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Ray Harris Ray Harris trägt häufig zu dieser Website bei. Er hat Artikel über den 11.September, Boomeritis, den Irakkrieg und die Politik des dritten Weges geschrieben. Dies ist eine Antwort auf John Whites Essay „Aufklärung, Freiheit und Amerika“, der auf dieser Website veröffentlicht wurde. Harris lebt in Australien und kann unter [email protected] kontaktiert werden. Addendum on slavery added September 4, 2003 ; Addendum on Native Americans added September 5, 2003 (FV)

“Die bloße Größe Amerikas verbirgt eine Menge an Sünden.”

Der amerikanische Mythos

Eine Antwort an John White

Ray Harris

Lieber John,

ich weiß kaum, wo ich anfangen soll. Ich las Ihren Brief mit einer Mischung von Spaß und Unglauben. Anfangs wollte ich gar nicht antworten, weil ich meinte, es sei nicht der Mühe wert. Jetzt fühle ich mich dazu gezwungen wegen Ihres Hintergrunds der Verbindung mit Ken Wilber und der Tatsache, dass Sie Ihr Propagandastück ‚Integraler Patriotismus' nennen.

Es ist nicht integral, es ist weit entfernt von integral. Es glaubt so fest an den amerikanischen Mythos, dass es in der Tat ein Fall aus einem Lehrbuch für mythisches Denken ist.

Doch es ist nicht bloß das mythische Denken, das es so ärgerlich macht, sondern dass die Zentralidee gefährlich und irreführend ist. Es ist ein gutes Beispiel für politische Pathologie.

Der amerikanische Mythos

Jedes Land hat einen Mythos. Amerika ist keine Ausnahme. Mythenbildung geschieht, wenn Menschen die Bedeutung eines Ereignisses überbetonen und Fakten ignorieren, die dem überbetonten Image entgegengesetzt sind. Der Begleiter eines inflationierten Images ist nationale Hybris.

Daher lohnt es sich an diesem Punkt, die Übertreibung herabzusetzen und unsere Diskussion auf eine gute Portion Wirklichkeitsüberprüfung zu gründen.

Der allgemeine Tenor Ihres Artikels behauptet, dass Amerika eine führende Rolle dabei gespielt hat, dem Rest der Welt die Demokratie zu bringen als ein Teil des göttlich inspirierten ‚amerikanischen Geistes'. Sie wagen die stolze Behauptung, dass der amerikanische Geist allmählich das Wahlrecht auf die Frauen ausgedehnt hat, das Wahlalter auf 18 gesenkt und die Sklaverei beendet hat. Die Wirklichkeit ist, dass Amerika nicht geführt hat – es ist oft gefolgt.

Lassen Sie uns das Frauenwahlrecht als Beispiel nehmen. Die Frauenwahlrechts-Bewegung war ein weltweites Phänomen, das seinen Ursprung in England hatte. 1893 wurde den Frauen in Neuseeland das Wahlrecht zugesprochen, 1894 in Südaustralien und 1901 im neuen vereinten Australien. Amerika verabschiedete die 9. Ergänzung zur Verfassung erst 1920.

Um 1970 hatten 35 Nationen das Wahlalter auf 18-Jährige ausgedehnt. Amerika schloss sich dieser Gruppe 1971 an, indem es die 26. Ergänzung zur Verfassung verabschiedete.

Die Sklaverei ist zum Beispiel eine tausendjährige weltweite Institution, doch Amerika schaffte sie durch einen großen Bürgerkrieg ab, der die Abschaffung als ein Recht für die ganze Welt einsetzte. Seit 1865 ist das Übel dieser Institution auf das Gewissen der Menschheit durch Amerika aufgedrückt worden.

durch Amerika aufgedrückt worden. Wirklich ? Außer dass die Anti-Sklaverei-Bewegung in England um 1770 begann und dass jenes Land die Sklaverei 1807 abgeschafft hat. Ein Geschehen, das die Abschaffungsbewegung in den USA hilfreich beeinflusst hat. Kein Betrag romantischen, rosaroten Rühmens der amerikanischen Geschichte kann dies verleugnen. Trotz der Ideale der amerikanischen Revolution wurden Schwarze ein weiteres Jahrhundert lang als Bürger zweiter Klasse behandelt. Es ist nicht nur die Apartheid, das Lynchen und die Diskriminierung bei den Arbeitsplätzen (die eine Erblast der Armut schuf), es war die Existenz von Jim – Crow – Gesetzen [rassendiskriminierend; nach der Figur Jim Crow aus einem Pflanzerlied im 19.Jhdt; d.Ü.], die Schwarze vom Wählen fernhielt, Gesetze, die nicht vor der 24. Ergänzung zur Verfassung 1964 abgelehnt worden sind. Doch wie ich weiter unten argumentieren werde, sind Schwarze weiterhin bei den Wahlen diskriminiert.

Und dann erzählen Sie diese faustdicke Lüge. Es lohnt sich, diese Schönheit voll zu zitieren.

Wenn wir zu den amerikanischen Ureinwohnern kommen: auch sie haben gleiche Rechte vor dem Gesetz. Sie mögen irgendwo im Hauptstrom der amerikanischen Gesellschaft leben oder in Reservaten wohnen, wo Stammesgesetze und –kultur regieren. Obschon Armut und schlechte Gesundheit Probleme sind, die traurigerweise einige amerikanische Ureinwohner beschweren, so ist dies nicht ausschließlich ihr Zustand, noch ist er auf eine Maßnahme der Regierung zurückzuführen.

Amerikanischen Ureinwohnern wurde nicht vor 1924 das Wahlrecht zugestanden, aber es vergingen weitere vierzig Jahre, bis alle Staaten diese Beschränkungen beseitigten, und Neu-Mexiko war 1962 der letzte. Die Politik der amerikanischen Regierung war weitestgehend die einer massiven Landnahme. Amerikanische Indianer sind gewaltsam von ihrem Land vertrieben worden. Der lange Marsch und das Massaker bei Wounded Knee [Dorf in Süd-Dakota, wo 1890 Hunderte weitgehend unbewaffneter Sioux niedergemetzelt wurden; d.Ü.] sind jetzt geächtet. Die letzte Schmach ist, dass die Regierung ihre Versprechen bei allen Hauptunterhandlungen nicht eingelöst hat und fortfährt sich zu weigern, die fälligen Entschädigungen zu zahlen. Die amerikanischen Ureinwohner sind ausgeraubt worden. Die Armut der amerikanischen Indianer steht in der Tat direkt mit der Regierungspolitik in engem Zusammenhang.

Ich frage mich, wie viele Schwarze und amerikanische Ureinwohner Ihrer Einschätzung zustimmen werden.

Nun will ich jedoch nicht behaupten, dass Amerika schlimmer ist als irgendein anderes Land, wenn es um Rassismus geht, es ist nur in keiner Weise besser. Die Verfassung versprach gleiche Rechte für alle, doch Jahrhunderte des Kämpfens vergingen, um jene Rechte denen abzuringen, die sie aktiv zu verleugnen suchten. Der amerikanische Geist ist gleich bei der Verleugnung von Menschenrechten, um die wirtschaftliche und politische Macht des weißen Mannes aufrechtzuerhalten – beabsichtigtes Wortspiel.

