INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
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"Metaphysik entlang weltzentrischer Linien neu denken..."

Post-Metaphysik
und darüber hinaus

Das AQAL – System als kosmischer Kompass

Frank Visser

Wie es erstmalig explizit im Interview "Über die Natur einer post-metaphysischen Spiritualität" ausgesagt wurde, hat Wilber die fünfte Phase seines Werks betreten, die "post-metaphysisch" genannt wird. Was bedeutet das für ein System einer Psychologie, das vor etwa drei Dekaden seine Hauptinspiration aus der immerwährenden Philosophie bezogen hatte – dessen Hauptpunkt die Existenz vieler ontologischer Existenzebenen jenseits des physischen Universums ist – doch das sich mehr und mehr von jenen Anfängen distanziert hat ? Wie lässt sich das mit Wilbers Absicht verflechten, das Konzept eines „physischen" Kosmos, wie es von der Physik untersucht wird, durch das Konzept eines multi-dimensionalen pythagoräischen „Kosmos" zu ersetzen ? Kann der Reichtum dieses Kosmos in bloß psychologischen Ausdrücken eingefangen werden ? Sollten wir dem starken Unbehagen der Moderne gegenüber ontologischen Spekulationen nachgeben, oder sollten wir stattdessen versuchen, die traditionelle Metaphysik entlang weltzentrischer Linien neu zu überdenken ?

In diesem folgenden Essay über "Wilber und Metaphysik" untersuche ich freimütig die Grenzfläche zwischen Wilber und dem esoterischen Feld, wie es von der modernen Theosophie beispielhaft dargestellt wird. In einem neuerlichen Internet-Beitrag, genannt „Auszug G: Zu einer umfassenden Theorie der subtilen Energien" wendet sich Wilber wieder typisch esoterischen Konzepten zu, indem er versucht, Begriffe wie subtile Körper oder subtile Energie in sein AQAL-System einzupassen. Da ich sowohl über Theosophie (Sieben Sphären, 1995) als auch über Wilber (Denker aus Passion, 2002) geschrieben habe, fühle ich mich ziemlich sicher in diesem Territorium, obgleich vieles in diesem Feld noch weitgehend unerforscht ist.

Der Ausdruck "post-metaphysisch" war ursprünglich durch Wilber von Habermas übernommen worden, um die moderne Ablehnung jeder metaphysischen Spekulation oder religiösen Weltsicht zu beschreiben. In Wilbers Terminologie sollte das besser durch „post-mythisch" neuformuliert werden, wenn man an die ethnozentrische Natur vieler religiöser Spekulationen denkt. Angesichts Wilbers konstanter Opposition gegenüber einer bloßen Flachlandsicht der Realität, die er als die dunklere Unterseite der Moderne ansieht, ist es vielleicht etwas unglücklich, wenn man die „post-metaphysische" anstatt die „post-materialistische" Natur des Integralismus in den Vordergrund stellt. Meint post-metaphysisch bloß nicht-metaphysisch – in dem Sinne, dass die gesamte Psychologie definitiv nicht an metaphysischen Themen wie etwa „was ist die Seele" interessiert ist ? Ist es anti-metaphysisch – in dem Sinne, dass es für eine materialistische Sicht der Realität optiert – was nur eine andere Metaphysik wäre ? Deutet es auf eine vollständig immanente und psychologistische Sicht des Kosmos, die keinen Raum für ontologische Realitäten lässt – außer der physischen, sichtbaren Welt ? Wie legt es Rechenschaft über die innere Welt ab, die Ablehnung durch das moderne Flachland, die Wilber in „Marriage of Sense and Soul" [„Naturwissenschaft und Religion"] als eine seiner Hauptsorgen aufzählte ?:

Flachland akzeptiert überhaupt keine innere Domäne, und den Geist wieder einzuführen, ist die kleinste unserer Sorgen. So ist unsere Aufgabe nicht spezifisch, die Spiritualität wieder einzuführen und irgendwie zu zeigen versuchen, dass die moderne Wissenschaft mit Gott kompatibel wird. Dieser Ansatz, der von den meisten integrativen Versuchen unternommen wird, geht nicht annähernd tief genug in die Diagnose der Krankheit, und spricht daher nach meiner Meinung niemals wirklich die entscheidenden Themen an. Es ist vielmehr die Rehabilitation des Inneren im allgemeinen, die die Möglichkeit einer Versöhnung von Wissenschaft und Religion eröffnet, indem sie die Großen Drei integriert und die Dissoziation und die Disaster der Moderne überwindet und die helleren Versprechen der Postmoderne erfüllt. Nicht der Geist, sondern das Innerhalb, ist der Leichnam, den wir zuerst wiederbeleben müssen. (S.142-143)

Doch wo passt dieses "Innerhalb", dieses "Innere im allgemeinen" in das größere post-metaphysische Bild hinein ? In den folgenden Kommentaren werde ich versuchen, diese Fragen zu entwirren und eine metaphysische Sicht auf den Kosmos zu skizzieren, die die innere Domäne bis zu Ende akzeptiert, die auf wissenschaftlicher Forschung basiert (auch wenn es etwas unorthodox erscheint) und in ihren eigentlichen Bedeutungen durch und durch weltzentrisch ist.

Der Himmel ist nur ein Bewusstseinszustand ?

Die traditionelle religiöse Metaphysik setzt eine himmlische Welt für ihre wahren Gläubigen voraus. Alle Religionen haben ihre eigenen Varianten des Lebens nach dem Tod, die ethnozentrische und kosmozentrische Natur dieser Konzepte ist auffallend. Wer wird in den Himmel kommen ? Wer wird in die Hölle gehen ? Das sind die brennenden und oft umstrittenen Fragen der Theologen über die Jahrhunderte hinweg. Alle treuen Gläubigen in meinem besonderen Glauben ? Alle wahren Christen oder jeder beliebigen Glaubensrichtung ? Alle „guten" Menschen jedweder Religion ? Doch was bedeutet es dann, an Christus zu glauben, wenn Gutsein gut genug ist, einen für den Himmel zu qualifizieren ? Oft genug befindet sich die himmlische Welt im physikalischen Kosmos, irgendwo um die Sonne herum oder die Sterne.

Diese vormoderne Idee vom Himmel wird von der Moderne als überholt zurückgewiesen – auch wenn dies auf einer Fehlinterpretation beruht (siehe Houston Smiths "Forgotten Truth" ["Vergessene Wahrheit"]). Erstens einmal hat die Wissenschaft entdeckt, dass der physikalische Kosmos unendlich ist und die auf der Erde entdeckten Naturgesetze überall für wahr gehalten werden. Da ist einfach kein Raum frei für eine himmlische Welt. Da gibt es keinen Himmel außer dem Glückszustand in diesem Leben. Der Himmel ist nur ein Bewusstseinszustand; und nicht eine irgendwo auffindbare Geographie. Und für diesen Bewusstseinszustand qualifizieren sich alle menschlichen Wesen. Da ist eine starke weltzentrische Qualität in dieser Konzeption. Wir brauchen uns nicht länger darum zu sorgen, wer qualifiziert ist und wer nicht. Durch die bloße Tatsache, dass wir menschlich sind, sind wir fähig, uns an Glücklichkeit zu erfreuen. (Und umgedreht können wir zutiefst unglücklich sein – das moderne Äquivalent der Hölle). Der Nachteil davon ist, dass dieses Konzept rein auf dieses Leben in dieser Welt bezogen ist: immanent. Der alte transzendentale Blick in höhere Welten über und jenseits der sichtbaren Welt scheint alle Glaubwürdigkeit verloren zu haben. Die Moderne ist durchweg post-metaphysisch geworden. Sie ist der Spekulationen über höhere Welten und ihre Bewohner überdrüssig geworden, und auch des Streitens darüber, wer in den Himmel kommen mag und wer nicht, abgesehen von der Tatsache, dass nichts davon von irgendeiner Wissenschaft verifiziert werden kann.

