das Leid zu vermindern, das dieser
Nation angetan wurde.
AMY GOODMAN: Und Shlomo Ben-Ami, Ihre Atwort auf diejenigen, die sagen, dass zu
jener Zeit, zur Zeit der Errichtung des Staates Israel und davor, dass es
wirklich leer war, dass die Juden in eine Gegend kamen, die nicht bevölkert war.
SHLOMO BEN-AMI: Das ist natürlich Unsinn. Ich meine, das war bevölkert.
Offensichtlich war es bevölkert. Ich meine, es war Israel Zangwill, der als
Erster sagte, wir seien – wir kommen als eine Nation ohne Land in ein Land ohne
Bevölkerung. Das war offensichtlich nicht wahr, doch noch einmal, ein Teil der
Tragödie war, dass die Palästinenser als solche – die palästinensischen Bauern
nicht die völlige Kontrolle über ihr eigenes Schicksal hatten. Ein Teil des
Landes war von zionistischen Organisationen von den Affendis abgekauft worden,
in der Türkei oder anderswo innerhalb des osmanischen Reichs lebenden
Grundbesitzern, und diese Menschen wurden unvermeidbar durch diese Arten von
Transaktionen zwangsweise vertrieben. Doch insgesamt, so meine ich, war nicht
mehr als 6 oder 7% der gesamten Oberfläche des Staates Israel gekauft. Der Rest
davon wurde entweder übernommen oder während des Krieges gewonnen.
Das ist erfrischendes Material, aber dennoch sonderbar, es reicht der
israelischen Gesellschaft (und jüdischen Kultur) zur Ehre, die so rundherum
kritisiert wird, dass eine solch fundamentale Kritik durch einen so
hochrangigen früheren Offiziellen geäußert werden kann. Dieses
mythen-enthüllende Einvernehmen erfordert starke, liberale Institutionen von
freier akademischer Forschung und Redefreiheit.
Externe und interne Schuld
Harris schreibt mir die Ansicht zu, dass es der Westen war, der die Ursache der
islamisch-arabischen Unterdrückung war, wo er es doch den Ursprüngen des Islam
oder jedes Monotheismus oder den Extremisten in jeder Religion gern zuordnen
möchte. Und ich habe wirklich die Rolle des Westens betont und habe drei
Gelehrte zitiert, die das bestärken. Oben zitierte ich das Werk von Bruce
Masters, der einer der vordersten Gelehrten für das osmanische Reich ist. Er
konzentriert sich auf verschiedene westliche Einflüsse, um den aufkommenden
Sektierer-Konflikt im Nahen Osten im 19. Jahrhundert zu erklären. Und
sicherlich spielte der Kolonialismus und das westliche Zeichnen und
Wiederzeichnen der Karte des Nahen Ostens mit geringer Beachtung der dortigen
unterschiedlichen Kulturen eine Rolle in den dortigen Problemen. Doch es ist
nicht einfach zu sagen, wie das relative Gewicht ist, das den internen und
externen Faktoren
im Allgemeinen
zuzuschreiben ist. Wir müssen uns über jede Situation im Klaren sein, über die
wir sprechen.
Eine logische Folge zu Harris’ grob vereinfachender Behauptung, dass die
einheimische palästinensische Bevölkerung von der wirtschaftlichen Macht der
jüdischen Einwanderer profitierte, ist seine Behauptung, dass „sie [die
Palästinenser] einen guten Teil der Schuld für ihre gegenwärtige Notlage
tragen. Wie konnten sie sich von einer Periode von zunehmendem Wohlstand in den
20ern und 30ern abwenden, um sich selbst Sanktionen und Embargos und nun einen
potenziellen Bürgerkrieg erleidend wieder finden?’’ Aber stimmt es, dass die
palästinensischen Araber „einen guten Teil der Schuld tragen’’ oder gab es dort
enorme Kräfte, die gegen ihre andauernden Versuche aufgestellt waren, von den
20ern an einen palästinensischen Staat zu schaffen?
