INTEGRAL WORLD: EXPLORING THEORIES OF EVERYTHING
Ein Forum für eine kritische Diskussion über die integrale Philosophie von Ken Wilber



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Ein Hinweis: der Originaltext zu der nachfolgenden Übersetzung ist auf der Homepage des von Ken Wilber gegründeten Integralen Institutes veröffentlicht (www.integralinstitute.org).

Der Integrale Ansatz

Überblick

„Integral" bedeutet „einschließend, ausgewogen, umfassend." Der Integrale Ansatz kann im Gegensatz zu anderen Methodiken gesehen werden – mythisch, rational-wissenschaftlich, pluralistisch – die, wie sie selber betonen, andere Ansätze als minderwertig ausschließen. Daher decken diese Methoden per Definition nur Teilbereiche ab und sind unvollständig. Diese letzteren Denkmodelle, obgleich akzeptiert, weit verbreitet und vorherrschend in den Kulturen der Welt, tendieren dazu, partielle und unvollständige Analysen und Problemlösungen zu generieren. Als solche erscheinen sie daher weniger effizient, weniger effektiv, und weniger ausgewogen als der Integrale Ansatz.

Wie jeder wahrhaft fundamentale Fortschritt erscheint der Integrale Ansatz anfangs kompliziert, doch am ende ist er leicht zu verstehen und sehr einfach. Es ist wie bei der Anwendung eines Textverarbeitungsprogramms: am Anfang ist das Erlernen schwierig, doch mit der Zeit wird der Gebrauch unglaublich einfach.

Am einfachsten nähert man sich der integralen Methode in dem man sich daran erinnert, dass sie durch einen kulturübergreifenden Vergleich der meisten der bekannten Formen menschlicher Untersuchungsmethoden erschaffen wurde. Das Ergebnis war eine Art umfassende Landkarte menschlicher Fähigkeiten. Nach der Erstellung dieser Karte (durch die Betrachtung aller verfügbaren Forschungen und Beweismittel) fand man heraus, dass es fünf Hauptaspekte dieser integralen Landkarte gibt. Jeder der den Gebrauch dieser fünf Hauptaspekte erlernt, kann relativ einfach einen umfassenderen, effektiveren und integralen Ansatz zur Lösung spezifischer Probleme einsetzen.

Was sind nun diese fünf Aspekte? Technisch ausgedrückt bezieht man sich auf sie als „Quadranten, Ebenen, Linien, Zustände und Typen." Wenn man natürlich das „Textverarbeitungssystem" noch nicht kennt, dann ergeben diese Aspekte nicht all zuviel Sinn. Doch sie sind in der tat sehr leicht und einfach anzuwenden, hat man erst einmal verstanden worum es geht.

Es gibt einen wichtigen Punkt bezüglich dieser fünf Aspekte. Weil die integrale Landkarte, aus der sie abgeleitet wurden, durch einen intensiven kulturübergreifenden Vergleich menschlicher Fähigkeiten erstellt wurde, scheinen diese fünf Aspekte das Potential dazustellen, welches allen menschlichen Wesen zur Verfügung steht. (Ich bringe gleich ein paar Beispiele). Und daher verlangt die integrale Landkarte von niemandem, sich irgendetwas anzueignen was er oder sie noch nicht hat. Dies ist keine „äußere" Philosophie die man zu glauben hat, sondern ein Hinweis auf Potentiale die jeder bereits hat, aber von denen er oder sie möglicherweise nicht vollen Gebrauch macht.

Einer der fünf Aspekte zum Beispiel – Quadranten genannt – bezieht sich auf die Tatsache, dass alle wesentlichen Sprachen der Menschheit Fürworte der ersten, zweiten und dritten Person haben (zum Beispiel; ich, du/wir, und es). Diese drei Dimensionen der Wirklichkeit (ich, wir und es) zeigen sich oft als Kunst, Moral und Wissenschaft (bzw. der ästhetische Ausdruck des Ich, die Moral des Wir, und das objektive Es der Wissenschaft) – das Schöne, das Gute und das Wahre ist eine weitere Version dieser Dimensionen.

Wenn wir erkennen, dass „es" [it] auch als Plural in Erscheinung treten kann, dann erhalten wir die „vier Quadranten" bzw. Dimensionen, die in allen menschlichen Sprachen gegenwärtig sind: ich, wir, es [it] (Singular) und es [its] (Plural) - oder die intentionale, kulturelle, verhaltensmassige und soziale Dimension aller Menschen.


Oberer Linker Quadrant
„Ich"
innerlich-individuell
intentional


Oberer Rechter Quadrant
„Es" [it] (singular)
äußerlich-individuell
verhaltensmässig


Unterer Linker Quadrant
„Wir"
innerlich-kollektiv
kulturell


Unterer Rechter Quadrant
„Es" [its] (plural)
äusserlich-kollektiv
sozial (Systeme)

Der Integrale Ansatz weist lediglich darauf hin, dass diese Dimensionen der Wirklichkeit in allen Kulturen gegenwärtig sind, und daher jeder wahrhaft umfassende oder integrale Ansatz Kontakt zu diesen wichtigen Dimensionen herstellen sollte, weil sie sowieso bereits in allen Menschen wirksam sind, und wenn wir sie in unsere Analyse nicht aufnehmen, werden wir - für welche Problemstellung auch immer - einen partiellen, fragmentarischen und bruchstückhaften Ansatz erhalten.

