INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber
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Mark Edwards ist M.Psych. in Entwicklungspsychologie der Universität von West Australien. Über zwanzig Jahre hat er mit behinderten Menschen gearbeitet. Derzeit schreibt er ein Buch über die Interpretation Heiliger Schriften aus Integraler Perspektive. Er kann erreicht werden unter [email protected] , Graduate School of Mangement, University of Western Australia.
ZU EINER INTEGRAL INFORMIERTEN ANALYSE DES TERRORS
Mark Edwards
Die Bombenanschläge von London sind eine Tragödie. Das andauernde Chaos im Irak kostet viele Menschenleben und schädigt die irakische Zivilgesellschaft unglaublich. Solche entscheidenden und herausfordernden Ereignisse müssen mit aller Vernunft, Entschlossenheit und Einsicht kritisch analysiert werden, die wir nur aufbringen können. Wie können wir nun solche Gewalttaten sinnvoll deuten, so dass wir alle darin enthaltenen Themen verstehen können? Es gibt eine Vielzahl an Methoden zum Verständnis und zur Erklärung von politischer Gewalt, kulturellem Fanatizismus und Staatsterror – manche sind stichhaltig, manche beinhalten ein Körnchen Wahrheit und manche sind eher Schönrednerei. Werkzeuge, die wir zur Analyse von Terrorismus verwenden, müssen mit der Komplexität und der multiperspektivischen Natur dieses Biests mithalten können. Typischerweise sind die Werkzeuge, die von den meisten Kommentatoren verwendet werden, weit von diesem Ziel entfernt. Fast alle Reaktionen und Analysen, die ich über die Londoner Bombenanschläge gelesen und gehört habe, sind nur aus einer Perspektive heraus verfasst, oder sie sind hinsichtlich der behandelten Themen sehr beschränkt, oder sie verwenden nur eine selektierte und meist sehr kleine Zahl an Erklärungsfaktoren. Und natürlich können sie deshalb dann schrecklich in die Irre führen. Und daraus folgt dann auch, dass solche Kommentare und Analysen nicht viel Sinnvolles produzieren, und sie verursachen gleichviel Verwirrung wie viele andere auch, und manchmal verschlimmern sie das Problem sogar.
Wenn ich nun auf die hohe Komplexität dieses Falls hinweise, so sage ich damit nicht, dass wir keine klaren Entscheidungen darüber treffen könnten, wie damit umzugehen sei. Nur muss zuerst einmal unsere Analyse den Anforderungen entsprechen. Sie muss multiple Faktoren berücksichtigen. Die Linse des Integralen Ansatzes bietet eine umfassende Interpretationsbasis für diese komplexen Fälle. Sie kann viele jener Faktoren beinhalten, die die soziale Gewalt nähren, aufrechterhalten und vergrössern. Doch der Integrale Ansatz ist in sich selbst ein komplexes Ding. Es ist aus vielen theoretischen Prinzipien und Konstruktionen zusammengesetzt. So z.B. wenn wir ein komplexes soziales Ereignis betrachten und es einfach in Begriffen von Stufen der Entwicklung analysieren, so heisst das nicht, dass wir dieses Ereignis aus Integraler Sicht begreifen. Zum Thema Terrorismus habe ich einige Analysen, Abhandlungen und Essays gelesen, die behaupten, in gewisser Weise integral zu sein, und die doch nur sehr wenige Aspekte dieses Rahmenwerks anwenden. Typischerweise werden in diesen Essays nur Stufen der Entwicklung verwendet. Im Fall von Spiraldynamik wird nur allzu oft einzig das Auftauchen der Werte-Mems als Basis zum Verständnis von Terrorismus verwendet. Neben diesem Schwerpunkt auf Stufen gibt es noch ein weiteres Charakteristikum, das diese Analysen gemeinsam haben. Das ist die häufige Zurückweisung und Verdammung von pluralistischen und relativistischen Blickwinkeln auf Terrorismus. Diese beiden Faktoren – das Beschränken auf die Entwicklungsstufen zur Erklärung von Terrorismus und die Ablehnung der pluralistischen und relativistischen Perspektiven, sind die beiden Seiten der vermeintlich integral-informierten Sichten, die ich hier behandeln möchte.