In der modernen theosophischen Literatur treffen wir ein Konzept vom Leben nach dem Tod an, das die weltzentrische Natur der modernen Ideen über die menschliche Glücklichkeit beibehält, jedoch in einen weiteren kosmischen Kontext von „Ebenen der Natur" gesetzt, wie der theosophische Ausdruck besagt. Der Himmel ist nicht länger „nur" ein Bewusstseinszustand, denn wo sollte dieser Zustand existieren, außer in einer subtil verkörperten Form ? Wie können wir uns das Überleben des Todes vorstellen, ohne in einer anderen Umgebung zu sein ? In den Himmel zu kommen erweist sich als nicht vom persönlichen Glauben (oder Unglauben) abhängig, jedoch immer mehr von dem Bewusstseinszustand, den wir während des Lebens kultiviert haben. Das ist nicht erstaunlich, denn der Himmel IST unser Bewusstseinszustand und kann nicht irgendwo sonst sein. (Ein Vergleich mit Träumen ist lehrreich: glückliche oder unglückliche Träume sind das Ergebnis der internen Dynamik unserer Psyche, und nicht weil Irgendjemand uns wegen unserer Taten belohnt oder bestraft). Das Leben nach dem Tod stellt sich heraus als ein langsames Wiederbearbeiten der Erfahrungen im Leben, das wir gerade verlassen haben. Niemand ist von dieser Erfahrung ausgeschlossen, genauso wie niemand vom einem Traumleben ausgeschlossen ist. Der Tod selbst wird als ein relativ geringes Überwechseln in die nächste höhere Welt angesehen, die „Astralebene", wo wir uns als in einem Körper lebend wiederfinden, dem „Astralkörper", der perfekt für das Wandeln in dieser neuen Umgebung ausgestattet ist. In dieser Konzeption gibt es nichts Spektakuläres. Die westliche esoterische Konzeption des Sterbeprozesses vergleicht diesen sogar mit dem Ablegen eines Mantels:

Tatsache ist, dass der Tod den wirklichen Menschen nicht im geringsten Maß angreift; das Beiseitelegen des physischen Körpers verändert seine Natur nicht mehr als das Ablegen eines Mantels. (Leadbeater, S. 33)

Dies ist ein krasser Kontrast sowohl zu den traditionellen christlichen Ideen über die Welt nach dem Tod, die totaliter aliter („völlig unterschiedlich") sein soll, als auch zu den tibetischen buddhistischen Ideen über einen scharfen achtstufigen Aufstieg in das Klare Licht im Augenblick des Todes selbst. In dieser ziemlich schlichten Konzeption über das Leben nach dem Tod wird die „andere" Welt als unsere sichtbare Welt durchdringend angesehen, nur deshalb unsichtbar, weil wir noch nicht die Sinne entwickelt haben, um sie wahrzunehmen. Die vielen Welten nehmen den gleichen Raum ein, und sie sind uns näher, als wir es jemals für möglich gehalten haben. Zusammen formen sie den Kosmos. (Viele Moderne würden die Augenbrauen hochziehen, wenn man ihnen sagte, dass ihre heimgegangenen Verwandten in der Luft um sie herumschwebten!).

Dieses transzendente Konzept einer himmlischen Welt scheint die modernen Ideen vom Himmel als ein Glückszustand zu transzendieren und einzuschließen, offen für alle, doch es setzt ihn in einen entschieden metaphysischen Kontext. Daher haben wir grundsätzlich drei weite Phasen, die sich auf ein Leben nach dem Tod oder eine metaphysische Welt im allgemeinen beziehen:

PREMODERN (POST)MODERN TRANSMODERN
ethnozentrisch weltzentrisch weltzentrisch
transzendent,
aber kosmisch
immanent,
dies-weltlich
transzendent,
aber Kosmisch
nur wahre Gläubige kom-men in den Himmel der Himmel ist ein Glücks-zustand der Himmel ist allen mensch-lichen Wesen offen

Tafel 1. Konzeptionen der metaphysischen Welt

Eine interessante Nebenbemerkung: die Tatsache, dass die himmlische Welt eine Realität ist, bedeutet nicht, dass sich die meisten Einwohner dessen bewusst sind. Es stellt sich tatsächlich heraus, dass die meisten in diesen Ebenen ihre Zeit damit verbringen, über ihr vergangenes Leben zu träumen. Da gibt es einen weiten Raum für einen „konstruktivistischen" Angriff auf das Leben nach dem Tod in dieser esoterischen Konzeption. Sogar das konzeptuelle Konditionieren lebt weiter: viele werden Dinge sehen, die zu erwarten man sie gelehrt hat, seien es Christus, Krishna oder Engel. Um der Realität der astralen Welt gewahr zu werden, ist ein Erwachen der zu dieser Welt gehörenden Sinne vonnöten.