Der Hauptpunkt ist hier, dass der stetige Marsch auf die Demokratie hin NICHT einem einzigartigen amerikanischen Genius zuzuschreiben ist. Er ist das Ergebnis eines langen Prozesses der politischen Evolution, der in Europa mit der Magna Charta [von König Johann 1215 zugestandene Rechte an die Barone und freien Bürger in England; d.Ü.] begann (obschon es schon einige bemerkenswerte Rebellionen gegen die Feudalmacht im mittelalterlichen Europa gegeben hatte). 1654 setzte Oliver Cromwell die erste parlamentarische Regierung ein und obwohl sie schließlich scheiterte, waren ihre Wirkungen grundlegend. Erinnern Sie sich an die Puritaner ? Sind die Pilgerväter wohl von Cromwells Revolution beeinflusst worden ?

Dieser lange Prozess der evolutionären Veränderung, von politischen und philosophischen Debatten in Europa angespornt, inspirierte sowohl die amerikanische als auch die französische Revolution und führte zu der evolutionären Veränderung vieler europäischer Länder und ihrer Kolonien. Amerikaner sinnen oft romantisch über das Symbol der Freiheitsstatue nach, doch womit sie sich so oft rühmen, war ein Geschenk der Franzosen und basiert auf dem französischen Mythos von Marianne [französische Symbolfigur der Freiheit; d.Ü.].

Doch mit typischer amerikanischer Arroganz geben sie vor, dass dieser Prozess dem amerikanischen Geist zu verdanken sei. Das war er nicht. Jedes Land hat seinen eigenen Pfad der politischen Evolution verfolgt. Die amerikanische Revolution war nur eines von vielen demokratischen Experimenten. Sind Sie sich darüber im klaren, John, dass Australien das Laboratorium der Demokratie genannt wird, dass es etliche Reformen begonnen hat ? Sind Sie sich darüber im klaren, dass die geheime Wahl in Amerika bei ihrer Einführung anfangs die australische Wahlmethode genannt wurde ? Wissen Sie auch, dass viele an einer Wahlreform interessierte Amerikaner nach Australien als einem Vorbild schauen ?

Es ist gesagt worden, dass Einwanderung die ehrlichste Form der Schmeichelei sei. Wenn es so ist, dann haben Menschen aus aller Welt mit ihren Füßen über die Frage abgestimmt, welche die beste Nation von allen ist.

Ach ja, die drängenden Massen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass Amerika ein Hafen für Einwanderer ist, doch wussten Sie, dass von der Bevölkerung her gesehen Kanada und Australien, in dieser Reihenfolge, eine größere eingewanderte Bevölkerung haben ? Sie sehen, dass dies die Art von Fakten sind, deren die Hybris sich rühmt. Ich könnte zu meinem vietnamesischen Mitarbeiter Phong sprechen, einem Flüchtling aus Vietnam, und ihn fragen, weshalb er Amerika nach sechs Jahren verließ und stattdessen nach Australien kam. Doch Ihre Feststellung ignoriert die einfache Tatsache, dass Amerika, nachdem es zuerst die amerikanischen Ureinwohner enteignet hatte, ein weites und leeres Land war, reich an Ressourcen, dass Einwanderung nötig hatte. Sie war unvermeidlich und notwendig.

Nebenbei bemerkt wurden die meisten Einwanderer nicht von den USA angezogen, weil sie die 'beste' Nation waren, sondern einfach weil sie die reichste sind. Sie wollen ein Stück von der amerikanischen Torte. Traurigerweise hat Amerika das immer ausgebeutet, fragen Sie nur alle schlecht bezahlten illegalen Einwanderer, die als Hausmädchen, Tagelöhner und Farmhelfer arbeiten.

DAS BESTE LAND ?

Amerikaner haben tolle Gründe, sich stolz zu fühlen, doch die sich selbst offenbarende Übermacht Amerikas allen anderen Nationen gegenüber muss nicht – und sollte in der Tat nicht – aufschneiderisch verkündet werden.

Heutzutage sind die USA zu einer Vormachtstellung innerhalb der Nationen der Welt aufgestiegen. Wirtschaftlich, technologisch, kommerziell, politisch, militärisch, kulturell und auf so viele andere Weisen hat der amerikanische Geist enorme Veränderungen zum Besseren in der Zivilisation rund um den Globus hervorgebracht.

John, das ist einfach nicht wahr. Wenn Sie Länder in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf einer ‚pro Kopf der Bevölkerung' – Basis vergleichen, erscheint Amerika kaum an der Spitze der Liste bei einer ganzen Spanne von Indikatoren. Auf einigen Gebieten ist es ein ziemlich schlechter Darsteller.

Eine kürzliche Studie bei Bildungsstandards zeigte, dass die USA an siebter Stelle bei der Lese - und Schreibfähigkeit bei 15-Jährigen rangierte, und verfehlte bei der Rechenfähigkeit einen Platz unter den ersten Zehn, dabei verfehlte es sogar den OECD – Durchschnitt.

Eine neuere Begutachtung wies aus, dass amerikanische Städte nicht in einer Liste der zehn besten bei den Städten vorkamen, in denen es sich am besten leben lässt ( alle größeren australischen Städte schafften es unter die ersten Zehn, und meine Stadt Melbourne auf Nummer Eins – die höchstbewertete amerikanische Stadt war San Francisco auf Platz 48, New York auf Platz 53).

Schauen Sie, John, Sie müssen berücksichtigen, dass die USA an dritter Stelle der meist bevölkerten Nationen stehen, hinter China und Indien. Sie haben eine Bevölkerung von über 290 Millionen Menschen, verglichen mit Australiens 20 Millionen, Kanadas 32 Millionen und Großbritanniens 60 Millionen. Deshalb könnte man vermuten, dass die USA auf so vielen Gebieten dominieren würden. Jedoch trotz ihrer Größe tun sie es nicht. Sie sind in der Tat ein ziemlich mittelmäßiges Land. Trotz ihrer Größe dominieren sie nicht auf den Gebieten der Naturwissenschaften, der Künste, des Sports oder des Hochschulwesens, wie sie es sollten. Ja, Amerika hat wie jedes andere Land bedeutende Geister und Athleten hervorgebracht, eine ehrliche Übersicht zeigt jedoch an, dass Amerika ziemlich mittelmäßig ist.

Lassen Sie uns den Sport als Beispiel nehmen. Bei der letzen Olympiade hat wohl Amerika insgesamt die meisten Medaillen gewonnen, doch es war Australien, das auf einer pro Kopf – Basis der beste Darsteller war. Australien wurde Vierter mit 16 Goldmedaillen. Das Bevölkerungs-verhältnis zwischen den USA und Australien ist grob gesagt 14:1. Um Australiens Abschneiden zu erreichen, hätten die USA 224 Goldmedaillen gewinnen müssen, nicht nur die 39, die sie gewonnen haben. Lassen Sie es uns andersherum sagen: wenn die USA Australiens Beölkerungszahl hätten, dann hätten sie nur 3 Goldmedaillen gewonnen, und damit wären sie mit Iran, der Türkei und Kasachstan gleich auf.