Wie aus meinen anderen Arbeiten über integrale Annäherungen an Terrorismus entnommen werden kann, betrachte ich mit Sorge aber auch mit Verständnis die Tendenz bei integralen Theoretikern und Anwendern, Terrorismus und seine Ursachen in Begriffen von Entwicklungsstufen zu erklären (typischerweise indem sie die Farbenlehre von Spiraldynamik verwenden). Doch integrale Theorie hat viel mehr Werkzeuge in seinem Köfferchen als bloss die Entwicklungsstufen. Neben den Stufen der Entwicklung enthält der integrale Ansatz auch Quadranten, Perspektiven, Linien, Typen, Dynamiken, Zustände, Lernprozesse, Austauschverhältnisse und multiple Kombinationen dieser Erklärungswerkzeuge. Keiner dieser Aspekte des integralen Ansatzes ist hierarchisch, emergierend, sich entwickelnd oder entfaltend. Warum dann analysieren wir so oft den Fall Terrorismus (aber auch andere komplexe soziale Ereignisse) so simpel in Begriffen der Entwicklungsstufen von Individuen (üblicherweise die Terroristen) und Kollektiven (üblicherweise westliche Nationen)? Warum begnügen wir uns so karg mit den Stufen, wenn doch integrale Theorie von so viel mehr handelt? Wenn wir bloss einen Aspekt des integralen Rahmens bei Vernachlässigung der anderen verwenden, dann wird unsere Analyse kaum integral sein. Ich würde meinen, wenn wir bloss Ebenen verwenden, um soziales Verhalten zu erklären, so sind wir reduktionistisch. Im Bereich kultureller Studien wird dies als Art Entwicklungsfetischismus oder Evolutionismus bezeichnet. Ich sehe solch begrenzte Analysen einfach als zu enge und unglückliche Verwendung eines integralen Ansatzes.
Doch warum verwenden wir so oft und so bereitwillig die Entwicklungsstufen, um Terrorismus zu analysieren? Ich sehe zwei Hauptgründe, warum man sich mit der Einfachheit begnügt, die durch eine Analyse der „Entwicklungsstufen“ geliefert wird. Der erste hängt mit unseren Schwierigkeiten zusammen, die wir mit der Komplexität eines integralen Ansatzes haben. Was hier passiert, ist eine simple Reduktion der komplexen Nuancen des integralen Ansatzes auf Entwicklungsebenen und Werte-Mems, und ein Vorgeben, „integral“ zu sein. Da die meisten integral mit Entwicklungsstufen assoziieren, verwenden wir nur diesen Aspekt des Modells, wenn wir versuchen, etwas zu verstehen. Der zweite Grund hängt zusammen mit unser eigenen Kapazität, integrale Ideen in unserem eigenen Denken anzuwenden. Nehmen wir uns den ersten Grund für Reduktionismus zuerst vor.
1. REDUKTION VON INTEGRAL AUF ENTWICKLUNGSSTUFEN
(WERTE-MEM-FARBEN, EBENEN, WELLEN, ETC)
Der integrale Ansatz wimmelt von vielen interagierenden Subsystemen – AQAL heisst nicht nur Alle Quadranten, Ebenen, Linien, Typen, Zustände, sondern heißt auch Alle Dynamiken, alle Perspektiven, Alle Aktivitäten. Viele von uns sind einfach nicht vertraut mit den analytischen Potentialen des Ansatzes, und oft reduzieren wir das Modell auf die Entwicklungsstufen der Spirale, einfach weil wir diese als entscheidende Merkmale des Modells ansehen. Und so wird unsere Analyse des islamischen Terrorismus reduziert auf ihre Memestacks und unsere Memestacks, ihre Werte und unsere Werte, reduziert auf ihren ansteckenden Virus ihres fundamentalistischen Glaubenssystems und unsere Notwendigkeit uns zu verteidigen und unsere modernen Glaubenssysteme hochzuhalten. Wenn wir Terrorismus reduzieren auf den Zusammenprall zugrundeliegender Entwicklungsstufen, so werden sich unsere Lösungen darauf konzentrieren, wie man sie und die Kulturen und Gesellschaften, die Terrorismus „ausbrüten“ (mit ihren alten anachronistischen Werten/ Ebenen/ Werte-Mems), dazu bringt, mehr wie wir zu werden – modern, demokratisch und mitfühlend (mit unseren noch unvollkommenen, aber viel weiter entwickelten modernen und postmodernen Wertsystemen). Nun können diese Analysen zwar gewissen Wert haben, aber nur in einem Gesamt-Kontext, der die Komplexität der beteiligten Themen beinhaltet. Wenn nicht in weitgestreutem analytischem Kontext eingebettet, kann das Begnügen mit relativen Entwicklungsstufen vollkommen fehlleitend und sehr leicht schädlich sein - ähnlich wie wenn man sich nur auf den IQ verlässt, um Intelligenz zu verstehen.