Wilbers Neuformulierungen der immerwährenden Philosophie in eine Form, die dem modernen Geschmack annehmbar ist, gründen auf einer bestimmten strategischen Weisheit. Wenn die Moderne keine ontologischen Spekulationen mag, wird sie niemals Ideen über höhere Welten abkaufen, mit ihren Bewohnern, die um uns herum existieren sollen, genau hier und jetzt. Indem man diese metaphysischen Aspekte der antiken Weisheit ausklammert, hat man wenigstens eine kleine Chance, dass die Moderne zuhören mag. Und er ist davon überzeugt, dass er die gleichen Punkte ansprechen kann, indem er eine psychologische Sprache benützt. Als verkörperte menschliche Wesen sind wir in der Lage, das volle Spektrum von Glücklichsein und Unglücklichsein zu erfahren, sogar bis zur Ebene der höchsten mystischen Erfahrung des Einen Geschmacks. Man benötigt kein metaphysisches Rahmenwerk, um diesen Erfahrungen einen Sinn zu geben.

Da besteht jedoch immer die Gefahr, in die Flachland-Falle hineinzufallen, wenn man für eine rein immanente Philosophie optiert. Wenn alle diese Zustände von einem verkörperten Wesen erfahren werden können, wer sagt dann, dass sie nicht nur das Resultat eines biochemischen Prozesses im menschlichen Gehirn seien ? Wilber vermeidet diese Falle, indem er das Alle-Quadranten-Modell benützt, das die neurologische Dimension sicher in nur einen Quadranten schiebt. Gleichzeitig scheint er der physischen Ebene eine unverdiente Vorherrschaft zu geben, wenn er vorschlägt, sie aus dem traditionellen Schema der Welten herauszunehmen und sie als die äußerste Ebene aller inneren Dimensionen zu revidieren. Doch was ist dann der ontologische Status der anderen drei Quadranten, besonders des oberen linken, der viele verborgene Schichten des inneren Lebens zu beherbergen scheint ? Wenn diese innere Dimension nicht auf Gehirnprozesse reduzierbar ist, wie können wir dann vermeiden, metaphysische Schlussfolgerungen über ihren ontologischen Status zu ziehen ?

Die physische Ebene: die niedrigste oder die äußerste ?

In der theosophischen Weltsicht leben die menschlichen Wesen auf allen Ebenen gleichzeitig, doch sie haben noch nicht (bis jetzt) die Fähigkeit, diese Realitäten wahrzunehmen. Im Augenblick sind wir nur in der Lage, mit unseren physischen Augen zu sehen. Konsequenterweise scheint die physische Realität die einzig vorhandene Realität zu sein, und die Physik scheint die einzig wahre Naturwissenschaft zu sein. Alle anderen Erfahrungen werden angezweifelt, entsprechend ihrer flüchtigen Natur. In der Theosophie wird unser physischer Körper als das äußerste „Vehikel" angesehen, das von unserem Bewusstsein benützt wird. Wir haben tatsächlich Vehikel des Bewusstseins für jede Ebene der Existenz, obgleich die meisten noch in einem embryonalen Zustand sind: wir haben einen Astral- oder Gefühlskörper, einen Mentalkörper, einen Kausalkörper, einen Buddhikörper etc. Grundsätzlich sind wir eine Bewusstseins-Einheit oder „Monade", die von oben herabgestiegen ist, Körper nach Körper angenommen hat, bis wir die tiefste Ebene, diesen physischen Plan erreicht haben. Andersherum: nach dem Tod werden wir diese Körper nacheinander ablegen und dabei aufwärts durch die Sphären steigen, bis wir unsere Heimat im Geist erreichen.