Ganz ähnlich verhält es sich mit den anderen der fünf Hauptaspekte (Ebenen, Linien, Zustände und Typen). Die meisten natürlichen Organismen zeigen eine Fähigkeit zur Entwicklung – eine Eichel wächst durch verschiedene Ebenen oder Wachstumsstufen zu einer Eiche heran. In ähnlicher Weise zeigen sich bei Menschen verschiedene Stufen des Wachstums, die in vielen ihrer angeborenen Kapazitäten oder Funktionen auftreten können: in menschlichen Wesen können kognitive Entwicklung, moralische Entwicklung, psychosexuelle Entwicklung, interpersonelle Entwicklung und so weiter sichtbar werden. Kurz gefasst scheinen Menschen viele Entwicklungslinien zu haben (kognitiv, moralisch, psychosexuell, usw.), die sich in verschiedenen Stufen der Entwicklung entfalten – was wir mit Ebenen und Linien bezeichnen.

Die integrale Landkarte beinhaltet einfach so viele dieser Ebenen und Linien wie möglich, weil sie sowieso in Menschen wirksam zu sein scheinen, und sie zu berücksichtigen erscheint daher als eine Notwendigkeit, für einen wahrhaft umfassenden und integralen Ansatz zur Lösung der Probleme der Welt.

Und schließlich gibt es noch „Zustände" und „Typen". Typen: es scheint verschiedene Arten des Wissens zu geben. Einer der am meisten verbreitetsten und diskutierten Arten ist z.B. der von der männlichen und weiblichen Art des Wissens (wobei der maskuline Typ mehr autonom und analytisch zu sein scheint, und der feminine Typ mehr beziehungsmäßig und verkörperlicht). Der wichtige Punkt dabei ist: anerkennen und berücksichtigen wir die Tatsache, dass es verschiedenen Arten (oder Typen oder Wege) der Betrachtung eines Problems gibt, oder nehmen wir nur einen Weg, und versuchen ihn anderen aufzuzwingen?

Das gleiche mit „Zuständen": Menschen scheinen nicht nur verschiedene Typen des Bewusstseins und verschiedenen Stufen des Bewusstseins zu haben, sie scheinen ebenso viele unterschiedliche Bewusstseinszustände zu haben. Viele der Hauptzustände sind gut bekannt – Wachen, Träumen und Schlafen zum Beispiel – und wieder sind diese Hauptzustände eindeutig Potentiale, die in allen menschlichen Wesen gegenwärtig sind.

Der Integrale Ansatz fordert uns einfach auf, all die bekannten Zustände zu berücksichtigen, wenn es darum geht das Warum und Wie bei der Frage zu klären, warum Menschen sich so verhalten wie sie sich verhalten. So wie viele Individuen aus verschienenen Wellen oder Stufen der Entwicklung aus unterschiedlichen Typen heraus agieren, so können ebenso viele aus unterschiedlichen Zuständen heraus agieren. Wenn wir all das berücksichtigen, erhalten wir eine genauere Landkarte des Terrains um das es uns geht.

Um kurz zusammenzufassen: der Integrale Ansatz schaut auf jede gegebene Problemstellung und versucht, all die wichtigen Variablen zu identifizieren, die zu dem Problem in jedem der fünf Hauptbereiche beitragen (Quadranten, Ebenen, Linien, Zustände und Typen). Der Integrale Ansatz kommt auf diese Art zu Lösungen, welche all diese wichtigen Faktoren anerkennen und aufnehmen, ohne irgendeinen von ihnen auszuschließen oder zu verneinen – weil sie alle eindeutig Einfluss auf die gegenwärtige Situation und die daraus resultierenden Probleme haben, und alles was hinter einem wahrhaft Integralen Ansatz zurückbleibt, kann tatsächlich die Dinge eher noch verschlimmern, anstatt sie zu verbessern.

Bekämpfung des Absolutismus für effektivere und effizientere Lösungen

Im Gegensatz zum Integralen Ansatz scheinen die anderen, weit verbreiteten großen methodischen Ansätze – mythisch religiös, rational-wissenschaftlich, und pluralistisch – eine Art eingebaute Voreingenommenheit zu haben, weil sie ihre Wahrheit als den einzig grundsätzlich richtigen Ansatz voranbringen, und gleichzeitig alle anderen als minderwertig oder sogar gefährlich verdammen.