Solche Analysen erkennen nicht, dass es beim Terrorismus-Thema NICHT nur geht um Entwicklungsstufen in Wertsystemen, ODER um Entwicklungsstufen in politischen Systemen, ODER Entwicklungsstufen in religiösen Systemen, ODER in irgendwelchen anderen sich entwickelnden Systemen. Wenn man sich nur auf die Analyse des Werte-Mem-Systems verlässt bei dieser oder jener Person, Gruppe, Kultur oder Nation, so stellt das KEINEN integralen Ansatz für Terrorismus dar. Nehmen wir z.B. den Fall der sich entwickelnden Linien oder Ströme. Wenn wir nicht die Ströme in Betracht ziehen, können wir sehr leicht die Tatsache übersehen, dass die „Strömung“ der Aussenpolitik eines Landes auf einem sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand sein kann wie die innere Sozialpolitik desselben Landes. Dieses Land kann auf die eine Weise zu seinen Nachbarn agieren (prä-emptiven Krieg beginnen) und in vollkommen anderer Weise seinen eigenen Bürgern begegnen (persönliche Freiheit erlauben). Nur einfach auf den globalen Werte-Memestack zu schauen, deckt diese Komplexität nicht auf.
Ein weiterer Kern-Aspekt des integralen Ansatzes sind die Quadranten oder Entwicklungs-Perspektiven. Wenn wir nur auf Entwicklungsstufen schauen, können wir die Tatsache verkennen, dass bei einer Nation die Stufen der Agenz oder des Regierens (die agentischen Quadranten) ein vollkommen unterschiedliches Entwicklungsprofil haben können als die Stufen seines soziokulturellen Systems, z. B. seiner Zivilgesellschaft (der kommunalen Quadranten). Das heisst, dass unabhängig davon, wie entwickelt eine Nation ist, wenn seine Regierung (regierende Agenz) beschliesst, einen Krieg zu beginnen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass das gesamte Land dem folgen wird. Nur weil ein Land scheinbar auf einem bestimmten Schwerpunkt seiner Entwicklung liegt, so heisst das noch nicht, dass es auch immer entsprechend seiner Entwicklungsstufe gemäss handelt. Demokratisch gewählte Nationalregierungen verführen und manipulieren manchmal ihre zivilen Bewohner und begehen Staatsterrorismus und begehen internationale Gewaltakte, die in keinster Weise die Entwicklungskapazitäten der Bevölkerung oder der Kultur dieses Landes wiederspiegeln. Ohne jedoch in unserer Analyse die Quadranten einzubeziehen, könnten wir nie zu solch entscheidenden Überlegungen kommen.
Ein drittes Beispiel bezieht sich auf das integrale Konzept der Wechselwirkungen. Das beinhaltet eine Art geschichtlicher Annäherung an Umwelt-Interaktionen, und das Spiel zwischen den Einheiten hinsichtlich ihrer Bedürfnisse und ihrer Erzeugnisse, ihrer Aktivitäten und des Einflusses dieser Aktivitäten auf ihre Umgebung. Denn den Entwicklungsstand eines Individuums oder einer Gesellschaft zu bestimmen, ohne bezug zu nehmen auf diese Austauschbeziehungen, führt zu einem missverständlichen und ungenauen Bild der Situation oder des Ereignisses, das wir zu verstehen versuchen. Dieser Mangel an Verständnis kann zu einem vollkommen ungenauen Bild der Entwicklungskapazität einer Person oder einer Gruppe führen. Erst durch die zeitbezogene und situationelle Analyse der Ereignisse enthüllen wir die Wechselbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Gruppierungen. Ohne historisches Verständnis für die Wechselbeziehungen zwischen dem Westen und dem Mittleren Osten, zwischen westlichen Ökonomien und den Ölreserven des Mittleren Ostens, zwischen dem Staat Israel und der Bevölkerung Palästinas, zwischen Saddam Hussein und Donald Rumsfeld, oder zwischen den „nationalen Interessen“ der Amerikaner und den Interessen der Palästinenser – ohne dieses Verständnis wird keine Analyse der Entwicklungsstufen oder Wertesysteme jemals zu einem Verständnis von globalem Terrorismus führen.
