INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Jeff Meyerhoff Jeff Meyerhoff ist ein unabhängiger Gelehrter, der Philosophie, Politik, Mystizismus und Psychologie studiert. Er benützt Aufmerksamkeit und Psychoanalyse zur Selbstentwicklung. Er verdient seinen Lebensunterhalt als Sozialarbeiter bei Geisteskranken, sucht jedoch nach neuen Möglichkeiten einer Karriere. Sein Weblog kann gefunden werden bei philosophyautobiography.blogspot.com . Email bei [email protected].


EINE ,,INTELLEKTUELLE TRAGÖDIE”

:

EINE ERWIDERUNG AUF KEN WILBERS
,,WAS WIR SIND, DAS SEHEN WIR”

Jeff Meyerhoff

,,Doch wenn die Nichtübereinstimmung andauert, gibt es keine Revision jenseits von uns, oder wenn jenseits von uns beiden, dann nicht jenseits eines eventuellen Wir. Es gibt etwas Derartiges wie eine intellektuelle Tragödie.'' - Stanley Cavell

Inmitten des beabsichtigten Affenspektakels um Ken Wilbers Blogeintrag herum mit dem Titel ,,What We Are, That We See,”[Was wir sind, das sehen wir], haben die meisten Kommentare die materiellen Erwiderungen auf die Kritiken ignoriert, die Wilber macht. Der Untertitel des Eintrags sagt zum Teil aus, dass es eine ,,Erwiderung auf einige kürzliche Kritiken'' ist und eine einleitende Bemerkung gibt uns den Rat, dass ,,der Inhalt'' und ,,die Ideen'' ,,ernst'' genommen werden sollten. Die Kritiker werden weitgehend nicht benannt, doch etliche der Gegenbeweise scheinen Teil von Wilbers versprochener Erwiderung auf meine ,,Sechs Kritiken von Wilbers Integraler Theorie'' zu sein, welche eine Zusammenfassung einiger zentraler Punkte meines BuchesBald Ambition[Unverhüllter Ehrgeiz] sind. Dies ist meine Erwiderung auf Wilber.

WER VERLEUGNET ENTWICKLUNG?

Wilber beginnt mit der Verteidigung von Entwicklungsstudien. Ungewöhnlich für ihn gibt er keinen Hinweis auf die wissenschaftliche Literatur, um die Entwicklungslehre zu verteidigen. In meinem Buch demonstriere ich eine ausführliche Debatte um kognitive, moralische und kulturübergreifende Entwicklung und das Konzept der Entwicklung selbst, im Gegensatz zu Wilbers Behauptung, dass es einen Konsens gibt im Feld der weiten Darstellungen von Entwicklung, das er benützt, um sein AQAL-Modell zu bestätigen. Daher zeigte ich Debatte an, wo Wilber Konsens behauptete. Das war das Thema. Merkwürdigerweise jedoch scheint Wilber in seinem Blogeintrag zu meinen, das Thema sei, ob Entwicklung existiert oder nicht, und er greift seine Kritiker an, dass sie Entwicklung verleugneten. Mein Argument war nicht, dass es keine Entwicklung gäbe, mein Argument sollte zeigen, dass es eine fundamentale Debatte um Entwicklung gibt und dann den mit Werten überladenden Charakter jedweder Bemerkung über Entwicklung zu zeigen.

Entwicklung ist ein schwer mit Werten beladenes Konzept. Es ist nicht bloß eine objektive, naturwissenschaftliche Lesart jenseits von Merkmalen und Mustern. Daher sind Behauptungen über eine entwicklungsgemäße Universalität verdächtig, weil die Wertehierarchien der Menschen unterschiedlich sind. Wir konstruieren Entwicklungspfade, die auf unseren Vermutungen über die Ziele basieren, auf denen wir glauben, dass die sich entwickelnden Menschen sich idealerweise entwickeln sollten. Wilber hat daran einen Glauben, der auf seiner Lebenserfahrung basiert. Andere haben andere Überzeugungen und werden alternative Entwicklungspfade konstruieren. Während noch andere – sowohl Laien als auch akademische Psychologen – das Konzept der Entwicklung überhaupt nicht benützen werden. Wilber kann es immer noch benützen – ich benütze es manchmal, es ist ein sehr nützliches Konzept – es ist nur, dass er bei seinem Gebrauch nicht beschreibt, wie wir alle uns objektiv entwickeln ungeachtet unserer Überzeugungen darüber, wie wir uns entwickeln sollten; er bietet – wie es alle Entwicklungspsychologen anbieten – eine Ansicht von einer idealen Lebensweise an. Der Entwicklungspsychologe Bernard Kaplanschreibt, dass,,Entwicklung hält sich nicht direkt versteckt in den untersuchten Bevölkerungen, sondern wohnt grundsätzlich in der benützten Perspektive”[1] und stimmt überein mit anderen Entwicklungspsychologen, die ich als Beispiel anführe für den mit Werten beladenen Charakter der Entwicklung und die kritische Rolle, die das ausgewählte Ziel der Entwicklung bei der Konstruktion der gesehenen Entwicklung spielt. Ich zitiere sogar eine von Wilbers Quellen, Howard Gardner et al., um zu zeigen, dass Entwicklungspfade in alle unterschiedlichen Richtungen führen können. Die Regression einer Person kann der Fortschritt einer anderen Person sein und umgekehrt. Es ist schwierig, eine integrierte Entwicklungstheorie mit Widersprüchen wie diesen zu entwickeln.