Wilber hat bei vielen Gelegenheiten betont, dass dort, wo die Alten glaubten, dass die physische Welt die tiefste Ebene sei, eine moderne Neuformulierung sie als die äußerste Dimension aller inneren Ebenen ansehen sollte:

Die materiellen Domänen sind nicht so sehr die niedrigsten Ränge in der großen Hierarchie, sondern sie sind die äußeren Formen einer jeden Stufe in der Hierarchie (Marriage of Sense and Soul, [Naturwissenschaft und Religion], S. 183).

Das scheint mir eine Übertreibung zu sein. Während es wahr zu sein scheint, dass das physische Gehirn mit allen inneren Erfahrungen verbunden ist, hohen oder niedrigen, verschleiert dies die Tatsache, dass (1) die physische Ebene eine Ebene mit ihrer eigenen Berechtigung ist und (2) das physische Gehirn wirklich mit allen inneren Prozessen verbunden ist, doch dass (3) diese inneren Prozesse ihre eigenen „Körper" auf ihren eigenen Ebenen der Existenz haben. Nach meiner Meinung können wir eben nicht eine der Ebenen der Existenz herausnehmen (gerade weil sie die einzige uns bekannte Ebene ist), um uns den modernen Erkenntnissen über die Gehirntätigkeiten anzupassen, wenn diese Erkenntnisse ebenso gut herangezogen werden können, wenn man die Ebenen als gegenseitig ineinander verflochten ansieht. Ein von Wilber gern benütztes Beispiel, um zu zeigen, dass die physische Ebene gerade nicht die niedrigste Ebene im Schema aller Dinge sein kann: in jener traditionellen Konzeption würden die Gefühle eines Wurms höher sein als die Komplexität des menschlichen Gehirns. Dazu bemerkt er: „Etwas ist offenbar nicht ganz richtig bei diesem Schema" (Auszug G). Ist es aber so ? Ontologisch gesprochen sind Gefühle, gleichgültig wie primitiv, höher als physische Realitäten, wie komplex auch immer. Ich sehe hier kein Problem. Kein Betrag an Komplexität kann durch sich selbst die Tiefe des Bewusstseins erklären.

Wenn wir darüber hinaus einen Körper in jeder Welt haben, ist eine volle AQAL-Analyse für jede Ebene der Existenz möglich. In der physischen Welt sehen wir nur die jeweiligen physischen Körper, die äußersten Vehikel unserer inneren Leben. Auf der Astralebene würden wir nur die jeweiligen Astralkörper sehen, die äußersten Vehikel unserer inneren Leben in jener Dimension. Und so weiter. Das AQAL-Rahmenwerk ist ein authentischer kosmischer Kompass, der sich auf allen Ebenen der Existenz bewährt! Wo auch immer wir bewusste Wesen antreffen, in welcher Ebene der Verkörperung auch immer, können wir zwischen oberem linken, oberem rechten, unterem linken und unterem rechten Quadranten unterscheiden. Im Fall eines Hellsichtigen, der in der Lage ist, den Astral –(und höhere) Körper zu sehen, während er auf der physischen Ebene wach ist, ist die Situation wieder völlig verständlich innerhalb der AQAL-Analyse. Da ist immer ein Körper das äußerste Vehikel des Bewusstseins – der untere rechte Quadrant in dieser besonderen Situation – und die Gemeinschaft der in jenem Körper lebenden Wesen macht die unteren beiden Quadranten aus. In einem neuerlichen Schreiben hat Wilber die Natur der subtilen Energie oder subtilen Körper/Felder diskutiert und hat diese dem oberen rechten Quadranten der physischen Ebene zugeordnet. Dies scheint den oberen rechten Quadranten ein bisschen zu sehr zu überladen. Während subtile Energie/Körper tatsächlich der Kategorie oben rechts angehören, gehören sie nicht zu der gleichen Existenzebene. (Es ist nicht überraschend, dass AQAL sowohl Quadranten als auch Ebenen einschließt, da Quadranten notorisch schlecht sind beim Entdecken von Ebenen). Hier mag eine optische Täuschung vorliegen: da alle Ebenen ihre vier Quadranten haben und wenn man von oben durch alle diese Quadranten schaut, mag es so aussehen, als existierten physische Energie/Körper und subtile Energie/Körper innerhalb des gleichen Quadranten, doch das ist nicht der Fall. Astrale und mentale Körper existieren per Definition auf den astralen und mentalen Ebenen der Natur. Die Tatsache, dass einige Hellsichtige diese in ihren Zeitgenossen sehen, ändert nichts an dieser Tatsache. (Und irgendwelche Lebens- oder Geistfelder, die mit physischen Mitteln entdeckt werden, wie von H.S.Burr etwa, würden diese Felder per Definition lediglich dem oberen rechten Quadranten zuordnen.)