Ich habe hier einige Beispiele für bedeutende nicht-entwicklungsbedingte Aspekte des integralen Ansatzes angeführt, die für ein Begreifen des Terrorismus unbedingt notwendig sind. Theorien, die sich nur auf Emergenz und Entwicklungsstufen berufen, um Terrorismus zu erklären, werden immer ungenügend bleiben, weil sie die oben aufgezeigten und andere spezielle Züge des integralen Ansatzes vernachlässigen.
Oft treten die nicht-entwicklungbedingten Aspekte des integralen Ansatzes in Interaktion mit den Entwicklungsaspekten, und umfassendes Verständnis von Terrorismus kann nur erreicht werden, wenn diese komplexen Interaktionen in Betracht gezogen werden. Natürlich können wir immer einen Aspekt dieser komplexen Situation herausgreifen und ihn aus einem begrenzten Blickwinkel des Integralen Modells betrachten. Es ist nicht notwendig, für jede Situation jedwedes analytische Werkzeug des integralen Werkzeugkastens anzuwenden. Aber wenn wir es tun, sollten wir uns der Bruchstückhaftigkeit und der Begrenzungen dieser Analyse bewusst sein. Derzeit wird das einfach nicht getan.
Es gibt viele dieser Beispiele, wo durch Kombinieren mehrer Aspekte des Integralen Ansatzes sehr unterschiedliche Analysen des Terrorismus herauskommen, als wenn man simpel Entwicklungsstufen dafür verwendet. Wenn wir uns auf eine nur entwicklungsstufen-basierende Analyse verlassen, kommen wir unabwendbar zur Sicht, dass die Terroristen und die sie unterstützenden Kreise tief in den „archaischen“ entwicklungsgeschichtlichen Impulsen vergangener Epochen feststecken, und dass sie nur die fortgeschritteneren Entwicklungsstufen und die „modernen“ Werte und Kulturen des Westens auslöschen wollen. Solche Analysen werden immer ungenügend bleiben, da sie sich nur auf Entwicklungsstufen verlassen , um die Wurzeln von Terrorismus zu erklären. Sie sind erzreduktionistisch und vergessen andere sehr bedeutsame Fakten, die aber einen integralen Ansatz erst definieren.
Die Anwendungspraxis von Spiraldynamik ist besonders dabei gefährdet, ihre Erklärungsprinzipien einfach zu reduzieren auf das Emergieren sich entwickelnder Werte-Mems. Es scheint, dass SDi noch vollkommen unerfahren ist gegenüber den vielen Aspekten des AQAL-Ansatzes, und dass es diese in seinen Anwendungen erst noch voll inkorporieren muss. Aus diesem Grund verstehen manche spiraldynamische Denker einfach nicht die Bedeutung, die die Anwender eines integralen Ansatzes den nicht-entwicklungsabhängigen Aspekten ihres Modells wie z.B. den Quadranten beimessen. Meiner Meinung nach entspringt dieses Missverständnis der Unkenntnis der SD-Theoretiker über die vielen nicht-emergierenden, nicht-entwicklungsbedingten Aspekte des Integralen Ansatzes. Überdies haben “integral informierte” Ansätze eine sehr vereinfachte Version des SD Entwicklungsstufen-Ansatzes verwendet. Im Ansatz von SD sind die intermediären Phasen von auslaufenden und beginnenden Stufen unbedingt notwendig zum Verständnis des Prozesses der Emergenz, und die integral-informierten Autoren haben diese Nuancen fast vollständig übersehen. Die SD intermediären Phasen bringen nämlich beträchtliche Tiefe für die Erklärung der Übergangsprozesse, die bei der Bewegung von einer Ebene zur anderen passieren. Integrale Ansätze haben viel zu gewinnen durch ein tieferes Verständnis dieses Aspekts des in SD dargestellten Entwicklungssystems (Wilber hat in Kap. 10 des „Atman-Projekts“ einen 7 Punkte umfassenden Übergangszyklus angeführt, doch dieser bedeutsame Aspekt des Modells muss erst voll genützt werden). Auf jeden Fall sind wir gut dabei beraten, die Feinheiten sowohl des AQAL als auch des SD Ansatzes etwas besser zu verstehen, bevor wir sie für die Analyse solch komplexer Probleme wie das des Terrorismus anwenden.