Ich habe bereits in meinem Buch Kapitel 2 über individuelles Bewusstsein auf das Eichel-zur-Eiche Beispiel erwidert, das Wilber in seinem Blogeintrag wiederholt, dennoch wiederholt er bloß den gleichen Standpunkt. Es scheint keine Aufmerksamkeit für die beigebrachten Argumente zu bestehen und daher auch kein Versuch, auf sie zu erwidern. Stattdessen verfehlt Wilber in seiner Diskussion der Entwicklungsstudien die Standpunkte, die ich darstelle und macht stattdessen das Thema zu einem plumpen Daumen-hoch-oder-Daumen-runter für die Entwicklung.

Wilber fährt fort, um eine erstaunliche Erwähnung zu bringen, er sagt, dass wenn die Kritiker wirklich die Entwicklung verleugnen, dann ,,sind wir vollständig berechtigt, sie zu ignorieren'', doch wenn sie die Entwicklung nicht verleugnen, dann ,,ist das alles, was ich brauche'', weil ,,Alles, was ich im Grunde von jenen Spezialisten brauche, ist die Idee der Höhe.” Wenn daher sein imaginärer Entwicklungsleugner irgendeine Art von Entwicklung anerkennt, dann gewinnt Wilber, weil jede Anerkennung von Entwicklung ihm Höhe gibt und das ist alles, was er braucht. Er erklärt hier Höhe nicht, doch es scheint die Rangfolge von Holons zu sein, je nachdem ob sie mehr oder weniger entwickelt sind. Wenn es Entwicklung irgendeiner Art gibt, dann kann Wilber sagen, dass es eine höhere oder niedrigere Höhenlage gibt und es scheint, als sei er im Grunde daran interessiert.

Doch weshalb ist es Höhe, woran er grundsätzlich interessiert ist? Er erklärt es nicht. Es scheint, er wünscht das Konzept von Höhe, so dass er argumentieren kann, dass jene auf seiner behaupteten höheren Entwicklung des zweiten Rangs nicht wahrhaft verstanden werden von jenen auf der niedrigeren Entwicklung des ersten Ranges. Dennoch muss anerkannt werden, dass Entwicklung nicht die Existenz eines zweiten Ranges demonstriert. Er gibt viele Anhänger Piagets, die nicht den überzeugenden Beweis für irgendwelche Stufen finden, die höher sind als die formal-operationale Stufe und verleugnen sie deshalb die Existenz einer postformalen (Wilbers Visionslogik/ annähernd zweiter Rang) Stufe? Geben sie Wilber die Höhe, die er braucht? Wenn der zweite Rang nicht existiert – und er ist höchst umstritten gemäß der von Wilber benützten Literatur – gibt ihm dann das Konzept von Höhe, was er sich wünscht?

Ist nicht der Inhalt der Entwicklung entscheidend? Was geschieht, wenn das Entwicklungsmodell von einer faschistischen Perspektive ist? Wir gehen durch etliche Stufen von Schwäche und Unreinheit zu Stärke und Reinheit und wenn alles gut geht, werden wir rein in unserem Deutschsein oder Weißsein oder Was-auch-immer und erkennen die Notwendigkeit, jene auszuschließen und möglicherweise zu vernichten, die in unserer Kultur unrein sind. Auf eine unterschiedliche Weise war der Kommunismus der Endpunkt eines Entwicklungsmodells, das sich über den Feudalismus zum Kapitalismus zum Sozialismus und schließlich zum Kommunismus bewegte. In der Praxis verlangte das nach einer marxistischen Naturwissenschaft, die die Geschichte erklärte und das ,,gelöste Rätsel der Geschichte'' war. Menschen, die falsche Ansichten befürworteten, brauchten Umerziehung. Befürworter der integralen Theorie und anderer bürgerlicher Ansichten sind rückständig, entwicklungsmäßig festgefahren, von niedriger Höhe und benötigten offensichtlich die vom Gulag geleistete Umerziehung. Diejenigen von großer Höhe in dem kommunistischen Entwicklungsschema pflegten, sie dorthin zu bringen. Entwicklungsmodelle können mit einer großen Vielfältigkeit kommen, von heilsam bis verachtenswert reichend; wieso ist bloß Höhe alles, was Wilber braucht?

Höhelegt höhere und niedrigere Entwicklung nahe, aber es könnte Entwicklungsmodelle geben, die sich entfaltende Muster beschreiben, die die letzteren Stufen nicht höher bewerten als die früheren Stufen. Sie erscheinen bloß zufällig zu einer späteren Zeit. Entwicklung bedeutet nicht notwendigerweise fortschrittlich. Ein verdrehendes Entwicklungsmuster, das Wilber gar nicht erwähnt, ist Geburt, Wachstum, Verfall und Tod. Dieses Muster ist wesentlich für jede Existenz und sollte in eine ,,Theorie von Allem'' einbezogen werden. Gibt das Wilber die von ihm benötigte Höhe?