Evolution als ein zurückgespultes Video der Involution ?

Wilber hat seine Loyalität gegenüber der immerwährenden Philosophie am meisten im Fall der Involutions-Lehre wieder bedacht. Die traditionelle esoterische Philosophie meint, dass die Involution der Evolution vorangeht, und dass die Evolution in einem gewissen Sinn die Schritte während der Involution rekapituliert. Wo Involution ein sich nach unten gerichtet bewegender Prozess vom Geist zur Materie ist, ist Evolution der umgekehrte aufwärts gerichtete Prozess von der Materie zum Geist. Obwohl Wilber selten diese Anmerkung der Involution herausarbeitet, nicht einmal in seinen frühen Werken, hat er sie immer auf den Urknall bezogen als dem Beginn des physischen Universums. Nach Wilber führt dies zu einer Sicht der Evolution, die der Freiheit beraubt ist, da sie nur eine Art zurückgespultes Video der Involution ist, die ihr vorausging. Er hat die Doktrin der Involution von den meisten ihrer ontologischen Besonderheiten losgelöst, indem er nur eine Handvoll von „involutionären Gegebenheiten" belassen hat, wie etwa „das große morphische Feld des evolutionären Potenzials" und „gewisse physikalische Gesetze, die von der Mathematik beschrieben werden". Konsequenterweise gibt es keine harten und schnellen Schritte auf der Leiter des Lebens, die von der Involution festgelegt wurden, nur einen sanften Stoß, sich aufwärts zum Geist zu bewegen. Beachten Sie wieder die vorherrschenden Flachland-Themen, die hier erwähnt werden: der Urknall, die Gesetze der Physik und Mathematik etc.

Die theosophische Sicht der Involution erwähnt die metaphysischen Prozesse den ganzen Weg hinab vom Geist zur Materie, betont aber auch die primitive Natur des involutionären Lebens auf dieser Stufe des kosmischen Prozesses. Während er durch jede der höheren Sphären schreitet, bis er die unterste Ebene, die physische Welt erreicht, bereitet er die „Materie" dieser höheren Welten vor, so dass sie als Grundmaterial für die subtilen Körper der Lebewesen dienen kann, die sich auf dem evolutionären, nach oben gerichteten Bogen des kosmischen Prozesses befinden. Evolution ist keineswegs auf das beschränkt, was während der Involution geschieht, soweit es ihren besonderen Inhalt betrifft. Sie ist jedoch auf die Sphären der Existenz selbst beschränkt, die das „Feld der Evolution" der aus dem Göttlichen auftauchenden Monaden bilden.

Hören Sie, was Annie Besant in ihrem einhundert Jahre alten Meisterwerk „Eine Studie über Bewusstsein" schrieb:

Es ist wichtig zu bemerken, dass der evolutionäre Prozess, der in den Ausdruck des involvierten Bewusstseins hinausführt, durch Kontakte beginnen muss, die von seinem äußersten Vehikel empfangen wurden, d.h. er muss auf der physischen Ebene beginnen. (S.69)

Hier gibt es ein klares Verständnis der Aufeinanderbezogenheit des komplexen Prozesses von Involution und Evolution, des Mechanismus, durch den das Bewusstsein aus seinem Schlummer erwacht und der wichtigen Funktion des äußersten Körpers.