2. BEI „BETRETEN VON GELB“ ÜBERBETONEN WIR DIE STUFEN
Im nun folgenden will ich Begriffe verwenden, die „Stufen-Denker“ verstehen können. Ich will dabei ganz aktuell sein, und so werde ich eine Erklärung versuchen, wie dieser stufenbasierende Reduktionismus funktioniert, indem ich die SD-Farben bzw. die Entwicklungsstufen-Sprache verwende.
Der zweite Grund, warum wir uns zu leicht bei unseren Analysen von Terrorismus auf Entwicklungsstufen verlassen, ist, dass wir einfach nicht die Kapazität haben, auf integrale Weise zu denken. Indem wir nur in Begriffen von Stufen des Emergierens denken, denken wir NICHT integral. Wenn wir Terrorismus nur durch seinen und unseren Werte-memstack erklären, so ist das KEINE integral informierte Erklärung.
Oben erwähnte ich schon die Bedeutung der beginnenden und auslaufenden Phasen im SD Ansatz. Wenn wir zum ersten mal eine Entwicklungsstufe betreten, distanzieren wir uns heftig von der vorhergehenden Stufe. Wenn wir uns von GRÜN zu GELB bewegen, dissoziieren wir uns von GRÜN, und übernehmen das, was wir für Wesensmerkmale der GELBEN Stufe halten. Das sind dann natürlich „Entwicklungsstufen“ und die Fähigkeit, die hierarchische Natur der Entwicklung zu erkennen. Die beginnende Phase der Entwicklung besitzt eine hohe energetische Ladung. Enthusiastisch übernehmen wir „Stufen“ und „Emergenz“ und in unserem Eifer, unsere neu erworbenen Sichtweisen einzuüben, sehen wir auf einmal überall Stufen, Hierarchien, Emergenz und Entwicklungsprozesse. In dieser beginnenden Phase GELB zu denken (grün/GELB), sind wir wie Schmiede mit unseren Vorschlaghämmern der „spiraligen Emergenz“, und wohin wir auch blicken, wir sehen „Stufen“. Deshalb verlassen wir uns zu sehr auf Stufen der Emergenz, auch wenn wir komplexe soziale Ereignisse analysieren, und speziell zum Thema globaler Terrorismus. Wir werden aber nur kognitiv an GELBES Denken angepasst (und grundsätzlich ist der AQAL-Ansatz ein GELBES kognitives Schema) und wir sind immer noch in der Beginner-Phase, wenn wir Stufen dazu verwenden, ALLES zu analysieren. Deshalb werden integral informierte Analysen, Meinungen und Reaktionen über Terrorismus so häufig dargestellt in Begriffen der Entwicklungsstufen und Werte-Mems der Terroristen und unserer Entwicklungsstufen und Werte-Mems.
Und warum sind unsere Erklärungen und Essays über Terrorismus so überfüllt mit Verdammung GRÜNER Ansichten? Wie schon gesagt, wenn wir zum ersten mal eine neue Entwicklungsstufe des Denkens betreten, tendieren wir dazu, uns von der vorhergehenden Stufe zu distanzieren und sie abzulehnen. Im Fall von GELB heisst das, sich zu distanzieren und zu dissoziieren von den GRÜNEN Anliegen bezüglich Relativismus, Egalitarismus, Konsens, Sensitivität gegenüber anderen, und Pluralismus. Folgerichtig finden wir in vielen „integral informierten“ Ansätzen über Terrorismus eine herbe Ablehnung pluralistischer Ansichten. Oft werden jene geradezu verdammt, die GRÜNE Positionen vertreten, wie z.B. die Relativität der Werte, und die auf unseren eigenen Anteil bei der Unterstützung von Staatsterrorismus hinweisen, die kritisch gegenüber unseren westlichen Werten sind, die auf die „Viren“ hinweisen, die wir in andere Kulturen einpflanzen, um unsere eigenen „Interessen“ abzusichern, und die unser Vertrauen in unsere eigenen Westlichen demokratischen Systeme und Institutionen in Frage stellen.