Rashid Khalidis neuestes Buch versucht, das Misslingen der Palästinenser bei
der Errichtung eines Staates zu beschreiben, indem er sich auf palästinensische
Aktionen anstatt auf äußere Kräfte konzentriert. Doch sogar mit dieser Absicht
muss er zugeben, dass während der Periode vor 1948 die Palästinenser
„die schwächste aller Parteien waren, die in diesem langwierigen Kampf
verwickelt waren, das Schicksal von Palästina zu bestimmen, was 1948 zu einem
Höhepunkt kam…Diese Parteien schlossen das Britische Empire mit ein….das sich
aktiv palästinensischen angestrebten Zielen für Eigenstaatlichkeit und
Unabhängigkeit widersetzte, und andere größere Staaten, unter ihnen die
Vereinigten Staaten, die Sovietunion und Frankreich, von denen alle den
Zionismus und die Aufteilung Palästinas in einen arabischen und jüdischen Staat
unterstützten, die jedoch nichts unternahmen, um die Abtreibung des embryonalen
arabischen Staates Palästina 1947-1948 zu verhindern. Sie umfassten ebenso die
zionistische Bewegung, die zusammengesetzt war aus einem weltweiten Netzwerk
von Institutionen, die in der Lage waren, ausgedehnte diplomatische,
propagandistische und finanzielle Ressources zu mobilisieren…Sowohl Britannien
als auch die zionistische Bewegung behandelten die Aussicht auf einen
unabhängigen arabischen Staat in Palästina als eine ernste
Bedrohung…Schließlich gab es die sieben neuerlich unabhängigen arabischen
Staaten, alle von ihnen relativ schwach und stark von westlichen Mächten
beeinflusst; diese Staaten handelten auf Weisen, die häufig das Interesse der
Palästinenser ausschlossen und manchmal ihnen widersprachen.’’
[28]
Als Antwort auf Harris’ Frage: “Wie konnten sie[die Palästinenser] sich von
einer Periode zunehmenden Wohlstands in den 20ern und 30ern abwenden, um sich
selbst Sanktionen und Embargos und einen potenziellen Bürgerkrieg erleidend
heute wieder finden?’’ müssen wir die enorme Menge dessen untersuchen, was in
den dazwischen liegenden sechzig Jahren passierte, einschließlich der
Katastrophe von 1948 und der brutalen israelischen Besatzung von 1967 bis zur
Gegenwart. Doch ich meine, dass es gut und nützlich ist, die Fehler, die
Korruption und Unfähigkeit der palästinensischen Führerschaft zu untersuchen,
wie es Edward Said, Noam Chomsky und Rashid Khalidi getan haben, doch wir
müssen das ins rechte Licht rücken und anerkennen, wer die schwächste Partei in
dem Konflikt war.
Schließlich hat Harris Recht, wenn er den Ratschlag erteilt: „Meyerhoff sollte
die Aktionen der Mitaraber bei der Verursachung der gegenwärtigen Notlage der
Palästinenser erkennen.’’ Die arabischen Regime hatten zu verschiedenen Zeiten
entschieden gemischte Gefühle im Hinblick auf die palästinensische
Angelegenheit: sie wollten das Land für sich selbst haben, sie haben sie
betrogen, vernachlässigten sie oder versuchten, ihnen zu helfen. Darüber hinaus
verkauften landbesitzende palästinensisch-arabische „Prominente’’ Land an die
einwandernden Juden, dadurch bewerkstelligten sie die Enteignung von
palästinensischen Pachtbauern, die jahrelang das Land bearbeitet hatten. Wie
ich bereits vorgebracht habe, handeln Staaten und Eliten im Allgemeinen in
ihrem eigenen und dem Interesse der Machthaber und überdecken ihre
selbstsüchtigen Aktionen mit hochgestochener moralischer Rhetorik, das machen
die arabischen Regime, genauso wie es die Israelis und die USA machen.
Was sollte getan werden?