Die bloße Größe Amerikas verbirgt eine Menge an Sünden.

Es ist eine Menge an Unehrlichkeit dabei, dass Amerika nachgiebig ist. Es verbessert die Geschichte, damit sie zu seinem eigenen aufgeblähten Selbstbild passt. Ein Hauptbeispiel ist der Film U – 571, der von Amerikanern erzählt, die ein deutsches U – Boot abfingen, dass die lebenswichtige Information zum Knacken des Geheimcodes transpor-tierte. Die Wahrheit ist, dass es die Briten waren, die das U – Boot aufbrachten (das eigentlich U – 110 hieß) und den Geheimcode entschlüsselten, bevor sogar die Amerikaner in den Krieg eintraten (denken Sie daran, dass Britannien tatsächlich die Schlacht um England vor Pearl Habour gewonnen hatte). Die Sache ist nur, dass viele Amerikaner diesen Film sehen und glauben werden, er wäre wahr. Immer wieder müssen andere Länder zuhören, wenn Amerika sagt, es habe dies entdeckt oder jenes erfunden, wenn in Wirklichkeit die Ehre anderen Ländern gebührt.

Es ist eigentlich traurig, dass es anstatt die Spitze auf so vielen Gebieten zu erreichen, tatsächlich oft den ersten Preis dafür gewinnt, dass es der Schlechteste in einer Anzahl von Werteskalen ist. Die USA haben die höchsten Kohlendioxyd-Emissionen pro Kopf, den höchsten Energie-verbrauch pro Kopf, die höchste Abfallrate pro Person (720K pro Person), die meisten Todesopfer durch Waffen in Privatbesitz pro Kopf, die korpulenteste Bevölkerung, die größte Einkommensspaltung in der OECD, die größte Rate an Obdachlosigkeit und an relativer Armut pro Kopf, die höchste Selbstmordrate bei Jugendlichen pro Kopf und bei Schießereien an Schulen pro Kopf.

Darf ich vermuten, dass die Mehrheit in Amerika beginnt, immer mehr wie ein gieriges, aufgedunsenes, selbstgefälliges, überschätztes, markt-schreierisches, profilneurotisches Durchschnittsland zu sein ? Ist die Wirklichkeit nicht eher wie Jerry Springer [sehr populärer amerikanischer Talkmaster;d.Ü.] denn wie Ihre aufgeblasene Ode an den amerikanischen Geist ? Vielmehr als in den höchsten Tönen alle Arten von menschlichen Errungenschaften zu loben, haben uns die USA ein Konzept des ‚Daumens nach unten' gegeben.

Ich möchte nicht auf die USA einschlagen. Noch verleugne ich die Fehler meines Landes oder eines anderen Landes. Ich möchte nur Ihren patriotischen Zuckergehalt heruntersetzen.

Zu allerletzt steuern die Vereinigten Staaten weit mehr als jede andere Nation für die UN an so genannten ‚Pflichtanteilen' bei und an internationaler Entwicklungshilfe (so für Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Medizin und Arbeitkräfte), die von den UN gesteuert werden, während die UN selbst uns nur eine Plattform für Nationen verschafft, die Terroristen beherbergen, damit sie ihre anti-amerikanischen Schmähreden an den Mann bringen können.

Schmähreden ? Und Ihr Stück ist keine anti-UN Schmährede ? Lassen Sie uns jedenfalls diese großartige Generosität untersuchen. In Ausdrücken der gesamten Dollarbeträge sind die USA ohne Zweifel der größte Spender von Hilfsgeldern. Doch denken Sie auch daran, dass die USA das weltgrößte Bruttosozialprodukt hat. Sie sind bei weitem die wohlhabendste Nation auf dem Planeten, deshalb sollte das verständlicherweise zu erwarten sein. Lassen Sie mich daher Ihnen eine Frage stellen: Wenn ein armer Mann einen Dollar spendet und ein Milliardär spendiert fünf Dollar, wer ist wohl der Großzügigste ?

Tatsache ist, dass auf einer Pro-Kopf-Basis die USA der knickrigste Hilfsgeber in der OECD ist. Auf dem Weltgipfel in Rio stimmten die Industrienationen überein, die internationale Hilfe auf 0,7% des Bruttosozialprodukts festzulegen. Die einzigen Länder, die dieses Ziel erreichen, sind die skandinavischen Länder. Die USA stehen ganz am Ende mit pathetischen 0,14% (interessanterweise zeigen Umfragen beim amerikanischen Volk, dass sie den Mythos glauben, dass Amerika zuviel an Auslandshilfe gebe, und wenn sie dann gefragt werden. welcher Prozentsatz wohl vernünftig wäre, reichen die Antworten von 1% bis zu 5% des BSP – deshalb denken Amerikaner, dass sie spendabler seien als sie es wirklich sind, aber nicht so großzügig, wie sie selbst meinen, sein zu müssen).

Nun kann man natürlich argumentieren, dass einer der positiven Fakten bei den USA ist, dass sie wirklich einen guten Rang bei der persönlichen Philanthropie haben. Doch sogar wenn Sie die privaten Schenkungen zu den Übersee-Hilfsorganisationen der USA hinzurechnen, schaffen sie es nicht, vom Ende wegzukommen.

Doch es wird noch schlimmer. Die Idee beim Helfen ist es, die zu erreichen, die sie am nötigsten brauchen. Der Hauptanteil der USA-Hilfe ist jedoch politische Hilfe. Sie wird benützt, um Regimes aufzupäppeln, die den USA gegenüber gewogen sind. Sie wird kurz gesagt als eine Ausweitung der Außenpolitik benützt.

Die Weltbank stellt auch fest, dass auf dem Weltwirtschaftsforum in New York im Februar 2002 „[US - Senator Patrick] Leahy bemerkte, dass zwei Drittel der Hilfe des US – Regierung nur an zwei Länder gehe: Israel und Ägypten. Viel vom verbleibenden Drittel wird benützt, um die US – Exporte voranzutreiben oder einen Krieg gegen die Drogen zu führen, der nur gewonnen werden kann, indem man den Drogenmissbrauch in den Vereinigten Staaten in den Griff bekommt.“

Daher sind die USA nicht nur die gierigste Nation auf der Erde in Bezug auf Energie - und Ressourcen – Verbrauch, sie sind auch die knickrigste.

Während die USA große Beträge an militärischer Hilfe an Länder vergibt, die strategisch als unbedeutend angesehen werden, bemerkten andere, dass die USA innerhalb der entwickelten Länder ziemlich unten stehen beim Betrag der humanitären Hilfe, die sie ärmeren Länder verschaffen. „Wir sind die knausrigste Nation von allen,“ sagte neulich der frühere Präsident Jimmy Carter in einer Ansprache beim Principia College in Elsah, Illinois. Christian Science Monitor, am 29.Dezember 1999.