Im allgemeinen bin ich immer von der großartigen Wertbestimmung in Wilbers Modell der Konzepte von mehr, größer und höher.betroffen. Mehr Komplexität, mehr auftauchende Phänomene, großartige Transzendenz und Inklusion, großartige Umarmung, mehr Perspektiven einbezogen, höhere Höhe. Das gesamte Modell hat eine immer nach vorn und oben gerichtete Qualität. Für eine Theorie von Allem gibt es so wenig, was über die andere Hälfte der Existenz gesagt wird: Verfall, Verschlimmerung, Verminderung, Tod, Auslöschung und Verlust. Das Gefühl, das man von Wilbers Schreiben bekommt, ist dass wir niemals etwas Wesentliches verlieren, dennoch ist der Betrag an Verlust im Lauf des Lebens auf Erden so schrecklich, dass das unverständlich ist. Ich meine, es ist Das tibetische Totenbuch, das sagt, dass es das gewaltigste Mysterium ist, wie alles um uns herum Tod und Sterben ist und dass dennoch niemand glaubt, dass es ihm/ihr geschehen wird. Das fehlende Stück in Wilbers Modell ist der Grund für die Betonung des Verlustes in meinem Kapitel über die psychologische Grundlage von Wilbers Überzeugungen.

Wilbers weitere Behauptung in Bezug auf die Entwicklung ist ähnlich merkwürdig. Er behauptet, dass die Entwicklungsstudien ,,eine Verbannung über zwei Jahrzehnte durch das gemeine grüne Mem'' erlitten haben. Das ist eine Behauptung, die der ähnlich ist, die er vor ein paar Jahren aufgestellt hat, dass ,,[eine Version des postmodernen grünen Mems mit seinem Pluralismus und Relativismus] ebenfalls Entwicklungsstudien unternommen hat, die sich nach einem Denken des zweiten Rangs [höhere Stufe] richtet, geradezu ein Fluch für sowohl die konventionellen als auch die alternativen Universitäten ist.'' [2] In meinem Kapitel 3 über Visionslogik vermerkte ich den krassen Widerspruch zwischen diesen Äußerungen hinsichtlich der Verbannung von Entwicklungsstudien von den Akademien und seiner gegensätzlichen Behauptung sowohl in SES und Integral Psychology, dass die von ihm benützten Entwicklungsmodelle der Konsens ihrer akademischen Felder waren. Wie konnten Entwicklungsstudien sowohl verbannt von und ,,Fluch'' für Akademien und dennoch das Konsenswissen in Akademien und die wissenschaftliche Bestätigung für kritische Teile von Wilbers AQAL - Modell sein?

TRANSZENDENTER RELATIVISMUS

Wilber sagt dann, wenn sein imaginierter entwicklungsleugnender Kritiker überhaupt ,,Wachstumspfade'' anerkennt und jene Wachstumspfade beschreibt, dass dann ,,jene Beschreibung selbst ein kontextübersteigender Satz ist, und ich werde freudig damit arbeiten.'' Er scheint sich vorzustellen, dass der Entwicklungsleugner zugibt, dass es nur einen Kontext gibt und daher wäre für sie das Zugeben, dass es sowohl einen Kontext als auch einen weiteren Kontext gibt, gleichbedeutend für sie mit dem Besitz einer Wertehierarchie, die irgendwie beweist, dass es Ebenen und Höhen gibt. Das ist eine verwirrende Äußerung angesichts Wilbers Äußerung, dass es ein Kennzeichen sowohl der Postmoderne als auch der integralen Theorie ist, dass wir alle konfrontiert sind mit ,,Kontexten innerhalb von Kontexten innerhalb von Kontexten'' und dass ,,die Kontexte das ganze Programm durchziehen.'' Daher stimmen Wilber und die Postmodernen überein, dass es eine Kontext-Transzendenz gibt, und das ist bloß, dass man in den nächstweiteren Kontext transzendiert.

Dennoch mag Wilber hier nicht den gemäßigten Postmodernen im Sinn haben, sondern den extremen Postmodernen, der ein Relativist ist. Aber sogar dieser Postmoderne kann anerkennen, dass es Kontexte innerhalb von Kontexten gibt, sie behaupten nur – als extreme Postmoderne -, dass Menschen unterschiedliche und unvereinbare Ansichten davon haben, welche von den Kontexten weiter oder grundsätzlicher sind. Kontextualismus ist ein Kennzeichen des Relativismus.

ALLE ALS PLURALISTISCHE RELATIVISTEN BEZEICHNEN!

Er stellt dann seine Kritiker in Frage, indem er sagt: ,,Ich kenne keinen einzigen bekannten Theoretiker, der den pluralistischen Relativismus abkauft, keinen einzigen.'' Aber das hängt davon ab, was wir mit ,,pluralistischer Relativismus'' meinen. Wenn es bedeutet, dass keine Ansicht besser sei als jede andere, was es nach Wilbers Meinung bedeutet, dann hat Wilber Recht, kein ernsthafter Denker macht das geltend, und daher brauchen wir uns darum nicht zu kümmern. Aber wenn es bedeutet, dass wir nicht die Idee schlüssig verteidigen können, dass unsere intellektuellen Grundlagen die absolut richtigen sind, dann sind die meisten bekannten Theoretiker pluralistische Relativisten.