Harris deutete an, er sei für palästinensische Selbstbestimmung – außer wenn
eine demokratisch gewählte Hamas an der Macht ist (so viel zur demokratischen
Alternative) – und dafür, dass Israel in seine Grenzen vor 1967 zurückgeht. Das
klingt wie die internationale Position, der die USA und Israel sich seit mehr
als dreißig Jahren widersetzen. Könnte es sein, dass wir abgesehen von dem
Gerangel über das, was geschah oder nicht geschah und was jetzt geschieht oder
auch nicht, darüber übereinstimmen, was zu tun richtig ist? Das ist schwer zu
sagen, weil Harris nicht sagt, was er vorschlägt. Er ist zu sehr fixiert auf
ein selbstgefälliges, wilberianisches Beurteilen von Völkern und
Gesellschaften: „Er ist grün.’’ „Es ist eine rot-orange Gesellschaft.’’ „Gehöre
ich zum zweiten Rang?’’ Als ob das Verstehen einer Sache hieße, ein Etikett
darauf zu kleben.
Wenn wir auf das Protokoll der UN - Stimmen schauen, die den
arabisch-israelischen Konflikt betreffen, das ich in meinem Stück aufgelistet
habe, dann erhebt sich die Frage: Weshalb stehen die USA und Israel so oft
allein da gegen die gesamte Welt – einschließlich aller traditionellen
amerikanischen Verbündeten? Hat Harris irgend eine andere Erklärung dafür?
Sollten es die selbst ernannten und Demokratie liebenden Amerikaner und
Israelis nicht wünschen, dass die breite Mehrheit der Weltmeinung erfolgreich
ist? Und sollten sie Hamas nicht als die Sieger der demokratischen Wahl
tolerieren, die sie angeblich verlangten, besonders da die Palästinenser
versuchten, eine Einheitsregierung im Sommer 2006 zu schaffen inmitten Israels
Ermordung von 300 Palästinensern im Gazastreifen? Und warum unterstützen die
Demokratie liebenden Amerikaner, und haben sie seit vielen Jahren unterstützt,
die entschieden islamisch-arabischen Regime, die Harris zu Recht widerwärtig
findet? Vielleicht, trotz der Freiheiten, die ihre eigenen Bürger genießen,
scheren sich die Machthaber in den USA überhaupt nicht wirklich um Freiheit und
Demokratie. Sie scheren sich um politische Macht und ökonomische Kontrolle.
Oder ist es der Fall, dass wegen der amerikanischen Macht die USA und Israel
überhaupt nicht machen müssen, was sie nicht tun wollen und da die USA die
Kontrolle über den Nahen Osten haben wollen, werden sie tun, womit immer sie
davonkommen, um es zu erreichen und zu behalten, sogar wenn das bedeutet, dass
sie Israel in seiner destruktiven Politik unterstützen – destruktiv für seine
Nachbarn und letztendlich für sich selbst.
Schlussfolgerung: Gute Gesellschaft gegen schlechte Außenpolitik
Harris meint, wir diskutierten die Frage, welche Gesellschaft besser sei, die
moderne weltliche Demokratie oder die theokratische Demokratie oder die
Diktatur, was jedoch wirklich diskutiert wird, ist die Frage, was den
gegenwärtigen Konflikt verursacht. Ich behaupte, dass die Gesellschaften, die
sich besser aufführen beim Respektieren von Minderheitenrechten und beim
Schützen von individuellen Freiheiten – Israel und die USA im Vergleich zu den
islamisch-arabischen Staaten – auch die Hauptverletzer und Übertreter des
gegenwärtigen Konflikts sind. Und das hat nichts zu tun mit irgend einem
Konzept, welches Sozialsystem höher bewertet wird in irgend einer Rangfolge von
welthistorischem Entwicklungsfortschritt, sondern weil diese Staaten gerade
jetzt meinen, sie könnten erfolgreich sein und das bekommen, was ihre Eliten
wünschen – Land, Öl und Kontrolle – auf Kosten der Rechte von schwächeren
Gegnern.
[29]
Der Beweis dafür ist die zurückweisende Haltung, die die USA und Israel
einnehmen und während der vergangenen dreißig Jahre eingenommen haben, wie es
durch ihre UN-Stimmabgaben und ihre Missachtung des internationalen Rechts im
Hinblick auf die Siedlungen, die Behandlung ihrer Opfer in den besetzten
Gebieten und ihre rücksichtslosen und tödlichen Invasionen in die Länder des
Nahen Ostens bewiesen wird. Harris ist eigenartig still gegenüber Israels
beklagenswertem Menschenrechts-Protokoll in den besetzten Gebieten. Das passt
nicht mit seinem Bedürfnis zusammen, die weltlichen Demokratien, einschließlich
der zweideutig weltlichen jüdischen, für moralisch höherwertig zu halten.