Und was die UN – Verpflichtungen angeht, so sind UN – Verpflichtungen nun einmal auf der Zahlungsfähigkeit begründet. Die USA sind in der Tat als das widerspenstigste Mitglied der UN aufgeführt worden. Sie halten 25% ihrer Verpflichtungen über 1,6 Milliarden $ zurück. Sie machen das, um politischen Druck auf die UN auszuüben.

DIE MÄCHTIGSTE NATION

Deshalb ist es klar, dass die USA bei einer ganzen Menge an Belangen einfach nicht vorherrschend sind. Jeder kann jedoch bereitwillig zustimmen, dass sie die Mächtigsten sind. Sie sind die Nummer Eins in der OECD bei dem Prozentsatz im BSP für militärische Ausgaben. Das gesamte Budget übersteigt tatsächlich die Summe der nächsten acht größten Militärbudgets. Die USA erhalten einen riesigen und dominierenden militärischen Griff auf die Welt aufrecht.

Ist jedoch der amerikanische Geist, den Sie so hoch preisen, dafür benutzt worden, Demokratie zu fördern und guten Willen zu verbreiten ?

Offen gesagt, John, nein, ist er nicht. Nach den Terrorattacken vom 11.9. ging ein üblicher Refrain, dass die Menschen Amerika hassen, weil sie dessen Lebensweise beneiden. Dies ist selbstdienlicher Unsinn. Amerika wird gehasst, weil es seine Macht missbraucht. Als die neue Nation der USA den Westen durch militärische Übermacht von den lästigen Ureinwohnern gesäubert hatte, stand sie im übertragenen Sinn an der Küste von Kalifornien und warf einen gierigen Blick auf den Rest der Welt. Amerika ist eine Expansionsmacht. Von der gröblich imperialistischen Invasion der Philippinen und Kubas zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur umstrittenen Invasion des Iraks am Beginn des 21. Jhdts hat Amerika eine Vorliebe für Kriege auf fremdem Boden gezeigt. Weshalb ? Um der Welt Freiheit zu bringen ? Das ist der Mythos – es ist nicht die Realität. Amerika macht das alles aus einem einzigen Grund. Dominierend zu sein, erlaubt ihm, reich zu bleiben. Wenn Amerika aufrichtig in seinem Bestreben gewesen wäre, der Welt Demokratie zu bringen, dann hätte es völlig anders gehandelt. Im Rest der Welt ist es besser bekannt für seine zynische Unterstützung für Diktaturen und für die Ablösung demokratisch gewählter Regierungen. Können Sie die Tatsachen ignorieren ? Können Sie die Grausamkeiten ignorieren, die der Shah von Iran und Pinochet begangen haben ? Und was ist mit Panama, El Salvador und Haiti ? Was ist mit Vietnam ?

Und was ist jetzt mit dem Irak ? Da die Wahrheit über die Lügen offen vorliegt, da die Wirklichkeit der Inkompetenz des Wiederaufbau - Programms letztendlich verstanden wird, kann da noch irgend jemand glauben, dass der Krieg geplant wurde, um den amerikanischen Geist und Demokratie in den Irak zu bringen ? Und weshalb nur der Irak und nicht die anderen Länder, die unter Diktaturen und korrupten Regierungen leiden ? Wenn Sie im Regierungsbezirk in Bagdad stehen, bemerken Sie, dass alle Ministerien zerstört wurden, alle außer einem, dem Ölministerium.

Weit entfernt davon, ein Fanal der Freiheit zu sein, auch weit entfernt davon, die höchsten Ideale seiner Gründerväter selbstlos zu fördern, ist die Wirklichkeit, dass sich Amerika an dem gleichen schmierigen Spiel gütlich getan hat wie jedes andere Land auch. Es hat für den größtmöglichen Anteil der Ressourcen und des Reichtums der Welt gespielt.

All dies ist sehr gut bekannt. Die beste Zusammenfassung kommt vielleicht von zwei amerikanischen Generalen aus verschiedenen Geschichtsperioden.

Generalmajor Smedley Butler 1934

Da gibt es keinen Trick in dem Füllhorn der Gauner, der der militärischen Bande fremd ist....Es erscheint etwas sonderbar, dass ich als Militär einen solchen Vergleich heranziehe. Wahrhaftigkeit zwingt mich jedoch dazu. Ich verbrachte 33 Jahre und 4 Monate im aktiven Militärdienst, und während dieser Periode verbrachte ich die meiste Zeit damit, ein hochklassiger Mann fürs Grobe für das Große Geschäft, für Wall Street und die Bankiers zu sein. Kurz gesagt, war ich ein Gauner, ein Gangster für den Kapitalismus. Ich vermute, dass ich gerade Teil eines Deals zu jener Zeit war. Nun bin ich mir darin sicher. Wie alle Mitglieder des militärischen Berufs hatte ich nie einen originalen Gedanken, ehe ich den Dienst quittierte. Meine Denkfähigkeiten verblieben in einem Scheintodzustand, während ich den Befehlen der Vorgesetzten gehorchte. Das ist typisch für jeden im Militärdienst.

So half ich dabei, Mexiko und besonders Tampico 1914 für die amerikanischen Ölinteressen zu sichern. Ich half dabei, Haiti und Kuba zu einem hübschen Platz für die Jungs von der National City Bank (Citicorp) zu machen, damit sie die Einkünfte einsammelten. Ich half bei der Vergewaltigung von einem halben Dutzend zentralamerikanischer Republiken zugunsten des Vorteils von Wall Street. Der Bericht der Gaunereien ist lang. Ich half dabei, Nicaragua 1902 bis 1912 für das internationale Bankhaus der Gebrüder Brown zu reinigen. Ich brachte 1916 Licht in die Dominikanische Republik für die amerikanischen Zuckerinteressen. 1927 half ich in China dafür zu sorgen, dass Standard Oil unbehelligt seinen Weg gehen konnte.

General David M. Shoup 1966

Ich glaube, dass sie eine eigene Lösung erreichen können, wenn wir unsere schmutzigen, blutigen, Dollar-gekrümmten Finger aus den Angelegenheiten dieser Nationen, so voll von niedergedrückten, ausgebeuteten Menschen, herausgehalten hätten und heraushalten würden. Eine Lösung, die sie entwerfen und wünschen, eine für die sie kämpfen und arbeiten. Und wenn unglücklicherweise ihre Revolution eine gewaltsame sein muss, weil die ‚Habenden' sich weigerten, auf eine friedliche Weise mit den ‚Habenichtsen' zu teilen, werden sie wenigstens ihr Eigenes bekommen und nicht den amerikanischen Stil, den sie nicht haben wollen und vor allem nicht durch die Amerikaner in den Hals hineingestoßen bekommen wollen.