Indem er von dieser traditionellen Konzeption abweicht, gesellt sich Wilber zu Sheldrake in seiner Bemerkung von kreativen Emergenzen, die im Lauf der Evolution durch den Mechanismus der morphischen Resonanz stabilisiert werden. Dieser Mechanismus kann jedoch niemals die kreative Emergenz selbst erklären, die ein Mysterium bleiben muss (gleichbedeutend mit „Kreativität" oder „Geist"). Wir haben hier die Alternativen vor uns: (1) einer kosmischen Sicht, die die Ebenen der Existenz darstellt, welche die Stufen der Leiter des Lebens sind, die wir betreten können, und (2) eine modernisierte Sicht, die neue Stufen der Entwicklung als Mysterium ansieht und sich darauf konzentriert, wie Stufen, die einmal aufgetaucht sind, in darauffolgenden Generationen stabilisiert werden. In der älteren Konzeption entdeckten die alten Mystiker die Stufen der spirituellen Entwicklung, weil diese einfach die Ebenen der Existenz waren; in der modernen Sicht erhoben sich diese Stufen einfach nur so, und spätere Generationen folgten ihren Spuren.

Das bringt mich zu der geäußerten, jedoch allgemeineren Frage, wie „real" die Stufen/Ebenen sind, die in Wilbers System behauptet werden. Man trifft oft die Haltung an, dass letztendlich alle Unterteilungen willkürlich sind, und wir können die Stufen der Entwicklung in jeder beliebigen Weise unterteilen. Die Analogie vom Lichtspektrum ist hier hilfreich. Während es wahr ist, dass dieses Spektrum bis zur Unendlichkeit unterteilt werden kann, ist es ebenfalls wahr, dass es (1) Grundfarben gibt – alles primäre Farben, wie gelb und rot; und sekundäre Farben, wie orange, die ohne weiteres unterschieden werden können – und (2) sind bei weitem nicht alle Farben Spektralfarben, sondern Mischungen von primären und sekundären Farben. Man wird niemals rosa oder braun in dem Farbspektrum finden, wie auch immer dies unterteilt wird.

Auf die gleiche Weise mögen Bewusstseinsstufen mit den Spektralfarben oder den Nichtspektralfarben verglichen werden. Die mental-egoische Stufe scheint mir ein guter Kandidat einer „Spektral"- Stufe der Entwicklung zu sein, da sie in der mentalen Ebene der Natur gründet. Eine magisch-emotionale Stufe mag genau aus dem gleichen Grund spektral genannt werden, denn sie gründet in der Astralebene der Natur. Eine „zentaurische" oder existenzielle Stufe mag mehr mit einer Farbmischung verglichen werden, weil sie durch die Integration von Körper und Geist charakterisiert wird. Wie sehr auch immer diese eine konkrete Entwicklungsstufe sein mag, so gibt es keine „zentaurische" Ebene der Natur, die das unterstützen würde. Ebenso ist die „psychische" Entwicklungsstufe, besonders wie sie von Wilber in seinen frühen Werken als eine entscheidend paranormale Stufe beschrieben wird – zu welcher NDEs, OOBs und ESP gehören – ein Beispiel für eine Stufe, die von einer ontologischen Existenzebene unterstützt wird. Wo „normale" Entwicklungsstufen als Expansionen des Bewusstseins definiert werden, von denen keine von menschlichen Wesen ausgelassen werden kann, ist die psychische Stufe eher wie eine Expansion der Sinne und kann definitiv ausgelassen werden. Wilber hat paranormale Konnotationen in seiner Neuformulierung der psychischen Stufe als eine proto-spirituelle Stufe der Naturmystik entfernt, doch dies lässt typische psychische Fähigkeiten noch erklärungsbedürftig zurück.

Bibliograpie

A. Besant, A Study in Consciousness: A Contribution to the Science of Psychology, Theosophical Publishing Society, 1904.

J. Habermas, Nachmetaphysisches Denken (Post-Metaphysical Thinking), Suhrkamp, 1992.

C. W. Leadbeater, The Other Side of Death: Scientifically Examined and Carefully Described, Theosophial Publishing Society, 1904.

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Smith, H. Forgotten Truth: The Primordial Tradition, Harper, 1976.

K. Wilber, Excerpt G: Toward A Comprehensive Theory of Subtle Energies, wilber.shambhala.com

K. Wilber, On the Nature of a Post-Metaphysical Spirituality: Response to Habermas and Weis, wilber.shambhala.com

K. Wilber, Introduction to Excerpts, from Volume 2 of the Kosmos Trilogy, wilber.shambhala.com

World Research Foundation, The Electrical Patterns of Life (The Work of Dr. Harold Saxton Burr), www.wfr.org