Und so sind die beiden hervorstechenden Denk-Wesenszüge bei Betreten der Flex-flow-Logik des GELBEN Werte-Mems, I) das simplifizierende Betonen von Stufen und hierarchischem Emergieren ist Erklärung für alles, inclusive Terrorismus , und II) eine heftige Ablehnung von GRÜNEN Qualitäten wie Pluralismus und Egalitarismus. Das ist der Grund, warum wir solches Beschränken auf Stufen in unserer naivem Gebrauch des integralen und SD Ansatzes vorfinden, und warum solche Fälle so starke Ablehnung pluralistischer Sensibilitäten aufweisen.
Denn gesundes GELB würde die gesunden Ansichten des GRÜNEN Pluralismus nicht nur transzendieren, sondern tatsächlich inkludieren. Die pluralistischen und multiperspektivischen Qualitäten, die GRÜNE Werte-Mems ausmachen, sind gerade in Zeiten von Konflikten besonders bedeutsam und nützlich. Nämlich weil wir dann imstande sind, in die Haut des anderen zu schlüpfen und den Blickwinkel des anderen zu verstehen. Wenn wir eine GRÜNE Brille aufsetzen, wertschätzen wir andere Perspektiven, und das hilft uns analytischer dabei zu sein, was wir tun, und welchen Teil wir selbst dabei spielen beim Initiieren und Aufrechterhalten dieses Konflikts. Reifes GELBES Denken anerkennt die GRÜNE Fähigkeit zur Verhandlung, zur Mediation und zur Wertschätzung der Meinung des anderen. Derzeit ist die Unterstützung dieser Fähigkeiten bedeutsamer als je zuvor.
Während der Eintrittsphase zu GELB dissoziieren wir uns, und lehnen das GRÜNE Denken ab, und indem wir das tun, tendieren wir dazu, die Wahrheiten bei denen zu übersehen, mit denen wir in Konflikt stehen, und wir wollen nur die Wahrheit und den Wert unserer eigenen Wertesysteme und Traditionen anerkennen. Solche Reaktionen sind verständlich. Jedoch, wenn wir die Wahrheiten in den Standpunkten unserer Feinde zurückweisen, ohne sie als unseren eigenen Anteil in dem Prozess zu sehen, so betreten wir bloss einen unbewussten und zyklischen Prozess, indem wir unsere eigene Position verteidigen, indem wir den anderen attackieren. Reifes GELB missbilligt nicht GRÜN oder seine Qualitäten und Anschauungen, im Gegenteil, es inkludiert sie in seiner umfassenderen Umarmung. Es eignet sich GRÜNE Sensibilität und GRÜNE Charakteristika an, und verwendet sie bewusst, um mit der Komplexität der Lebensumstände umzugehen. Beim Verständnis von Terrorismus müssen wir dasselbe tun – den pluralistischen Blickwinkel akzeptieren und wertschätzen und seine Einsichten verwenden, um weiter zu kommen – zu welchen Wahrheiten verhelfen uns die Positionen unseres Feindes?
Der GRÜNE pluralistische Standpunkt zeigt auf, dass der Terrorist (als Agent der Gemeinschaften, die sie unterstützen) uns attackiert, weil er glaubt, dass wir ihn attackieren. Der GRÜNE Pluralist beachtet eine Information wie diese:
Aus dem „Dossier der zivilen Opfer im Irak 2003-2005“ sehen wir, dass lt. Berichten 24.865 Zivilisten in den 2 Jahren nach Kriegsbeginn getötet wurden. Wer tötete? US-geführte Kräfte töteten 37% aller zivilen Opfer. Anti-Besetzungs-Kräfte / Aufständische töteten 9% der zivilen Opfer. Kriminelle Gewalt nach der Invasion war verantwortlich für 36% aller Toten. Berichten zufolge wurden zumindest 42.500 Zivilisten als verwundet gemeldet. Also haben US-geführte Kräfte 4mal mehr zivile IrakerInnen getötet wie die Terroristen.