DER WAHRE GEIST VON AMERIKA

Amerika hat ebenso die niedrigste Wahlbeteiligungsrate in der OECD. Weniger als 50% der Wahlberechtigten sind zur letzten Präsidentschaftswahl gegangen. Ist das der amerikanische Geist ? Ist diese Art Apathie eine Indikation für die amerikanische Vorherrschaft ?

Die letzte Präsidentschaftswahl hat lediglich alles gezeigt, was bei der amerikanischen Demokratie falsch ist und was verändert werden muss. Traurigerweise, John, mögen Sie mit diesen Fakten nicht vertraut sein. Die ‚freien' amerikanischen Medien zogen es vor, den wirklichen Skandal der Wahl in Florida zu ignorieren. Es geht nicht um nicht ganz ausgestanzte Löcher [Genaueres bei www.google.de unter ‚hanging chads';d.Ü.] und Wahlmaschinen, es geht um die Tatsache, dass Tausenden von Schwarzen das Stimmrecht abgesprochen wurde, indem sie auf inkorrekte und ungesetzliche Weise von den Wählerlisten gestrichen wurden, weil sie angeblich Schwerverbrecher waren. Sie sehen, dass es sich so verhält, dass es immer noch einige Rückbleibsel von diskriminierenden Gesetzen in den Südstaaten gibt. Diese Gesetze halten Schwerverbrecher von den Wahlen ab mit dem klaren Verständnis, dass die Mehrheit der Schwerverbrecher in Amerika Schwarze sind, ein soziales Phänomen, das ein direktes Ergebnis von Rassismus ist. Doch Florida erhob es auf eine neue Ebene. Es authorisierte Database Technologies, Floridas Wählerlisten zu durchforsten, um Schwerverbrecher zu entfernen. Das Ergebnis war, dass 90% der Liste falsch war. Es bedeutete, dass Tausenden von Wählern der Demokraten auf illegale Weise das Wahlrecht entzogen wurde. Bush gewann Florida mit nur 537 Stimmen.

Nun ist es nicht diese Tatsache, die so außergewöhnlich ist, sondern dass die Person, die mit der Wahl in Florida befasst war und DBT konsultierte, eine Republikanerin und Mitglied des Kommitees zur Wiederwahl von Bush war: Kathryn Harris.

Ein weiterer Mythos der amerikanischen Politik ist, dass jeder Präsident werden könne. Das ist nun klar erwiesen falsch. Man muss sehr wohlhabend sein und eine sehr wohlhabende Körperschafts-Unterstützung haben, um überhaupt eine Chance zu haben, Präsident zu werden.

Kurz gesagt: eine Minderheit von wahlberechtigten Bürgern hat gewählt, und der Kandidat mit der Minderheit der nationalen und Florida - (und deshalb Hochschul-) Stimmen hat gewonnen – mit anderen Worten: eine Minderheit einer Minderheit hat gewonnen. Was war Bushs rettende Gnade ? Haufenweise Geld – wahrhaftig der amerikanische Geist.

Australien hat zum Vergleich eine unabhängige Wahlkommission, um Wahlen durchzuführen und setzt das Wahlgesetz rigoros durch. Es wäre einfach nicht möglich für ein Parteimitglied, die Wahlen zu beaufsichtigen. Darüber hinaus verlangen die Wahlfinanzierungs - Regeln eine völlige und ehrliche Offenlegung der Wahlfinanzierung, und die Weise, wie Wahlen öffentlich finanziert werden, lässt jeden zu, der die Fähigkeit mitbringt, in den Rängen der politischen Parteien aufzusteigen. Der frühere Premierminister von Australien Paul Keating wurde im Arbeitervorort von Bankstown geboren. In Australien ist es wirklich jedem möglich, der Führer des Landes zu werden.

John, Amerika mag auf großen Idealen gegründet worden sein, doch es hat miserabel versagt, diesen Idealen gerecht zu werden.

Und das ist das System, das nach Ihrer Meinung die Welt übernehmen sollte ?

GOTT UND AMERIKA

Gott ist die erschaffende und überspannende Realität im Kosmos, und Amerika ist die bewusst konstruierte Widerspiegelung davon. Wenn wir anerkennen, dass Gott der Grund für unsere Existenz ist und dass wir immer in der Gegenwart Gottes sind, müssen wir das für andere ebenso anerkennen. Wir sind alle Kinder von Gottvater.

Das Regierungssystem, das für Amerika erdacht wurde, passt viel enger zu den Prinzipien des Operationssystems des Universums als jede andere Form politischer Organisation, und deshalb spiegelt es am genauesten wider, was manchmal „die Regierung Gottes“ genannt wird – das heißt die Gesetze, die den Kosmos regieren, die Struktur und den Prozess des Kosmos, die Art und Weise, wie die Wirklichkeit arbeitet.

Von allem verblendeten Material in Ihrem Brief müsste dies wohl das empörendste sein. Doch das ist nicht erstaunlich. Einer der Haupteinflüsse auf den amerikanischen Mythos ist die Bemerkung, dass Gott Amerika irgendwie über allen Nationen ausgewählt hat. Viele Amerikaner glauben ernsthaft, dass ihre Nation eine besondere gottgegebene Mission habe, eine manifeste Bestimmung. Was für ein abgefeimter Schund.

Doch es ist nicht dieses Stück aufgeblasenen Denkens, das mich stört, sondern Ihr völliges Verfehlen bei der Unterscheidung der verschiedenen Konzepte von Gott, die in Wilbers Modell enthalten sind. Ungeachtet der Tatsache, dass Sie das Nichtduale akzeptieren, hängen Sie an der mythischen Ebene Gottes fest. Lassen Sie mich diese Frage stellen: wenn die wahre Realität des Göttlichen Leerheit ist, wie kann ein Regierungssystem darauf gegründet sein ?

Ich meine mich zu erinnern, dass zahlreiche Könige und Kaiser glaubten, göttlich zu sein. Der chinesische Kaiserhof war nach dem himmlischen Hof des Jade-Kaisers gestaltet. König Ludwig XIV, der Sönnenkönig und Kardinal Richelieu schufen den Begriff des göttlichen Rechts. Verschiedene römische Kaiser machten sich selbst zu Göttern. Wie wir wissen, ist das alles einfach nur psychologische Projektion und inflationäres ‚mythisches' Denken. Das Gleiche entspricht der Idee, dass der amerikanische Geist irgendwie göttlich sanktioniert sei.

Das Potenzial spiritueller Verwirklichung gehört zur gesamten Menschheit.