Ein offensichtliches Beispiel ist die rational-wissenschaftliche Methode in ihrer extremen Form. Sie konzentriert sich auf Problemanalysen (und Lösungen) in Systemen und Prozessen, und schließt ganz überwiegend Themen aus, die mit individueller Bedeutung, Ästhetik, und Gruppenkulturen in Verbindung stehen. Sogar die Systemtheorie, die von sich behauptet „umfassend" zu sein und „alles zu berücksichtigen" privilegiert in Wahrheit die „es" (singular) und die „es" (plural) Bereiche – und verneint explizit eine eigene Wirklichkeit all der Bereiche des „ich" und „sie" und „wir", von Ästhetik, Moral und Kultur. Mit anderen Worten verabsolutieren Wissenschaft und Systemtheorie ihre eigenen Lieblingsquadranten (die „es" (singular) und „es" (plural) Bereiche).

Ganz ähnlich gesteht der postmoderne Pluralismus meist den sozialen oder kulturellen Bereichen Wirklichkeit zu (wir), doch er tendiert dazu, jegliche Art objektiver Realität zu verneinen. Pluralismus tendiert zur Verabsolutierung der „wir" Dimension, und leugnet die Realität objektiver „Es" (singular) und „Es" (plural). Jegliche Wissenschaft wird daher - ähnlich wie Poesie - lediglich als Interpretation betrachtet. Doch es ist nun einmal so dass ein Diamant ein Stück Glas schneidet, unabhängig davon in welcher Kultur dies geschieht. Es gibt daher - mit anderen Worten – wichtige objektive Wahrheiten (oder „es" (plural)) die gewürdigt werden müssen, wenn nachhaltige Lösungen zu den Problemen der Welt entdeckt werden wollen.

Und daher akzeptiert der Integrale Ansatz die partiellen Wahrheiten sowohl von Wissenschaft als auch von Pluralismus – sie sind beide richtig, solange sie sich mit ihren eigenen Quadranten oder Bereichen befassen – doch er verneint, dass sie alleine die einzige Wahrheit haben. Durch die Kombination all ihrer unglaublich wichtigen Beiträge ist der Integrale Ansatz in der Lage, neuartige, umfassende und aufregende Ansätze zur Lösung der brennendsten Probleme der Welt anzubieten.

Spezifische Anwendungen

Der Wert einer umfassenderen und integralen Landkarte liegt in der Tatsache, dass sie auf gewinnbringende Weise auf praktisch jede menschliche Unternehmung angewendet werden kann, und dann die Wahrscheinlichkeit beträchtlich erhöht wird, dass spezielle Themen und Probleme effektiver und effizienter benannt und gelöst werden können.

Dies schließt so drängende Themen ein wie:

  • Probleme und Lösungen zum Thema Erziehung und Bildung
  • Wirtschaftsleben [business] und Führung in Organisationen
  • Probleme von Umwelt und Ökologie
  • medizinische Themen und Gesundheit
  • politische Probleme und Lösungen
  • internationale Politik und militärische Fragen
  • Missstände der Grundlagen der Weltwirtschaft

Im folgenden Abschnitt werden wir ein paar Beispiele dafür skizzieren, wie ein umfassenderer und adäquaterer Ansatz - welcher die fünf Hauptaspekte Quadranten, Ebenen, Linien, Zustände und Typen berücksichtigt – neuartige und innovative Lösungen zu den brennendsten Problemen anbieten kann. Natürlich können wir hier nur auf die umfassendere Natur des Integralen Ansatzes hinweisen, darauf hoffend dass dies ausreicht, eine mögliche Bedeutung dieses Ansatzes nahezulegen.

Veränderungs-Beauftragte und Veränderungsinitiativen in Organisationen

Der Integrale Ansatz hat viele praktische Anwendungen. Er schlägt vor, dass jedes Bemühen für eine transformatorische Veränderung (zur Erreichung maximaler Effizienz) alle fünf Hauptaspekte des menschlichen Seins ansprechen muss. Wer weniger als das tut lässt entscheidende Variable aus, was die Effektivität ernsthaft beschränkt – egal ob es bei dem Bemühen um Veränderungen darum geht, Individuen zu helfen Werte zu erschaffen, ökologische Themen anzusprechen, oder um ein gesundes Führungsmanagement in Regierung und Wirtschaft.

Diese Einsichten können sowohl zur Steigerung von organisatorischer wie auch individueller Leistung angewendet werden. Eine Initiative zur Einrichtung eines neues Systems oder Prozesses, welche nicht sicherstellt dass alle relevanten Funktionen integriert und ausgewogen sind, ist ein Rezept zum Misserfolg, vom Zurückbleiben hinter den eigenen Möglichkeiten bis zur Katastrophe. Und doch lassen die meisten der Führungspraktiken (in der Wirtschaft, in Regierung und Verwaltung, Ökologie, Erziehung und Bildung) einige der Hauptaspekte menschlicher Wirklichkeit einfach weg – sie konzentrieren sich allein auf einen Quadranten, oder nur eine Ebene, oder nur eine Linie, und so weiter – was zu einer schwerwiegenden Begrenzung ihrer Gesamteffektivität führt.