Daher ist es nicht das Thema, dass Harris und ich übereinstimmen, dass die
moderne weltliche Demokratie das bessere System ist – wir und vielleicht die
meisten Integral World Leser, stimmen darin überein – die Frage ist, wie
bekommen wir die modernen weltlichen Demokratien in die Gesprächsrunde, Israel
und die USA, dass sie in ihrer Außenpolitik richtig handeln. Alle arabischen
Staaten auf dem arabischen Gipfeltreffen 2002 in Beirut haben ihre lang
bestehende Zusage zum internationalen Konsens über die Lösungsmöglichkeit des
israelisch-palästinensischen Konflikts neu versichert. Sie bezogen sich in
ihrer offiziellen Erklärung auf die „Initiative, die nach völligem israelischen
Rückzug aus allen seit Juni 1967 besetzten arabischen Gebieten verlangt, mit
der Durchführung der Resolutionen 242 und 338 des Sicherheitsrates, wieder
bestätigt durch die Konferenz in Madrid 1991 und das Prinzip Land für Frieden
und Israels Anerkennung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit
Ost-Jerusalem als seiner Hauptstadt, als Gegenleistung für die Einrichtung
normaler Beziehungen im Kontext eines umfassenden Friedens mit Israel’’
[30]
Die Frage ist, wie man ein besseres Ergebnis fördern soll. Ich behaupte, dass
wir eine weltliche, freiheitsliebende Inlandsgesellschaft unterstützen können,
während wir die unmoralischen und illegalen Aktionen jener Staaten ablehnen,
wenn sie falsch handeln. Wir können ebenso der Unterdrückung
islamisch-arabischer Staaten auf legitime Weise begegnen und dass die
gegenwärtige Bush-Regierung tatsächlich handelt, um die Unterdrückung und
Terrorisierung mit ihren Aktionen zu fördern und zu verewigen.
Ein Hindernis für Harris’ selbst ernannte integrale Ansicht (die angeblich
nicht nur „irgend eine alternative Sichtweise” ist wie meine) ist, dass die
weiten Äußerungen, die er über die israelisch-arabische Geschichte macht, die
Ansichten sind, denen die israelische „neue Historiker’’-Bewegung der späten
Achtziger und Neunziger durch genaues Lesen der dokumentarischen Beweislage
entgegnet hat. Zu allerletzt: man kann nicht mehr bloß jene grob
vereinfachenden Ansichten auf den Markt werfen, wenn man ernst genommen werden
möchte.
Harris und ich stimmen überein bei den Gefahren des extremen Fundamentalismus
jüdischer, christlicher und muslimischer Art. Was seltsam ist bei Harris’
Schreiben über den Islam und die Araber, ist sein Verlangen, eine umfangreiche
Beurteilung darüber zu geben: dass es da etwas bei dem Glauben und den Menschen
gibt, das sie irgendwie schlecht macht oder zur Schlechtigkeit hin tendierend.
Und dennoch sagt er bei anderen Gelegenheiten, dass er nur über die islamischen
und arabischen Extremisten spricht. Aber ich frage mich, warum zu jeder
möglichen Zeit es mehr Extremisten oder mehr Gemäßigte irgendeiner Religion
gibt?
Die Frage zwischen uns ist: in welcher Proportion weisen wir Verantwortlichkeit
zu für den arabisch-israelischen Konflikt? Die Antwort dazu ist ein Durchsieben
des historischen Protokolls.
LITERATURHINWEISE
[1]
Khalidi,
Iron Cage
, p. xxxiv.
[2]
Pappe,
A History of Modern Palestine
, pp. 131 and 133.
[3]
Flapan,
Birth of Israel
, (New York: Pantheon, 1987), p.37.
[4]
Vidal, Dominique, "The Expulsion of the Palestinians Re-Examined"
Le Monde Diplomatique
, Dec. 1997, at
http://mondediplo.com/1997/12/palestine
[5]
Finkelstein, Norman, "A Land Without a People," Chapter 2 of
Image and Reality
of the Israel-Palestine Conflict
, 2
nd
edition, (London: Verso, 2003). Natürlich mag Finkelstein zu „kontrovers”
sein, daher erzählt er hier – S.45-50 – die Aufnahme von Peters’ Buch und die
vielen streng kritischen Betrachtungen, die es erhielt.