Doch was sollen wir mit dem religiösen Beitrag Amerikas beginnen ? Infolge seiner riesigen Bevölkerung und seines Reichtums hat es eine große Anzahl fremder und neuer Religionen angezogen. Buddhismus, Hinduismus und so weiter können sich die Errichtung von Ashrams und Lehrinstitutionen leisten. Lassen Sie uns eine Rechnung aufmachen. Wenn 5% der Australier an einer neuen Religion interessiert sind, dann sind das 1 Million Menschen, doch wenn nur 2,5% der Amerikaner in gleicher Weise interessiert sind, entspricht das 7,25 Millionen Menschen, was ein bedeutender ‚Markt' ist. Doch ich meine, Sie bemerken wieder, dass Amerika gemäß Pro-Kopf-Erhebung nicht der größte Annehmer von ‚neuen' Religionen ist. Es sieht nur so aus. Amerika ist tatsächlich für seine begeisterte Unterstützung des christlichen Fundamentalismus bekannt. Es ist vor allem die Heimat von Kreationismus [der Glaube, dass der biblische Schöpfungsbericht buchstäblich der Wahrheit entspricht; d.Ü.] und Evangelismus [Ausbreitung des Christentums durch die Aktivität von Evangelisten; d.Ü.]. Amerika verbleibt eine religiös konservative Gesellschaft und sein Gottesverständnis ist weitgehend magisch und mythisch. Über etliche Jahre hat eine Gallup-Umfrage durchweg angezeigt, dass annähernd 47% der Amerikaner glauben, dass Gott den Menschen gemäß der Erzählung in der Genesis geschaffen hat. Wie kommt es, dass trotz unbestreitbarer Beweislast vom Gegenteil so viele Amerikaner noch an eine mythische Sicht der Geschichte glauben ?

Und das Allereigenartigste dabei ist, dass Sie immer noch eine Debatte über die Trennung von Kirche und Staat haben – das letzte Beispiel von Hysterie ist eine Debatte über eine Inschrift der Zehn Gebote im Obersten Gericht in Alabama.

EINE-WELT-REGIERUNG

Sie heben sich die gehässigste Polemik für die Bemerkungen auf. Sie enthalten eine wütende Attacke auf die UN, über die jedes fanatische Mitglied der Bürgerwehr in der Wildnis von Montana stolz wäre.

Schauen Sie, es gibt keinen Zweifel, dass die UN eine zutiefst fehlerhafte Organisation ist, in Wahrheit können jedoch viele dieser Fehler der UN dem internationalen politischen Taktieren zugeschrieben werden, dessen Hauptschuldiger die USA sind. Wie ich bereits ausgeführt habe, verfolgen die USA eine willkürliche Politik beim Hemmen von Zuwendungen an die UN. Die Etatknappheit hat verschiedene UN-Operationen ernsthaft gefährdet. Doch wenn es darum geht, die UN zu manipulieren und unter Druck zu setzen, damit sie den Wünschen Amerikas nachgeben, und mit Hinsicht auf den Gebrauch ihres Vetorechts im Sicherheitsrat stehen die USA an erster Stelle.

Jedes Misslingen der UN-Politik ist ein Misslingen der US-Außenpolitik. Wenn die UN versagt, dann deshalb, weil die USA es so wollen.

DIE VEREINIGTEN STAATEN DER WELT ?

Wie steht es um den Commonwealth der Welt ? Ich bin in die USA gereist und habe dort sechs Monate gelebt. Ich habe auch mit vielen Amerikanern gesprochen, die Australien besucht haben. Bei Unterhaltungen kommt gewöhnlich ein Vergleichen von Ländern auf. Der Haupttenor dieser Gespräche kann wie folgt zusammengefasst werden: ‚Ich habe immer nach der Erfüllung des amerikanischen Traums gesucht, nun habe ich sie gefunden – es ist Australien.' Natürlich werden solche Gefühle nicht mit Heimweh und Gewohnheit fertig, doch sie erzählen eine Geschichte. Einige Länder sind beim amerikanischen Traum besser als Amerika.

Sehen Sie, während Ihr Burschen durch einen Unabhängigkeitskrieg und einen Bürgerkrieg gegangen seid, haben sich die Commonwealth-Länder auf ihre eigene stetige Weise entwickelt. Wir haben das Westminster-System übernommen und die Kirche vom Staat getrennt und eine unabhängige Justiz geschaffen. Australien, Großbritannien, Kanada und Neuseeland haben die gleichen Freiheiten wie die Amerikaner. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte Australien sogar den höchsten Lebensstandard in der Welt. Und hier ist noch etwas: Bei fast allen gesellschaftlichen Bewertungen tendieren wir dazu, jederzeit besser als die USA zu sein. Ich erwähnte weiter oben, dass die USA bei der Schreib – und Lesefähigkeit an 7. Stelle stehen, also Neuseeland steht an 1. Stelle, Finnland an 2., Australien an 3. und Kanada an 4. Stelle. Unsere Regierungen sind sehr stabil und unsere politischen Systeme sehr offen. Wir haben keine Premierminister oder nationale Führer ermordet, und unsere Kriminalitätsrate ist niedriger.

Wenn wir deshalb daran gehen, ein Modell der Weltregierung nach einem bestimmten System zu schaffen, dann sollten wir das Commonwealth-Modell über das US-Modell stellen. Vielleicht sollten die USA das Westminster-System und die australischen Wahlgesetze übernehmen ? Offensichtlich machen wir eine Menge richtig.

Wir könnten auch einen Blick auf die auftauchende EU werfen. Der Euro hat dem Dollar sicherlich eine ernsthafte Konkurrenz verschafft, und es kann leicht festgestellt werden, dass Europa bei weitem ein Platz mit mehr Kultur ist.

Doch ich habe eine bessere Idee. Es ist eine Tatsache, dass einige Länder in einigen Angelegenheiten besser sind als andere Länder. Australien hat noch eine hohe Schwangerschaftsrate bei Teenagern (Ihre ist immer noch die höchste), doch einige europäische und skandinavische Länder haben sehr niedrige Raten. Das Bindeglied scheint die Sexualerziehung in den Schulen zu sein, wenn man offen und ehrlich ist.

Sollte ein integrales Modell nicht das Beste aus der Welt entleihen, sogar wenn das einige hochgeschätzte nationale Anmaßungen in Frage stellt ?

Würde eine integrale Welt nicht darauf zielen, das Beste vom menschlichen Geist zu fördern, anstatt trügerischem Eiferertum unter dem Banner eines unechten nationalen Geistes nachzugeben ?

Sehen Sie: um integral zu sein, müssen Sie den Mut haben, Fehler einzugestehen und die rigorose Ehrlichkeit zu haben, die Wahrheit realistisch einzuschätzen. Ihr offener Brief hat nichts dergleichen getan. Im Mittelteil gingen Sie durch einen ziemlich unaufrichtigen Prozess von verschrobener Logik und Verdrehung beim Versuch, den amerikanischen Patriotismus als einzigartig neu zu definieren und ihn von Nationalismus, Chauvinismus und Hurrapatriotismus zu trennen. Ja, richtig. Wissen Sie was, John ? Niemand außerhalb des Kreises der romantischen amerikanischen Revisionisten kauft Ihnen das ab – und sicherlich nicht außerhalb der USA. In der Tat liest sich Ihr Brief genau wie das Wesentliche vom Hurrapatriotismus und Chauvinismus. Lassen Sie mich Sie daran erinnern, was Chauvinismus bedeutet – er ist „enthusiastische Verehrung einer Ursache“ und „ein selbstgefälliger, irrationaler Glauben an die Überlegenheit der eigenen Rasse, Partei oder des Geschlechts“ (Oxford).