Dieser gefährliche Mangel fällt auf die Befürworter dieser partiellen Modelle zurück, wobei die Teilhaftigkeit einer wahrhaft effektiven Veränderung im Weg steht. Lassen sie mich einige wenige – gut dokumentierte – Beispiele dafür geben, wie derartige partielle Lösungen Theorie und Praxis von Business Management und Führungskonzepten lähmen können.

Alle Quadranten, alle Ebenen, alle Linien einschließend

Wir haben gesehen, dass alle Menschen Zugang haben zu mindestens vier Hauptquadranten oder Dimensionen: „ich" bzw. Intentionalität, „wir" bzw. Kultur, „es" (Singular) bzw. individuelles Verhalten, und „es" (Plural) bzw. systemisches Verhalten. In der Praxis erleben wir, dass die meisten derjenigen, die sich mit Veränderungen befassen (ob sie nun mit Individuen, Gruppen oder Organisationen arbeiten) dazu tendieren, sich auf einen dieser Quadranten zu konzentrieren, auf Kosten der anderen.

So konzentriert sich beispielsweise Verhaltensänderungen ausschließlich auf den oberen rechten Quadranten, mit dem Versuch der direkten Veränderung menschlichen Verhaltens. (Im Business sind dies Ansätze wie Total Quality Management und Theory X). Obgleich sie ein wichtiges Teil des Puzzles für eine effektive Veränderung besitzen, sprechen diese Methoden Themen des oberen linken Quadranten, die sich auf die individuelle psychologische Entwicklung und auf Werte basierender Motivation beziehen, nicht an. Ebenso wenig führen sie ihre Interventionen im Kontext einer unterstützenden Kultur (unterer linker Quadrant) oder organisationeller Systeme (unterer rechter Quadrant) durch. Und so lassen sie drei Viertel der Faktoren aus, welche für eine erfolgreiche Intervention erforderlich sind.

Trainingsprogramme zur emotionalen Intelligenz (wie auch „Theory Y") sind ein Beispiel für Methoden die darauf hinweisen, dass Produktivität oft ein Produkt des emotionalen und subjektiven sich Wohlfühlens der beteiligten Menschen ist. Mit anderen Worten konzentriert man sich hier auf eine bestimmte Entwicklungslinie individueller Entwicklung im oberen linken Quadranten, was sehr hilfreich sein kann, doch entscheidende Faktoren in den drei anderen Quadranten nicht berücksichtigt (was gewöhnlicherweise jede wirkliche Veränderung sabotiert).

Ganz ähnlich konzentrieren sich Berater von Organisationskulturen auf den unteren linken Quadranten, darauf hinweisend dass intensive Forschungen gezeigt haben, dass vieles hinsichtlich einer Unternehmensleistung von den kulturellen Werten der Organisation selbst abhängt – ein wichtiges Teil im integralen Puzzle, doch eines welches – für sich alleine genommen – bedeutende Faktoren in den anderen Quadranten auslässt.

Experten von Systemtheorie und Systemmanager konzentrieren sich auf Netzwerke dynamischer Ströme von Produkten und Informationen in riesigen Systemen der Interaktion. Und wieder haben wir es mit einem weiteren wichtigen Teil des integralen Puzzles zu tun, doch eines welches die wichtigen inneren Dimensionen der ‚ich' und ‚wir' Bereiche unberücksichtigt lässt. Mit anderen Worten tendieren Systemspezialisten dazu, im unteren rechten Quadranten zu arbeiten, die anderen drei vernachlässigend oder sogar ausschließend. Und so weiter

Was den Integralen Ansatz so innovativ macht ist, dass die wichtigen Beiträge all dieser Methoden durch die Verwendung einer umfassenderen Landkarte, welche alle vier Quadranten einsetzt, in einen wahrhaft effektiven Ansatz aufgenommen werden können, welcher all diese Grundlagen abdeckt. Jede dieser Methoden widmet sich einer wichtigen Dimension der menschlichen Existenz, und durch die Darstellung, wie sie alle in einem größeren Bild zusammenhängen, können sie alle synergetisch verwendet werden, zu einer signifikanten Erhöhung der Effektivität.

Nehmen wir ein konkretes Beispiel, unter Verwendung eines der Quadranten – den der inneren individuellen Entwicklung (dem „ich", bzw. dem oberen linken Quadranten).

Dr. Robert Kegan von der Havard School of Education (ein Gründungsmitglied des Integralen Institutes) ist einer der führenden Psychologen in der Welt, und ein Pionier in der Anwendung von Entwicklungstheorien auf das Erwachsenenleben und auf Arbeitsanforderungen. In seinem Buch In Over our Heads dokumentiert Kegan, wie die moderne Kultur implizit Entwicklungsanforderungen an den durchschnittlichen Bürger stellt, über das hinausgehend, was die meisten anderen Theoretiker an Entwicklungsebenen in der heutigen Literatur zum Thema Entwicklung dokumentieren.