[6]
Khalidi, Raja,
The Arab Economy in Israel
, (New York: Croom Helm, 1988), p. 41.
[7]
Flapan, Simha,
Zionism and the Palestinians
, (New York: Harper & Row, 1979), p. 194. [Die] arabische Version [war, dass]
es eine koloniale Enteignung eines einheimischen Volkes durch eine weiße
Siedlerklasse gab, die auf Ausdehnung auf deren Kosten erpicht war.’’(S.194)
Flapan bemerkt, dass die jüdische Einwanderung nach Palästina nicht das
Ergebnis des europäischen Imperialismus war und dass die Juden das Land nicht
übernommen und die einheimische Bevölkerung nicht unterjocht haben, auf eine
den Kolonialisten typische Weise, wenigstens vor 1948, daher wäre es nicht
richtig als „koloniale Enteignung’’ benannt.
[8]
Khalidi, Rashid,
The Iron Cage
, (Boston: Beacon Press, 2006) p. 14.
[9]
Flapan,
Zionism
, p. 223.
[10]
Pappe, Ilan,
A History of Modern Palestine
, 2
nd
edition, (New York: Cambridge University Press, 2006), p. 98.
[11]
Flapan,
Zionism
, p. 198.
[12]
Flapan,
Zionism
, p. 195.
[13]
Khalidi,
The Arab Economy
; Lewin-Epstein, Noah and Semyonov, Moshe,
The Arab Minority in Israel's Economy
, (Boulder, CO: Westview, 1993); Haidar, Aziz,
On the Margins: The Arab Population in the Israeli Economy
, (New York: St. Martins Press, 1995).
[14]
Lewin-Epstein,
The Arab Minority
, p. xvi.
[15]
Lewin-Epstein,
The Arab Minority
, p. 45.
[16]
Khalidi,
The Arab Economy
, p. 41.
[17]
Haidar,
On the Margins
, p. 180.
[18]
Rahmani, Moise, "The Forgotten Exile," at
http://www.hsje.org/The%20Forgotten%20Exile.htm
[19]
Braude, Benjamin, and Lewis, Bernard,
Christians and Jews in the Ottoman Empire, Volume I: The Central Lands
, (New York: Holmes & Meier, 1982) p. 1.
[20]
Braude and Lewis,
Christians and Jews
, p. 2.
[21]
Stefan Winter, Assistenzprofessor für westasiatische Geschichte an der
Universität Erfurt, at
http://web.mit.edu/CIS/www/mitejmes/issues/200210/winter.htm
[22]
Masters, Bruce,
Christians and Jews in the Ottoman Arab World
, (Cambridge: Cambridge University Press, 2001), p. 18.
[23]
Masters,
Christians and Jews in the Ottoman Arab World
, p. 20.
[24]
Silverstein, Ken, "Parties of God: The Bush Doctrine and the Rise of Islamic
Democracy,"
Harper's Magazine
, March 2007, pp. 43-44.
[25]
Haidar,
On the Margins
, p. 3.
[26]
Finkelsteins erschöpfend dokumentierte Zergliederung von Alan Dershowitz kann
in seinem Buch
Beyond Chutzpah: On the Misuse of Anti-Semitism and the Abuse of History
[Über die Dreistigkeit hinaus: Über den Missbrauch des Antisemitismus und den
Missbrauch der Geschichte], (Berkeley, CA: University of California Press,
2005) gefunden werden.
[27]
"Norman Finkelstein & Former Israeli Foreign Minister Shlomo Ben-Ami Debate:
Complete Transcript" at
http://www.democracynow.org/finkelstein-benami.shtml
and at
http://www.normanfinkelstein.com/article.php?pg=11&ar=140
[28]
Khalidi, Rashid,
The Iron Cage
, p. xi.