Sie haben kein Recht, Ihre ultra-nationalistische Schmähschrift als integral zu bezeichnen.

Nachtrag 1 über Sklaverei

Als ich meine Antwort an John White schrieb, habe ich das ziemlich rasch getan. Ich hatte nicht die Zeit für eine detaillierte Recherche. Ich dachte, es wäre die Sache wert, einige der Aussagen wieder zu betrachten. Dieser Anhang schaut etwas dichter auf Whites Behauptung, dass Amerika für die Abschaffung der Sklaverei verantwortlich ist. Jeder Geschichtsstudent weiß, dass das absurd ist. Tatsächlich geschah an einem Punkt in seiner Geschichte, dass die Gründungsväter von Amerika wirklich eine Sklavenrevolte im Stich gelassen haben. Lassen Sie uns nochmals Whites Ausführung betrachten:

Sklaverei ist zum Beispiel eine jahrtausendalte weltweite Institution, doch Amerika hat sie durch einen großen Bürgerkrieg abgeschafft, der die Abschaffung als ein Recht für die ganze Welt etablierte. Seit 1865 ist das Übel jener Institution durch Amerika auf das Bewusstsein der Menschheit aufgestempelt worden.

Achten Sie darauf, dass White behauptet, dass es der amerikanische Bürgerkrieg war, der die Abschaffung als ein Recht für die gesamte Welt einsetzte, ein Recht, „das auf das Bewusstsein der Menschheit aufgedrückt wurde." Was White jedoch entweder nicht weiß oder vorzieht zu ignorieren, ist dass Britannien die Sklaverei im britischen Empire 1833 abgeschafft hat – volle 30 Jahre ehe die Yankees die Südstaaten durch einen blutigen Bürgerkrieg zwingen mussten. Wir müssen wirklich darüber nachsinnen, was das bedeutet. Die Abschaffungsbewegung war in England begründet worden. Sie fand sofort einige Unterstützung in Amerika bei den aufgeklärteren Kolonisten. Doch was der Geschichtsverlauf uns zeigt, ist dass wegen des Unabhängigkeitskrieges die Sklaverei in Amerika länger bestand, als sie es andererseits getan hätte. Wäre Amerika eine Kolonie geblieben, dann wären die Sklaven eher befreit worden.

Die wahre Geschichte von Amerika und der Sklaverei ist sogar noch schauerlicher als das. Die amerikanische Regierung ist wirklich gegen die Sklavenrebellion von Haiti 1791 eingeschritten. Washington als auch Jefferson waren besorgt wegen der Folgen der Rebellion auf den amerikanischen Sklavenhandel. George Washington schrieb im September 1791 an Jean Baptiste de Tenant, den französischen Minister, und versprach, keine Zeit zu verlieren beim Abfassen von Anordnungen, Geld und Truppen zu beschaffen, die von den Franzosen zur Unterdrückung der Rebellion erbeten wurden. „Ich bin sehr glücklich über die Gelegenheit, bestätigen zu können, wie sehr die Vereinigten Staaten geneigt sind, jede Hilfe, die in ihrer Macht steht, unseren guten Freunden und Allierten, den Franzosen, zur Verfügung zu stellen, um die ‚beunruhigende Erhebung der Neger in Hispanola' niederzudrücken und über die bereitwillige Veranlassung, sie wirksam werden zu lassen, mit der exekutiven Authorität dazu."

Eine andere Quelle vermerkt:

Nach dem Historiker Douglas Egerton: „ Jefferson war entsetzt darüber, was auf Santo Domingo (Haiti) geschah. Er berichtete über Toussaints Armee als Kannibalen. Seine Befürchtung war, dass schwarze Amerikaner, wie Gabriel [schwarzer Rebellenführer 1799-1800 in Richmond, Virginia;d.Ü.], davon angeregt werden könnten, was sie gerade vor der Küste Amerikas geschehen sahen. Und er verbrachte buchstäblich seine gesamte Karriere damit zu versuchen, jeden Kontakt abzublocken, und deshalb auch jede Nachrichtenbewegung zwischen Amerika und der karibischen Insel. Er beschwor den Kongress, den Handel zwischen den Vereinigten Staaten und dem Land einzustellen, das nach 1804 das unabhängige Haiti war. Er argumentierte, dass Frankreich glaubte, immer noch das Land zu besitzen. Kurz: er bestritt, dass die haitanischen Revolutionäre das gleiche Recht für Unabhängigkeit und Autonomie hätten, das er für die amerikanischen Patrioten beanspruchte. Und konsequenterweise wurde 1805 und endgültig 1806 der Handel zwischen den Vereinigten Staaten und Haiti formell beendet, was die bereits schwache Wirtschaft Haitis völlig lahmlegte. Und natürlich argumentierte Jefferson dann, dass dies ein Beispiel dafür sei, was geschehen würde, wenn Afrikaner sich selbst verwalten: wirtschaftliche Verwüstung, zum großen Teil verursacht durch seine eigene Politik. (Douglas A. Egerton, Professor der Geschichte, Le Moyne College Öffentlicher Radiodienst, Afrikaner in American Resource Bank [Genaueres auch zu Gabriels Rebellion s. www.google.de; zu American Resource Bank; d.Ü.]).

Doch obschon die Amerikaner daran interessiert waren, die Franzosen bei der Unterdrückung der Sklavenrebellion zu unterstützen, waren sie zunehmend besorgt über den Fortschritt der französischen Revolution selbst. Der Grund war wohl, dass sie über die Tatsache besorgt waren, dass der französische Nationalkonvent, damals von Robespierre beherrscht, 1794 die Emanzipation aller Sklaven in den Gebieten der französischen Republik verfügte.

Weshalb handelte die französische Revolution, um Sklaven zu befreien und die amerikanische Revolution tat dies nicht ? Die Antwort ist einfach. Im Unabhängigkeitskrieg ging es weniger um Ideale, sondern mehr darum, die Amerikaner für den Handel frei zu machen. Die Existenz von Sklaven war wesentlich für das wirtschaftliche Wohlergehen der amerikanischen Wirtschaft. Wir reden nämlich über eine Nation, deren erste Adresse, das Weiße Haus, mit Hilfe von Sklavenarbeit erbaut wurde. Sklaven, die von Pierre l'Enfant [Major der amerikanischen Armee und Ingenieur mit dem Auftrag, Washington zu gestalten] von ihren Eigentümern ausgeliehen wurden, begannen mit der Arbeit bei der Konstruktion des Weißen Hauses. „Weil alles sehr schnell fertiggestellt wurde, mussten es sehr viele sein; ihre Arbeitsbedingungen vom Morgengrauen bis zur Dunkelheit unter dem Kommando des rauen, saufenden James Dermott kann man sich nur vorstellen." Wegen des Mangels an gelernten Arbeitskräften in Washington DC musste der oberste Steinmetz des Weißen Hauses, Collen Williamson, ausgeliehene Sklaven direkt im Steinbruch anlernen, damit sie Steine brachen, um die Fundamente des Weißen Hauses zu bauen. (Das Haus des Präsidenten: eine Geschichte von William, Seale und Harry N. Abrams, historische Vereinigung des Weißen Hauses in Kooperation mit der Nationalen Geographie-Gesellschaft, 1986, Band 1, Seiten 38, 50, 52, 57, 60).