Kegan identifiziert fünf Entwicklungsebenen oder „Rangordnungen des Bewusstseins", die definieren wie eine Person die Welt erkennt bzw. Wirklichkeit konstruiert. Die ersten drei Ebenen sind denen gleich, die in den Abhandlungen über Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen beschrieben werden: impulsiv (Alter von 2-6), egozentrisch (6-Teenager), und sozialisiert bzw. konformistisch (Teenager und älter). Die meisten Erwachsenen (>80%) in den entwickelten Nationen erreichen zumindest den konformistischen bzw. den 3ten Rang des Bewusstseins, wo eine Person in der Lage ist ein Wertesystem zu verinnerlichen, zu verstehen, die Bedürfnisse anderer zu respektieren, und abstrakt zu denken.

Zusätzlich zu diesen drei allgemein akzeptierten Stufen oder Rangordnungen der Bewusstseinsentwicklung fügt Kegan zwei weitere hinzu – autonom und integral. Auf dem autonomen oder 4ten Bewusstseinsrang wird ein Mensch zum „eigenen Autor" – das heißt man ist in der Lage sein eigenes Wertesystem zu erstellen, im Gegensatz zum Handeln innerhalb des Wertesystems, welches einem von der eigenen Kultur, Familie oder dem Arbeitsplatz gegeben wurde. Und auf dem integralen oder 5ten Rang beginnt man damit, viele verschiedene Wertesysteme in einem kohärenten und bedeutungsvollem Ganzen zusammenzubringen.

Die massive Verschiebung der letzten 30 Jahre vom Befehl-und-Kontrolle-Prinzip der auf Gemeinsamkeit gegründeten Kulturen hin zu dezentralen Organisationen – wo Geschäftsbereichen, Managern und individuellen Angestellten immer größere Spielräume zur Gestaltung ihrer eigenen Arbeit als Antwort auf sich schnell verändernde Markbedingungen gegeben werden – spiegelt eine implizite Anforderung für ein Bewusstsein des 4ten Ranges am Arbeitsplatz wieder.

Um diesen Punkt zu illustrieren verwendet Kegan das Beispiel zweier Manager – Peter und Paul. Peter ist ein leitender Angestellter, der 15 Jahre lang für Paul in der gleichen Firma gearbeitet hat, und mit Paul zusammen aufgestiegen ist, als Paul befördert wurde. Peter wird als ein sehr kompetenter Manager des 3ten Ranges beschrieben, und Paul als ein Manager des 4ten Ranges, der neue wichtige Geschäftsfelder initiiert, und Ideen „aus dem Hut" zaubern kann. Peter dient ihm als loyaler Gefolgsmann, der Paul als seinen Mentor, und als eine Art Resonanzboden bei allen wichtigen Entscheidungen für sich nutzt.

Paul, jetzt in der oberen Führungsebene, gibt Peter die Möglichkeit, eine vollständig unabhängige, ausgegliederte Firma zu leiten, von der die Mutterfirma lediglich noch die Mehrheitsanteile hält. Im Geist vollständiger Machtübertragung macht Paul Peter klar, dass alle zukünftigen Entscheidungen, vom Marketing bis zu den Verkaufspreisen, nun von Peter zu treffen sind, und er es ablehnt, in Zukunft Ratschläge in diesen Angelegenheiten zu geben, mit Ausnahme des Setzens von allgemeinen Zielen (z.B. Gewinn), ähnlich denen eines Aufsichtsrates für einen Vorstandsvorsitzenden.

Peter steht nun alleine mit den im Konflikt stehenden Forderungen seines Vertriebs, der sich weigert von der Mutterfirma getrennt zu werden, der Herausforderung eine eigene Firmenidentität mit seinem Verkaufsteam zu entwickeln, und der Herausforderung eine erfolgreiche, aber konservative Abteilung in eine auf sich selbst gestellte unternehmerische Firma zu verwandeln. In dem Versuch, unter diesen miteinander in Konflikt stehenden Forderungen ohne Pauls Unterstützung zu vermitteln, erfährt Peter buchstäblich, dass die Erfüllung dieser Aufgabe des 4ten Ranges, die ihm gestellt wurde, „über seinen Horizont" geht [„in over his head"].

Kegan zeigt nun, wie die bekannten Managementtheoretiker, entweder nicht vertraut oder ablehnend gegenüber einem Entwicklungsansatz für Erwachsene, Peter fälschlicherweise als jemand sehen der ein charakterliches Defizit oder ein Defizit an Fähigkeiten hat, wohingegen es hier um die Komplexität der Bewusstseinsrangfolgen geht, mit denen Peter seine Wirklichkeit konstruiert.

Kein noch so intensives Training oder Ermahnungen zur eigenen Macht und Stärke werden Peter helfen, wenn sein grundlegender Bezugsrahmen sich darauf gründet, innerhalb eines von außen erschaffenen Wertesystems zu arbeiten. Wie das Wasser für den Fisch, so ist für Peter's derzeitigen Bewusstseinrang die Arbeit in einem erhaltenen Werterahmen ein (implizites) Subjekt, und kein (explizites) Objekt, und jeder Versuch ihm dabei zu helfen, für seine neue Firma eine Kultur zu erschaffen, muss diese vertikalen – im Gegensatz zu horizontalen – Entwicklungsherausforderungen thematisieren, wenn er Erfolg haben soll.