Pluralistischer Relativismuskönnte viele Dinge bedeuten. Die vielen Bedeutungen von Relativismus werden beschrieben von Michael Krausz und Rom Harrein ihrem Buch Varieties of Relativism[Spielarten des Relativismus] und von Maria Baghramian in ihrem BuchRelativismus. Ich werde einige führende Theoretiker benennen, die pluralistische Relativisten genannt werden könnten und manchmal so genannt werden.Nelson Goodman, einer der großen Philosophen der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, verteidigte, was er einen ,,radikalen Relativismus'' nannte. Paul Feyerabend, einer der fünf wichtigsten Philosophen der Naturwissenschaft könnte als pluralistischer Relativist beschrieben werden. Der Philosoph und Übersetzer von Nagajuna, Jay Garfield, bietet eine stark relativistische Lesart von Nagajunas Buddhismus in seinem Buch Empty Words[Leere Worte] an. Der Philosoph Richard Rorty, wird, während er die Bezeichnung Relativist abstreitet, sehr oft beschuldigt das zu sein, was ein pluralistischer Relativist genannt werden könnte. Der politische Philosoph aus Princeton Philip Pettit, hat, während er vielleicht die Bezeichnung Relativist nicht mochte (niemand mag sie, weil sie eher ein Beiwort als eine Beschreibung ist), in seinem Essay ,,A Sensible Perspectivism[Ein vernünftiger Perspektivismus].'' das verteidigt, was ein pluralistischer Relativismus genannt werden könnte. Wir erfahren aus dem Stanford Dictionary of Philosophy:,,moralischer Relativismus ist ein Standardthema in Meta-Ethik und es gibt zeitgenössische Philosophen, die Formen davon verteidigen: Die prominentesten sindGilbert Harmanund David B. Wong.”[3] David Bloor, Barry Barnesund ihr starkes Programm in der Wissenschaftssoziologie werden des Relativismus geziehen. Und diese Beispiele stammen alle von der anglo-amerikanischen Tradition. Die kontinentalen Postmodernen sind sogar noch berüchtigter für ihren angeblichen Relativismus.

Und wenn es dennoch keine prominenten Theoretiker gibt, die den pluralistischen Relativismus akzeptieren, wie Wilber sagt, weshalb geißelt Wilber dann das miese grüne Mem in den Akademien und warnt vor den Gefahren dieser Form der extremen Postmoderne? Ich möchte meinen, das Problem für ihn wäre, dass dieser Kritiker zu viele pluralistische Relativisten benennen könnte, nicht dass überhaupt keiner benannt werden kann.

VERWÄSSERTER WILBER

Wilbers frühere Kritiken haben ihr Ziel verfehlt, seine nächste Beobachtung trifft wenigstens das Ziel. Wilber behauptet, dass meine positiven Empfehlungen, wie weiterzugehen ist, wenn die Vernunft einmal ihre Grenzen erreicht hat, bereits in seiner umfassenderen Theorie vorweggenommen sind. In Kapitel 9 argumentiere ich für zwei Wege nach vorn, sobald wir bemerken, dass Vernunft, an ihre Grenzen geschoben, immer bei die Vernunft verleugnenden Rätseln landet wie Zirkularität, endlose Regression, Widerspruch, Unbeschreiblichkeit, Skeptizismus oder undefinierbare Vermutungen. Ich biete zwei Wege nach vorn an, einen spirituellen und den anderen psychologischen. Der spirituelle Pfad zitiert die mystische Beobachtung, dass Vernunft und Begrifflichkeit selbst Hindernisse für die empirische Erkenntnis des Mystikers sind und dass das Erreichen der Grenzen der Vernunft zu einer spirituellen Verwirklichung führen kann. Ich brachte Beispiele davon bei Nagajuna und den antiken pyrrhonischen Skeptikern, wie sie von zeitgenössischen Philosophen interpretiert werden. Im Gegensatz zu Wilber, der meint, es gebe eine völlig neue Rolle für eine höhere Stufe des Denkens und ein konzeptuelles System, das eine Einheit inmitten der Unterschiedlichkeit von Pluralismus und Relativismus sieht, behaupte ich, dass die Grenzen der Vernunft uns die endgültige Unversöhnlichkeit oder Unterscheidung zwischen Perspektiven und Weltanschauungen zeigen.

Jetzt da es Wilber erwähnt – obschon er es wie üblich gar nicht erklärt – drückt seine Theorie tatsächlich aus, dass die meisten Menschen auf dem spirituellen Pfad die fortgeschrittenen Stufen der Visionslogik gar nicht erreichen und daher niemals die inter-paradigmatische Strukturierung, die der fortgeschrittene Visionslogiker sieht. Dank Wilber erkenne ich, dass ich einen oberflächlichen Kontrast gestaltet habe. Einerseits war mein Glaube, dass das postmoderne Denken die Grenzen des Gefühls markierte, die die Vernunft von größeren philosophischen Themen schaffen könnte, und daher ein Eingang in eine experimentelle, spirituelle Erkenntnis sein könnte. Und andererseits Wilbers Befürwortung von weitergehender intellektueller Arbeit für die Vernunft durch eine Entwicklung der höheren Stufen der Visionslogik und das sich ergebende Begreifen der ausgedehnten Strukturierung des Kosmos. Aber Wilber sagt, dass spirituelle Praktiker nicht durch die höheren Stufen der Visionslogik hindurchgehen müssen, und gewöhnlich tun sie es auch nicht – durch die paradigmatischen und Paradigma übergreifenden Stufen – und dass es für ihr spirituelles Wachstum auch nicht notwendig ist. [4] Sie können sich von der zentaurischen Stufe zur psychischen Stufe und darüber hinaus entwickeln ohne ein von Wilbers oder von irgendwem anderen intellektuellem Gewichtheben. Und Wilber ist ein geschickter Zeiger auf die spirituellen Erkenntnisse, die einer Konfrontation mit den Antinomien der Vernunft folgen mögen oder auch nicht. In wenigen Worten kann Wilber billigerweise sagen, während er einem weiteren intellektuellen Pfad folgt oder ein intellektuelles Entfalten identifiziert, dass das nicht die Art einer spirituellen Erkenntnis vom Typ der Grenzen der Vernunft ausschließt, die ich beschreibe. Das ist daher ein guter Standpunkt.