[29]
Harris kritisiert meine Einfügung des amerikanischen Abwurfs von zwei
Atombomben auf die Zivilbevölkerung von Hiroshima und Nagasaki als
Terrorismus
, weil das Bombardement beabsichtigt war, um amerikanische und japanische Leben
zu retten durch das Vermeiden einer Bodeninvasion. Ob eine Bodeninvasion
notwendig war oder nicht und wieviele gestorben wären, ist umstritten (siehe
unten), aber wir wissen wirklich und das mit viel größerer Sicherheit, welche
die Wirkungen des Abwurfs einer Atombombe auf die Zivilbevölkerung sein würden
und dass es sogar in Kriegszeiten unmoralisch war, Zivilisten absichtlich zu
töten. Der terroristische Akt des Bombenabwurfs beabsichtigte, Zivilisten zu
töten und tat es auch. Natürlich kann in den hauptsächlichen amerikanischen
Medienlexika „Terrorismus’’ nur von unseren Feinden verübt werden:
unsere
Gräueltaten sind bedauerliche Akte, qualvoll begangen und durch die schwierigen
Umstände nötig geworden, die unsere Feinde uns aufgezwungen haben und
gerechtfertigt durch unsere höhere, edle Berufung.
Betreffend das Fehlen von militärischer Notwendigkeit des Abwurfs der
Atombomben:
Einer der namhaftesten Menschen mit dieser Meinung war der damalige General
Dwight D. Eisenhower
. Er schrieb in seinen Memoiren
The White House Years
[Die Jahre im Weißen Haus]:
“1945 informierte mich der Kriegsminister Simpson, als er mein Hauptquartier in
Deutschland besuchte, dass unsere Regierung sich vorbereitete, eine Atombombe
auf Japan zu werfen. Ich war einer derjenigen, die meinten, dass es eine Anzahl
zwingender Gründe gab, die Klugheit eines solchen Aktes zu hinterfragen.
Während seines Vortrags der relevanten Fakten war ich mir eines Gefühls von
Depression bewusst und daher sprach ich ihm gegenüber meine gravierenden
Befürchtungen aus, zuerst auf der Basis meines Glaubens, dass Japan bereits
besiegt und das Abwerfen einer Bombe völlig unnötig sei und zweitens weil ich
meinte, dass unser Land es vermeiden sollte, die Weltmeinung zu schockieren
durch den Gebrauch einer Waffe, deren Anwendung, wie ich dachte, nicht länger
zwingend erforderlich war als eine Maßnahme, um amerikanische Leben zu retten.’’
Weitere amerikanische Offiziere, die mit der Notwendigkeit des Bombardements
nicht übereinstimmten, waren auch General
Douglas MacArthur
(der höchstrangige Offizier auf dem pazifischen Kriegsschauplatz),
Flottenadmiral
William D. Leahy
(Generalstabschef beim Präsidenten), General
Carl Spaatz
(Kommandeur der U.S. Strategischen Luftstreitkräfte im Pazifik), und
Brigadegeneral Carter Clarke (der Offizier des militärischen Geheimdienstes,
der aufgefangene japanische Funksprüche für die amerikanischen Offiziellen
zubereitete)
and Admiral
Ernest King
, U.S.
Chief of Naval Operations
, Staatssekretär für die Marine
Ralph A. Bard
,
und Flottenadmiral
Chester W. Nimitz
, Oberbefehlshaber der Pazifikflotte.
„Die Japaner hatten tatsächlich schon um Frieden ersucht. Die Atombombe spielte
keine entscheidende Rolle, von einem reinen militärischen Standpunkt aus
gesehen, für die Niederlage Japans." Flottenadmiral Chester W. Nimitz,
Oberbefehlshaber der Pazifikflotte.
“Der Gebrauch [der Atombomben] auf Hiroshima und Nagasaki war von keiner
materiellen Unterstützung in unserem Krieg gegen Japan. Die Japaner waren
bereits besiegt und bereit, sich zu ergeben.’’Admiral William D. Leahy,
Stabschef bei Präsident Truman.
Von dem Wikipedia Artikel, "Atomic bombings of Hiroshima and Nagasaki," at
http://en.wikipedia.org/wiki/Atomic_bombings
[30]
A copy of the statement can be found at
http://www.al-bab.com/arab/docs/league/peace02.htm
© Jeff Meyerhoff 2007
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