Einige führende Forschungs- und Trainings-Organisationen nehmen sowohl vertikale als auch horizontale Entwicklungsmodelle in ihre Führungs- und Trainingsprogramme für Organisationen auf. Das Center for Creative Leadership zum Beispiel betreibt eine kontinuierliche Forschung die sich darauf konzentriert, wie das Trainieren von Fähigkeiten (z.B. Delegation) verbessert werden kann, durch eine Anpassung dieses Trainings an die Bewusstseinsebene derjenigen Person, die dieses Training erhält. CCL hat in diesem wichtigen Forschungsbereich direkt mit Kegan zusammen gearbeitet. Mit der Verwendung von Kegan's Einstufungswerkzeug (was etwa eine Stunde administrativer Arbeit erfordert) ist es möglich, eine vernünftige Einschätzung des Bewusstseinsranges eines Teilnehmers zu erhalten, und diese Information einem Trainer oder Coach zu Verfügung zu stellen, welcher dann das Training entsprechend maßschneidern kann.

Wenn man beispielsweise mit einem hypothetischen Manager wie Paul arbeitet, welcher vom 4ten Bewusstseinsrang aus agiert, dann kann ihm ein Training dabei helfen, eine Bandbreite von Delegationstypen - optimiert für die Bewusstseinsebenen seiner Mitarbeiter – zu entwickeln (d.h. mehr strukturiert für den 3ten Rang, weniger strukturiert für Angestellte des 4ten Ranges). In diesem Sinn ist eine Perspektive vertikaler Entwicklung nicht nur zielgerichteter und effektiver, sie würdigt eine tiefe und wichtige Dimension der Vielfalt am Arbeitsplatz, die weitestgehend ignoriert, oder nur ad hoc angesprochen wird.

Warum ist das so wichtig? Kegan hat ein hervorragendes Beispiel dafür gegeben, warum und auf welche Weise Ebenen oder Stufen des Bewusstseins ein wichtiger Faktor bei jeder effektiven Veränderung und Transformation im Geschäftsleben sind. Die Existenz von „Stufen oder Ebenen des Bewusstseins" ist natürlich eine der fünf Hauptaspekte, welche die Integrale Methode anspricht, und Kegan hat klar demonstriert, warum es entscheidend bei jeder effektiven Transformation darauf ankommt, diese Variable mit einzubeziehen.

Betrachten wir noch ein letztes Beispiel, uns diesmal auf die Entwicklungslinien konzentrierend. Ein Integrales Modell weist darauf hin, dass es nicht nur Ebenen der Entwicklung gibt – wie von Kegan aufgezeigt – sondern dass verschiedene menschliche Fähigkeiten (bzw. „Linien") sich durch diese Ebenen hindurch entwickeln. So gibt es zum Beispiel kognitive Entwicklung, emotionale Entwicklung, spirituelle Entwicklung, interpersonelle Entwicklung, und so weiter. Ein Mensch kann bezüglich einer Linie hoch entwickelt sein – z.B. der kognitiven – und zurückgeblieben sein in anderen Linien – wie emotionaler Intelligenz, interpersonellen Fähigkeiten, oder Gruppendynamik.

Und so kann Paul vielleicht eine Bewusstseinsebene des 4ten Ranges in bezug auf seine Denkleistung erreichen, bleibt jedoch hinsichtlich seiner moralischen Entwicklung auf dem 2ten Bewusstseinrang. Er ist also sehr klug, aber ziemlich rücksichtslos und unethisch. Oder vielleicht ist jemand bezüglich seiner ästhetischen oder künstlerische Linie weit entwickelt, aber nicht sehr weit in seiner interpersonellen Linie – der typische „Künstler mit dem schlechten Benehmen", zum Beispiel.

Die Idee von „Ebenen und Linien", die Vorstellung dass ein Mensch in einigen Linien weit entwickelt, in anderen mittel, und in wieder anderen wenig entwickelt ist - wird zum Beispiel entscheidend wichtig, wenn es um Führung im Geschäftsleben geht. Ist der betreffende Leiter ein „integraler Leiter", weit entwickelt in vielen wichtigen Linien? Oder ist er oder sie hervorragend in einer Linie (wie z.B. kognitiver Intelligenz) und liegt in anderen zurück (wie z.B. interpersonellen Fähigkeiten), so dass die Vorteile in einigen Bereichen zunichte gemacht werden durch den Schaden in anderen Bereichen? Ein integraler Trainer oder Coach kann dieser Person dabei helfen, diejenigen Bereiche, die zu entwickeln sind zu erkennen, um ein noch effektiverer und erfolgreicherer Leiter zu werden.

Vielleicht genügen die vorangegangenen Beispiele um darauf hinzuweisen, dass ein Integraler Ansatz zum Thema Führung (im Wirtschaftsleben, in Politik, Ökologie, Erziehung und Bildung) eine umfassende Perspektive darstellt, welche alle wesentlichen Bereiche abdeckt. Sind die Quadranten bei der Untersuchung und den vorgeschlagenen Interventionen berücksichtigt? Sind all die Entwicklungsstufen und Ebenen mit eingeschlossen? Wurden alle wichtigen Entwicklungslinien und Fähigkeiten berücksichtigt? (Ebenso wie alle Zustände und Typen des Bewusstseins?)