Und weiterhin erkenne ich jetzt, dass ich nicht meine, es gebe kaum eine Chance, dass das Verfolgen des Denkens zu seinen Grenzen in einer spirituellen Erkenntnis enden wird. Das kann es natürlich, aber ich meine, es ist nicht ein üblicher oder verlässlicher Weg, um solche Erkenntnisse zu haben. Man sollte eher die spirituellen Praktiken ausüben und jene besuchen, die in ihnen perfekt sind oder die die Erkenntnisse hatten, nach denen man sucht.

MEIN NEUER WEG

Indem ich diesen falsche Pfad lösche, an den ich nicht viel glaube, sehe ich jetzt klar den Kontrast zwischen dem, was ich befürworte und dem, was Wilber befürwortet. Der wirkliche Gegensatz ist zwischen Wilbers starker Betonung eines spirituell/intellektuellen Pfads jenseits der konventionellen Vernunft und in die höchsten Ebenen der Visionslogik und meiner Befürwortung der Notwendigkeit, die Grenzen der Vernunft und die Unvereinbarkeit der Perspektiven wahrzunehmen, die nicht eine ehrgeizige Wilbersche kosmische Integration zulassen. Ich argumentiere, dass Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und Weltanschauungen ihre intellektuellen Unterschiede erkennen und aufklären müssen, und dann entweder allein oder gemeinsam die nichtrationale Basis ihrer Anhaftung an ihre Überzeugungen verstehen. Wir müssen tief in das Psychologische hineingehen, um intellektuellen, zwischenpersönlichen und persönlichen Fortschritt zu erreichen.

Ich habe diesen Ansatz in Kapitel 9 und in meinem Schreiben ,,Arguments Beyond Reason”[Argumente über die Vernunft hinaus] gerechtfertigt und werde jetzt bloß das Argument zusammenfassen. Jene, die Gründe anbieten, um ihre Überzeugungen zu rechtfertigen – mehr oder weniger wir allesamt – die werden entdecken, dass wir einen Punkt erreichen, wo wir keine Gründe mehr anbieten können oder keinerlei gültige Gründe dafür, weshalb wir so etwas glauben. Wenn es so ist, wie es die westliche philosophische Tradion bisher entdeckt hat, dass wir keine vernünftige Grundlage für unsere Überzeugungen bieten können und wenn alles Begründen undefinierbare Grenzen erreicht, weshalb dann – wenn es unsere Gründe sind, weshalb wir glauben, was wir glauben – glauben wir, was wir glauben? Weshalb glauben wir nicht bloß die ähnlich vernunftmäßig nicht zu rechtfertigenden Überzeugungen unserer Gegner? Die von mir erteilte Antwort ist, dass unsere Überzeugungen aus unseren einzigartigen Lebenserfahrungen entstanden sind und gewisse Überzeugungen befriedigen unsere psychischen Bedürfnisse, indem sie uns veranlassen, an gewissen Perspektiven und Weltanschauungen festzuhalten. Wir können die innigen Verbindungen zwischen unseren philosophischen, moralischen, ästhetischen und politischen Überzeugungen und unserer Lebensgeschichte aufdecken. Wir entdecken, dass wir mit anderen nicht nur wegen unserer unterschiedlichen Überzeugungen nicht übereinstimmen, sondern weil wir andere psychische Bedürfnisse haben. Deshalb wird ein großer Betrag an Abwehrhaltung in rein intellektuellen Diskussionen ausgelöst. Weil nämlich etwas mehr auf dem Spiel steht als nur, wer Recht oder Unrecht hat. Wenn tatsächlich in intellektuellen Diskussionen nur auf dem Spiel stehen würde, wer Recht oder Unrecht hat, würden wir gern unsere Ansichten ändern, wenn sie als falsch herausgestellt würden. Dann wären wir im Besitz dessen, was richtig ist. Doch so läuft das nicht ab, und ein Grund (es gibt weitere), weshalb das so nicht klappt, ist dass es tiefe persönliche Gründe dafür gibt, dass wir es nötig haben, dass unsere Überzeugungen und Weltanschauungen die Wahrheit sind; dass wir es nötig haben, dass die Welt so ist, wie wir glauben, denken und sagen, dass sie so ist.

Deshalb schlage ich, nachdem die gesamte rein rationale Argumentation ausgeschöpft worden ist, als einen produktiven nächsten Schritt jenseits des Zustimmens oder Nichtzustimmens vor, diese anderen Gründe für unsere Überzeugungen zu untersuchen, diejenigen die folgen, nachdem unsere Begründungen in unseren rationalen Diskussionen ausgeschöpft worden sind. Dann können wir unser und das emotionale Investment der anderen in die Notwendigkeit sehen, dass die Welt auf eine bestimmte Art abläuft; wir können die blinden Stellen sehen, die uns dazu veranlassen, dass wir nicht in der Lage sind zu verstehen, was eine andere Person vertritt; wir können unseren emotionalen Widerstand entdecken gegen das Akzeptieren eines Arguments oder von Tatsachen, die an uns herumnagen, um zu sehen, weshalb sie noch bei uns bleiben, sogar obwohl wir bewusst meinen, dass sie falsch sind.