John Sloboda, einer der Autoren des Berichts, sagte:
„Der stetig steigende Blutzoll der Iraker ist die verdrängte Kostenbilanz der Entscheidung, in den Krieg zu ziehen. Im Schnitt sind 34 Iraker jeden Tag seit der Invasion im März 2003 gewaltsam zu Tode gekommen. Unsere Daten zeigen, dass kein Sektor der Irakischen Gesellschaft verschont gebelieben ist. Wir hoffen inständig, dass diese Forschung weltweit die Entscheidungsträger über die realen Nöte der irakischen Bevölkerung informieren wird, wenn sie darum kämpfen, ihr Land wiederaufzubauen. Es verbleibt ein gravierendes Faktum, dass nach nunmehr zweieinhalb Jahren, weder die US- noch die UK-Regierungen begonnen haben, die Auswirkungen ihrer Aktionen hinsichtlich vernichteter Menschenleben systematisch zu erfassen.“
Und im Licht dieser Information versucht nun der GRÜNE Pluralist, die Unterschiedlichkeit und Egalität zwischen kulturellen Wertsystemen zu verstehen und anzuerkennen – „unsere“ und die der „anderen“ – anstatt simpel, aus unserer Angst heraus, unsere Westlichen Werte zu proklamieren. Kann man nicht die Bombenattentate in London sehen als gewaltsame Kriegsakte – gerichtet gegen die Bevölkerungen von Ländern, die in eine souveräne Nation einmarschiert sind? Welche Wahrheit über unser eigenes Verhalten gegenüber dem Mittleren Osten können wir erkennen in den Einstellungen der Individuen und Gemeinschaften, wenn sie Terroristen als Freiheitskämpfer sehen? Können wir, durch unsere Regierungen und militärisch, die kollektiven Pathologien, die diese Selbstmordbomber hervorrufen, vielleicht sogar vergrössern und zur Spitze treiben? Kann nicht die tatsächliche Ursache für Terror nur wenig zu tun haben mit den relativen Entwicklungsstufen jeder der verwickelten Parteien?
Unreifes GELB (grün/GELB) lehnt solche Ansichten ab, und sieht sie nur als Gefahr für das entwicklungsmässige Emergieren höherer oder umfassenderer Werte. Anstatt die Wahrheiten, die durch GRÜN ausgesprochen werden, anzuerkennen und zu verarbeiten, verbündet sich grün/GELB mit patriotischem BLAU und unternehmerischem ORANGE beim Verurteilen von Relativismus von gesundem GRÜN. Währenddessen versucht reifes GELB, GRÜNE Sensibilität zu umfassen und zu integrieren, denn es weiss, dass höhere Umarmung nur erfolgt durch Anerkennung von Diversität, Komplexität und Respekt für die Marginalisierten. Beim Versuch, Terrorismus zu verstehen, muss GELB zuerst einmal zuhören und die Sensibilitäten von gesundem GRÜN inkludieren und dann erst weitergehen, um seine eigenen systemischen Erklärungen zu machen und seine eigenen Lösungen vorzuschlagen.
FOLGERUNGEN
Meine Intention für meine Ausführungen war es, Bewusstsein darüber zu schaffen, in welch naiver und reduktionistischer Weise wir unsere integral informierten Ansätze bei der Behandlung solch komplexer sozialer Probleme wie Terrorismus anwenden. Ich sehe zwei Gründe für diese reduktiven Impulse. Der erste bezieht sich auf die technischen und intellektuellen Schwierigkeiten bei der Erklärung von Terrorismus, wenn wir alle relevanten Aspekte eines integralen Ansatzes nützen. Der zweite betrifft unsere eigene entwicklungsmässige Reise im Verständnis, wie wir integral informierte Ansätze verwenden. Es gibt viele Einflussfaktoren, wenn wir Komplexität interpretieren und erklären. Und wenn wir ängstlich oder ärgerlich oder konfrontiert sind, verringert sich unsere Fähigkeit dafür, die darin enthaltene Pluralität der Wahrheiten zu denken und zu integrieren, und es wird noch schwieriger. Wir sollten uns dessen gewahr sein.
© Mark Edwards, August 2005
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