Von einem Herangehen - an welches Problem auch immer – aus einer umfassenderen Perspektive heraus kann eine dramatische Verbesserung der Erfolgschancen erwartet werden, und ein derartig umfassender bzw. „mit-allen-Bereichen-in-Kontakt-kommender" Ansatz ist ein Wesensmerkmal des Integralen Gedankens.

Die Anwendung der Integralen Methode auf organisatorische Veränderungen

Der Integrale Ansatz wird manchmal auch Integral Operating System (IOS) genannt, unter Verwendung einer Computeranalogie [Betriebssystem DOS] , weil, wenn einmal das IOS installiert ist, jegliche Anwendungssoftware damit laufen kann (d.h. Anwendungen zu organisatorischen Themen, Führungsentwicklung, Politik, Gesundheitswesen und Umweltproblemen; persönliche psychologische und spirituelle Transformation, usw.)

Das IOS stellt lediglich überprüfend sicher, dass alle Hauptdimensionen menschlicher Existenz berücksichtigt wurden, damit gewährleistet ist, dass, welches Programm auch immer zur Anwendung kommt, es so umfassend, effektiv und produktiv wie möglich läuft – und zwar nicht weil dies eine von außen „aufgesetzte" Philosophie ist, sondern weil es etwas ist was bereits gegenwärtige Potentiale in jedem einzelnen menschlichen Wesen auf eine positive Art und Weise einbezieht.

IOS kann daher denjenigen als ein unschätzbares Werkzeug dienen, welche sich konkret mit der Analyse und Schaffung von Veränderungsprozessen beschäftigen, auf welchem Gebiet auch immer. Der integrale Ansatz verkündet nicht ein weiteres Modellsystem und Techniken die vorgeben, Problemlösungen für alle Aufgabenstellung im Wirtschaftsleben zu haben. Stattdessen schafft der Integrale Ansatz einen Gesamtkontext, und zeigt die Beziehungen auf zwischen bestehen und zukünftigen Werkzeugen des Management [change management tools], und gibt Anwendern Hilfestellung dabei, die jeweils beste Vorgehensweise für eine gegebene Situation zu finden, was zu effektiveren, ausgewogeneren, und langfristig andauernden Veränderungen führt. Der Integrale Ansatz zum Thema Führung - in welchem Bereich auch immer - geht davon aus, dass es keinen „einzig richtigen Weg" für Veränderungen gibt, sondern dass alle methodischen Werkzeuge bei wesentlichen Themen sorgfältig in betracht zu ziehen sind. Es ist der Anwender selbst, der das vitale Bindeglied darstellt bei der Übertragung einer Theorie in eine wirksame Umsetzung.

Eine der wichtigsten Rollen, die ein Organisationsentwickler [change practitioner] bei Veränderungen spielt, ist die der abgestimmten Zusammenarbeit mit einem Kunden, um (von einer integralen Perspektive aus) das Problem, dem der Kunde gegenübersteht, und die derzeitigen Möglichkeiten der betroffenen Organisation intelligent zu analysieren, und die Bereitschaft des Kunden zu sehen, sich auf die notwendige Arbeit einzulassen, um möglicherweise bestehende die Lücken [zwischen integralem Anspruch und der Wirklichkeit] zu schließen.

Sowohl die Analyse als auch die vorgeschlagenen Hilfsmassnahmen können sehr effektiv durch Verwendung des Integralen Ansatzes durchgeführt werden, was noch keine Ergebnisgarantie ist, was jedoch sicherstellt, dass alle vorhandenen Kapazitäten so umfassend wie möglich in betracht gezogen wurden. Wenn es eine Lösung gibt, dann ist der Integrale Ansatz durch seine große Bandbreite wahrscheinlich am besten dazu geeignet, dieser Lösung zur Geburt zu verhelfen.

Anwendungsbeispiele des Integralen Ansatzes

Es gibt viele spezifische Anwendungen eines Integralen Ansatzes. Weil das Modell durch eine kulturübergreifende Untersuchung aller verfügbaren menschlichen Fähigkeiten entwickelt wurde, kann der Integrale Ansatz dabei helfen, praktisch jede menschliche Unternehmung zu erleichtern. Doch unser Ansatz ist nach wie vor in jeder Hinsicht auf konkreter Forschung gegründet, auf Beweisen und Daten, wo immer das möglich ist. Daher ist eines der Hauptziele des I-I die unmittelbare Unterstützung intensiver Erforschung spezifischer Probleme und Themen, um besser verstehen zu können, wie integrale Ansätze weiterhin dabei helfen können die drängendsten Probleme der Welt zu lösen. Diese Forschung wird selbstverständlich jedem zur Verfügung gestellt, der daraus Nutzen ziehen möchte.