Deshalb biete ich in meinem Buch eine Psychologie meiner Überzeugungen an und eine Psychologie von Wilbers Überzeugungen. Ich zeige dabei, wie eine solche Tiefenpsychologie des Glaubens aussehen könnte. Die Überzeugungen von Menschen können nur durch Argumente und Beweise entkräftet werden. Zu wissen, weshalb Menschen glauben, wie sie es tun, ist vollständig verschieden von der Bestimmung der Gültigkeit des von ihnen Geglaubten. Mein Ansatz kann intellektuelle Blockierungen lockern, Selbsterkenntnis und Selbstentwicklung fördern, die Qualität unseres Glaubenssystems verbessern und verändern, was für wahr gehalten wird.

Daher ist die Idee von spiritueller Erkenntnis an den Grenzen der Vernunft nicht mein ,,neues Paradigma'', wie es Wilber darstellt (das ist ein bisschen zu großartig für mich, da mein Ehrgeiz nicht sounverblümt ist). Was in meiner Arbeit originell ist, das ist das Argument dafür, weshalb eine Analyse der psychologischen Basis der Überzeugungen eine Rolle spielen könnte bei der Verbesserung der Argumentation und des persönlichen Wachstums. Jenes Argument rechtfertigt meine psychologische Analyse von Wilbers Ideen (und die Ideen jedes anderen) in Kapitel 10.

HÖHE UND EBENEN ÜBERGREIFENDE DEBATTE

Wilber versucht danach, seine Idee zu verteidigen, dass Ebenen übergreifende Debatten selten funktionieren, weil Menschen auf niedrigeren Entwicklungsebenen nicht die erforderliche Ebene des Bewusstseins oder die Höhe haben, um das zu verstehen, was Menschen auf höheren Ebenen sagen. Die Kritiken der höheren Ebenen durch die niedrigeren Ebenen sind ,,unsinnig'' sie sind weder wahr noch falsch sondern leer.” Er benützt das Beispiel des christlichen Fundamentalisten (der blauen Ebene), der zu dem wissenschaftlichen Rationalisten (der orangen Ebene) sagt, dass die ..Tatsachen'' in der Bibel die Tatsachen der Naturwissenschaft widerlegen. Wilber hat Recht, wenn er sagt, dass kein Betrag an Diskussion diesen Streit beilegen wird, doch er hat Unrecht, wenn er diesen blau-orangen Streit als eine Analogie benützt für einen behaupteten grünen Erstrang- gegen einen türkisen Zweitrang-Streit . Ich bringe eine Anzahl von Argumenten dafür, weshalb das der Fall ist, in dem hinteren Teil von Kapitel drei über Visionslogik. Wilber widerspricht keinem jener Punkte (vielleicht ist er nicht auf dem Stand des neuesten Materials). Hier werde ich bloß sagen, dass der Unterschied zwischen dem fundamentalistischen und dem naturwissenschaftlichen Material einen weitgesteckten Schub vom Mittelalter zur Aufklärung reflektiert, in dem eine gänzlich neue Weise des Erwerbs und Rechtfertigens von Wissen vor sich ging. Der Fundamentalist und der Naturwissenschaftler benützen unterschiedliche Kriterien, um Wissen zu erwerben: der Fundamentalist das buchstäbliche Wort der Bibel und der Wissenschaftler die wissenschaftliche Methode. Ein solch weitgesteckter Schub ist zwischen einem behaupteten grünen/erstrangigen egoisch-rationalen Typ und einem türkisen/zweitrangigen visionslogischen Typ nicht passiert. Dementsprechend ist von Wilber kein neues Kriterium des Wissens herausgearbeitet worden. Wilber bekräftigt seine Behauptungen immer noch auf die altmodische Weise: indem er Argumente bringt, versucht sie logisch zu halten und unterstützende Beweise aus der wissenschaftlichen Literatur zitiert. Welches ist die neue Methode der Bestätigung von Wissen des zweiten Rangs, das die Kritiken von grünen Personen des ersten Rangs nicht nur richtig oder falsch sondern unsinnig macht?

Der wirkliche Streit zwischen Blau und Orange erlaubt Wilber, die Unterschiede zu dramatisieren zwischen Menschen mit dramatisch unterschiedlichen Weisen, Bekräftigung zu determinieren; dann vergleicht er bloß die grün/türkise Spaltung damit. Aber es wird keine Beschreibung der unterschiedlichen Methoden der Validierung angeboten. Wie ich in meinemKapitel 3 geschrieben habe,

dies ist ein durchscheinender und manchmal etwas trauriger Versuch, Kritik zu vermeiden, indem eine logische Grundlage erdacht wird, die den Kritiker für ungültig erklärt.Wenn Menschen seine Theorie nicht verstehen, wie er es oft beklagt, dann liegt die Erklärung darin, dass sie kognitiv nicht genug entwickelt sind, um sie zu verstehen. Darüber hinaus wird keine Erklärung in der Welt dabei helfen, weil sie konstitutionell unfähig sind zu verstehen; deshalb braucht erst gar kein Versuch unternommen zu werden. Und jede vom Kritiker vorgebrachte Kritik kann ignoriert werden wegen der niedrigeren Bewusstseinsebene der betreffenden Person.

Das Vermerken von Höhe wird von Wilber benützt, um die Konfrontation mit rechtmäßiger Kritik zu vermeiden und es wird zu diesem Zweck eingesetzt.