Und was ist mit Kanada ? Die damalige Provinz vom Oberen Kanada (später Ontario) verabschiedete 1791 ein Gesetz, das die allmähliche Abschaffung der Sklaverei einsetzte. Die Wirkung war, dass Sklaven in dieser Region frei waren, lange bevor Großbritannien 1833 die Sklaven befreite.

Daraus geht klar hervor, dass Amerika sich Zeit ließ anstatt eine Führungsrolle in der Welt zu haben. Die Sklaverei war für Amerika zu profitabel, um aufgegeben zu werden. Es verzögerte so schlimm, dass es einen blutigen Bürgerkrieg ausfechten musste, weil so viele die Sklaven nicht freisetzen wollten. Damals erlebte New York einen ernsthaften Aufstand, weil viele sich gewaltsam der Einberufung widersetzten. Das Ideal der Freiheit für die Schwarzen war weit entfernt von ihrem Denken, wie der neue Film ‚Gangs of New York' hervorhebt. Und nach dem Krieg kämpfte der Süden eine Nachhut-Kampagne ein weiteres Jahrhundert lang. Amerika hat erst vor kurzem die Nachkommen einer Liaison Jeffersons mit einer Sklavin anerkannt. John White revidiert einfach die amerikanische Geschichte, um sie seiner idealisierten Vision anzupassen.

Quellen: http://www.innercity.org/holt/slavechron.html
http://www.english.northwestern.edu/llipking/18thc/slavery/
http://www.anti-slaverysociety.addr.com/huk-wilberforce.htm

Nachtrag 2 über die amerikanischen Einheimischen

Ich habe bereits erwähnt, dass John White über die Tatsache der Widerspenstigkeit Amerikas bei der Beendigung der Sklaverei hinweggeht. Es ist wenig bekannt, dass amerikanische Einheimische ebenso versklavt wurden.

Die Geschichte Amerikas ist die Geschichte der Enteignung und der Übervorteilung der amerikanischen Einheimischen. Ein Teil des amerikanischen Mythos beinhaltet das verschämte Herunterspielen dessen, was effektiv eine massive Landnahme war. Um das zu erreichen, hat die Regierung eine Verschwörung zur Dämonisierung der amerikanischen Einheimischen in Gang gesetzt. Sogar heute noch kämpfen die amerikanischen Einheimischen gegen das Hollywood-Image von Cowboys und Indianern. Und es gibt ein kollektives Verleugnen des Grades, wie viele Stammesgruppen verfälscht dargestellt wurden. Das Buch ‚Vergessene Gründer: Benjamin Franklin, die Irokesen und das Grundprinzip für die amerikanische Revolution' von Bruce Johansen beschreibt, wie Franklin die Konföderation der sechs Stämme bewunderte und wie sie sein politisches Denken inspirierten. Die Tragödie der Konföderation war, dass sie im Unabhängigkeitskrieg auf der Seite der Briten stand und von Washington besiegt wurde. Vielleicht verstanden sie, dass sie unter den Briten besseren Schutz hatten und sie wussten, wie landhungrig der durchschnittliche Amerikaner war.

Dieser Link http://www.fordham.edu/halsall/mod/iroquois.html erklärt, dass die irokesische Föderation eine Verfassung hatte, die begann: „Wir, das Volk, um eine Union zu bilden..."

Weiß John White überhaupt, dass ein Teil seines mythischen Geistes von Amerika einen Anteil der irokesischen Konföderation verdankt ?

Auch andere Nationen der Einheimischen waren gut organisiert. Archäologen haben große stadtähnliche Siedlungen im Mississippi-Delta entdeckt. Der folgende Link beschreibt im Einzelnen das traurige Ende der Cherokee -, Choctaw - und Seminole – Völker:

http://www.pbs.org/wgbh/aia/part4/4p2959.html

Es ist die Geschichte, wie weiße Siedler ihr Land besetzten und wie Präsident Andrew Jackson sie betrog und sie weiter nach Westen zwang, der schändliche ‚Zug der Tränen'. Die Tragödie ist, dass später diese Gruppen noch weiter enteignet wurden, als die Siedler nach Westen zogen. Einheimische Amerikaner wurden in entfernte Reservate und schlechte Farmgründe gedrängt. Das beste Land wurde für die amerikanischen Siedler eingenommen. Wie konnte ein Volk erwarten, materiell voranzukommen, wenn es auf unwirtliches Land gestoßen wurde, wenn ihnen die Jagdrechte genommen und sie absolut diskriminiert wurden ?

Jeder Stamm hat eine Geschichte der Enteignung und der Nichteinhaltung von Verträgen.

Doch damit hört es nicht auf. Die Regierung hat einen Indianischen Treuhandfond eingesetzt, der damit befasst war, die Verträge durchzuführen und eine faire und saubere Zahlung der fälligen Entschädigungen an die einheimischen Amerikaner sicherzustellen. Wegen der grundsätzlichen Missachtung der Rechte der einheimischen Amerikaner ist dieser Fond vernachlässigt worden. Das Ergebnis ist, dass die einheimischen Amerikaner um Milliarden von Dollars rechtmäßig verdienter Entschädigungen für Schürfrechte bei Minen, Landverpachtung und so weiter betrogen wurden. Die Regierung hat die einheimischen Amerikaner immer wieder wirkungsvoll betrogen.

Siehe diese Links:

http://www.monitor.net/monitor/free/biatrustfund.html
http://www.indiantrust.com/

Das Bild, das von diesem Material und dem Material über die Sklavenhaltung entsteht, ist dass der wahre amerikanische Geist aus einer expansionistischen Gier nach Reichtum besteht.

Die wahre Geschichte der amerikanischen Sklavenhaltung ist so, dass die Amerikaner der Emanzipation widerstrebten, weil der weiße amerikanische Wohlstand auf der Sklavenhaltung basierte. Sie benützten sie, um in die indianischen Territorien zu expandieren. Nachdem Britannien alle Sklaven im britischen Empire befreit hatte, gebrauchte Amerika immer noch Sklavenarbeit auf den neu erworbenen Baumwollfarmen auf ehemaligen indianischen Landbesitzen.

Die Expansion nach Westen ging direkt zu Lasten der einheimischen Amerikaner, denen immer noch nicht die ihnen gesetzlich zustehenden Entschädigungen gezahlt wurden. Es war ein Diebstahl großen Stils.

Die wirkliche Geschichte ist nicht, dass einheimische und Afro-Amerikaner schließlich das Wahlrecht bekamen, sondern dass es so lange dafür gedauert hat. Die wirkliche Geschichte ist der Widerstand gegen die Abschaffung der Sklaverei und der systematische Raub von indianischem Land.

Ray Harris, August 2003