Bei der Verteidigung des Konzepts Höhe stellt Wilber den weiteren Anspruch auf, dass ,,Forscher des ersten Rangs'' Phänomene des zweiten Rangs in der Entwicklungsforschung weder sehen noch registrieren werden.'' Diese Forscher des ersten Rangs haben sich nicht zum zweiten Rang entwickelt, daher können sie noch nicht einmal die Phänomene sehen, die Wilber und andere sehen. Dennoch macht das gar keinen Sinn, weil Wilber selbst sich auf postformale Studien in der Entwicklungspsychologie verlässt, um seine Stufe der Visionslogik zu bestätigen. Sind alle Forscher auf jenem Gebiet vom ,,zweiten Rang''? Sind sie vom zweiten Rang, weil sie die Ergebnisse liefern, die Wilber wünscht? Und was ist mit den Forschern, die Beweise dafür liefern, dass es keine postformale (visionslogische) Stufe gibt? Erkennen wir jetzt, dass sie vom ersten Rang sind? Es ist so bequem selbstverstärkend: wenn man es sieht, ist es vorhanden, wenn man es nicht sieht, dann ist man nicht fähig dazu. Wilber behauptet ebenfalls, dass

die psychologischen Modelle der Forscher des ersten Rangs werden daher dahin tendieren, jedweden Betrag an Entwicklung überhaupt nicht zu haben; sie werden sogar feindlich sein gegenüber dem Vermerken von Ebenen, Hierarchien der Verwirklichung, Holarchien, kulturübergreifenden Phänomenen, Kontext übersteigenden Äußerungen, Quasi-Universalien und so weiter.

Dennoch glaubt Helena Marchand[5], deren Übersicht über postformale Studien einen Zweifel auf die Existenz einer postformalen Stufe wirft, als eine Anhängerin Piagets wahrscheinlich an einen ..zusammenhängenden Betrag an Entwicklung'', an ,,Ebenen'', an ,,kulturübergreifende Phänomene'', an ,,Kontext übersteigende Äußerungen'' und an ,,Quasi-Universalien''. Macht sie das zu einer Person des zweiten Rangs, selbst wenn ihre Forschung grundsätzliche Zweifel auf Wilbers Stufe der Visionslogik wirft? Seine dementsprechende Äußerung macht so wenig Sinn, dass es einiges an weiterer Interpretation dafür geben sollte, was er meint.

Integraler methodologischer Pluralismus und orientierende Verallgemeinerungen

Wilber lässt anklingen, dass meine Kritik altbacken sei, weil meine Konzentration auf Wilbers Misslingen steht zu demonstrieren, dass sein AQAL Modell auf dem Konsenswissen der Naturwissenschaft basiert oder, wie er es nennt, auf den orientierenden Verallgemeinerungen (OG). Er lässt durchblicken, dass die Methode der orientierenden Verallgemeinerungen lange durch den Integralen Methodologischen Pluralismus(IMP) verdrängt wurde. Er schreibt:

ein Kritiker schreibt, dass meine Methode aus ,,orientierenden Verallgemeinerungen'' besteht….Ich frage mich, ob sein [sic] Bursche jemals vom Integralen Methologischen Pluralismus gehört hat, der mindestens 8 unterschiedliche Methodologien benützt…

Es ist gewiss gut zu fordern, dass Kritiker auf die neuesten Formulierungen eines Denkers erwidern, aber sind die früheren Ideen wirklich so ungezwungen verlassen worden und ohne irgendeine Erklärung? Was geschah mit dem Transzendieren und Einschließen? Schließt Wilber – V nicht die zentrale methodologische Rechtfertigung für die Konstruktion seines AQAL Modells ein, welche die orientierende Verallgemeinerung war? Wilber setzt voraus, dass es der IMP ist, der jetzt die Rechtfertigung für seine integrale Synthese verschafft, doch das ist nicht der Fall. Der IMP stellt besondere gegenwärtige Methodologien zusammen für den Wissenserwerb und organisiert jede gemäß ihrer besonderen Perspektive auf die unterschiedlichen Aspekte der Holons. Die Methodologien zu organisieren bestimmt nicht, was die gültigen Ergebnisse jener Methodologien sind. Wilber behauptet, dass das AQAL die gegenwärtig beste integrative Theorie sei, die aus dem IMP nachfolgt. Er schreibt:

AQAL ist dann eine Metatheorie, die versucht, den größten Anteil an Material aus einem integralen methodologischen Pluralismus zu integrieren, und so ehrt sie die erste Verfügung einer integralen Umarmung: Jeder hat Recht.[6]

Dennoch, wie in SES, meint ,,jeder hat Recht'' nicht, dass jeder bei allem Recht hat. Da ist immer noch die Frage, wie die Teilwahrheiten in all den unterschiedlichen Disziplinen determiniert werden, indem man ihre unterschiedlichen Methodologien benützt. Die einzige Antwort, die ich in Wilbers neueren Schreiben auf die Frage sehe, wie man die Teilwahrheiten in den acht Methodologien determiniert, die IMP nebeneinanderstellt, immer noch die orientierenden Verallgemeinerungen sind. Wilber mag wohl wünschen, diesen Ausdruck herauszuwerfen, aber alles, worauf er sich bezieht, ist das Wissen, das durch die unterschiedlichen Methodologien aufgestellt wird. Das AQAL wurde vermutlich aus den Konsensfundstücken von verschiedenen Untersuchungsweisen konstruiert – die orientierenden Verallgemeinerungen. Wenn diese Methode jetzt nicht anwendbar ist, was rechtfertigt dann Wilbers Konstruktion der AQAL? Wie determinieren wir das ,,einfache aber handfeste'' Wissen, das sie entdeckt haben? Wenn es nicht die orientierenden Verallgemeinerungen sind, was ist es dann?

SCHLUSSFOLGERUNG

Wilbers ,,Erwiderung auf einige Kritiken'' stellt eine interessante Wiederholung der gleichen problematischen Debattenpraktiken dar, die ich in Bald Ambition[Unverhüllter Ehrgeiz] identifiziert habe.

Dort habe ich mich darüber beschwert: seine Kritiker werden nicht benannt; die individuellen Gegner werden durch Kategorien ersetzt - ,,Grüne'', pluralistische Relativisten, ,,die Kritiker''; wir bekommen sehr wenige Zitate von seiner Gegnerschaft und ihre Positionen sind routinemäßig karikiert.

Dieses Verhalten sehen wir wieder in dem neuesten Blogeintrag. Ironischerweise kommt dieses derbe Schwarzweiß-Denken von einem Mann, der sagt:, ,,Man versteht die Ideen seines Gegners so lange nicht, bis man sie besser vorbringen kann als er selbst'' – und ich nehme das ernst.' Dennoch in den meisten Widerlegungen, die ich zitiere, bringt er die Ideen nicht nur nicht besser vor, sondern kann noch nicht einmal die Kritiken beschreiben. Und um die Ironie zu verdoppeln, behauptet er, weil ich auf einer niedrigeren Höhe sei, seien die von mir vorgetragenen Kritiken weder richtig noch falsch sondern unsinnig. Wenn er dennoch, wie er sagt, wirklich meilenweit über uns Kritikern steht und ernsthaft mit Kritiken umgeht, weshalb kann er noch nicht einmal die Kritiken richtig fassen? Wenn sie so leicht zu widerlegen sind, warum stellt man nicht bloß fest, was sie sind und erwidert sie, anstatt sie in derbe entweder/oder Vereinfachungen zu verstümmeln?

Wie ich es sehe, hat meine Kritik und die der anderen so wenig von Wilbers Standpunkt der integralen Synthese übrig gelassen, dass er Wege erdenken muss, um das Erwidern auf sie zu vermeiden, um seinen Anhängern und wahrscheinlich sich selbst etwas vorzumachen, damit sie denken, dass sein System die beste verfügbare Integration des zeitgenössischen Wissens sei. Wilbers Techniken des Vermeidens sind lang und werden länger, sie schließen ein: Ignorieren (wir warten immer noch auf eine Antwort auf Andrew Smiths Arbeit), Respektlosigkeit, Verspottung, die Positionen der Gegner karikieren, selten Gegner zitieren; Kritiken machen, aber keine Beispiele anbieten, Behauptungen aus privaten kritischen Diskussionen, Beschwerden über Zeitbeschränkungen (die ebenso seine Anhänger betreffen), die hochmütige und unerklärte Bemerkung von Höhe und seine neueste Ablenkungsfarce: der Blogeintrag, herausgegeben als eine Antwort auf Kritiker, der ein solches Tamtam über seine ausfälligen Beleidigungen hervorrief, dass die substantiellen Erwiderungen, die er gegen die Kritiker hervorbrachte, kaum bemerkt wurden.

Meine Schlussfolgerung ist, dass der Kaiser wenig Kleider hat. Der Cowboy reitet um die Wagenburg herum, um eine unhaltbare Position besser zu verteidigen. Er ist bloßgestellt und kann dem weder begegnen noch es zugeben, und deshalb vermeidet er ein kritisches Engagement durch ein Aufgebot an Ablenkungen.

REFERENZEN

[1] Lerner, Richard M., ed., Developmental Psychology, (Hillsdale, N.J.: L. Erlbaum Associates, 1983), p. 196.

[2] Wilber, Ken, “Introduction to Volume 7 of the Collected Works,” in the section entitled “The Jump to Second-Tier Consciousness,” at http://wilber.shambhala.com/html/books/cowokev7_intro.cfm/

[3] Gowans, Chris, "Moral Relativism", The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Spring 2004 Edition), Edward N. Zalta (ed.), http://plato.stanford.edu/archives/spr2004/entries/moral-relativism/.

[4] Wilber, Ken, Integral Psychology, (Boston: Shambhala Publications, 2000), p. 239.

[5] Marchand, Helena, “Some Reflections on Postformal Thought,” The Genetic Epistemologist, Vol. 29, Number 3, 2001. http://www.piaget.org/GE/2001/GE-29-3.html#item2. Ich zitiere sie und andere postformale Forscher in Kapitel drei vonBald Ambition[Unverhüllter Ehrgeiz] und in meiner Antwort auf Mark Edwards mit dem Titel “What's Worthy of Inclusion?”[Was ist der Einschließung würdig?] bei http://www.integralworld.net/meyerhoff3.html beziehungsweise.

[6] Wilber, Ken, “Excerpt B: The Many Ways We Touch: Three Principles Helpful for Any Integrative Approach, part I, at http://wilber.shambhala.com/html/books/kosmos/excerptB/part1.cfm



© Jeff Meyerhoff 2006

Übersetzt von Hans-Peter Lin