Wir haben speziell verschiedene Forschungsprojekte geplant, in wichtigen Bereichen wie:

  • persönliche psychologische und spirituelle Transformation
  • globale Ökologie
  • integrales Business und organisatorische Anwendungen
  • integrative Medizin
  • Welthunger
  • Erziehung und Bildung (in der ersten, zweiten und dritten Welt)
  • internationale Politik
  • integrale Stadt- und Gemeindeplanung
  • integrale Problemlösungen
  • Organisationsentwicklung im allgemeinen (IOS Anwendungen)

Die Einzelheiten dieser Projekte werden durch Kernteams für jeden Bereich entwickelt. Für diese allgemeine Einführung können wir vielleicht einen kurzen Überblick darüber geben, was all diese Projekte gemeinsam haben: jeder betrachtet einen spezifischen Problembereich (Ökologie, Erziehung und Bildung, Medizin, internationale Politik, usw.), und kreiert - für eine umfassendere und integralere Analyse des Problems um das es geht - spezifische Forschungsbereiche und Testanordnungen.

In jedem Fall ist die Fragestellung folgende: welcher Aspekt des Problems wurde durch die traditionellen Ansätze ignoriert? Wie kann eine integrale Analyse Licht in diese bisher vernachlässigten Bereiche bringen? Können durch die Implementierung integralerer Lösungsansätze Daten und Beweismittel zusammengetragen werden, die zeigen (1) dass und (2) wie ein integralerer Ansatz tatsächlich dabei hilft, diese sich bislang hartnäckig einer Lösung verweigernden Probleme zu lösen?

Im Bereich Ökologie haben wir beispielsweise (auf einer Esalen Konferenz über integralen Kapitalismus) eine Analyse präsentiert, wie man ökologische Probleme integraler angehen kann, unter Verwendung „aller Quadranten, aller Ebenen, aller Linien." Die meisten ökologischen „Lösungen" konzentrieren sich lediglich auf die äußere bzw. „es" Dimension des Problems: wir müssen die CO2 Emissionen reduzieren, wir müssen Fluorchlorkohlenwasserstoffe verbieten, wir müssen Abfall recyceln, und so weiter.

Wir leugnen nicht die Wichtigkeit derartiger Maßnahmen. Doch der integrale Ansatz geht einen Schritt weiter und fragt: haben wir auch mögliche notwendige Änderungen der inneren Dimensionen in Betracht gezogen (des „ich" und „wir")? Wenn wir z.B. Kegan's Modell betrachten, dann fällt uns sofort auf dass „ökologische Bewusstheit" – ein wirkliches führsorgendes Interesse für ökologische Themen – erst mit dem Bewusstsein des 5ten Ranges voll emergiert. Mit anderen Worten, solange eine beträchtliche Anzahl der Regierenden in der Welt nicht selbst diese integrale Grundlage hat, werden ökologische Themen nicht die ausgewogene Aufmerksamkeit bekommen die sie verdienen.

Das gleiche gilt für politische, wirtschaftliche, militärische, ökonomische und diplomatische Themen und Probleme. Um angemessen globale, weit verbreitete und immer wiederkehrende Probleme zu untersuchen, muss jemand der Verantwortung trägt in der Lage sein global zu denken – auf eine umfassende und integrale Art und Weise zu denken. Der integrale Ansatz hilft genau bei dieser Aufgabe, mittels einer globalen Landkarte für eine globale Welt.

In der internationalen Politik werden beispielsweise die äußeren Dimensionen (die „es" (singular) und „es" (plural)) durch ökonomische Faktoren angetrieben, sich oft auf das Zusammentreffen von globalem Kapitalismus und örtlichen kulturellen Gegebenheiten konzentrierend (zusammengefasst in dem bekannten Buch von Thomas Friedman, The Lexus and the Olive Tree).

Doch diese ökonomische Analyse konzentriert sich nur auf die äußeren Dimensionen. Samuel Huntington weist in seinem einflussreichen The clash of Civilisations darauf hin, dass vieles der politischen Dynamik in der Welt seinen Antrieb durch Unterschiede der kulturellen Werte erfährt, die er in neun großen Zivilisationsblöcken konzentriert sieht.

Doch Huntington analysiert diese Zivilisationsblöcke lediglich von einer horizontalen geopolitischen Position heraus. Ein integralerer Ansatz würde darauf hinweisen, dass viele dieser Blöcke sich in Wirklichkeit auf verschiedenen Bewusstseinsrängen befinden (wie von z.B. Kegan erforscht).

Wer von ihnen hat nun recht? Sie alle – so würde es der Integrale Ansatz sehen. Doch zur Zeit haben sich alle großen Ansätze zu Fragen der Weltökonomie und der politischen Dynamik selbst schwerwiegende Begrenzungen auferlegt, indem sie sich lediglich auf wenige Quadranten, wenige Ebenen oder wenige Linien, oder vielleicht ein paar wichtige Typen konzentrieren. Doch keiner von ihnen hat eine Grundlage angeboten, welche uns erlaubt zu erkennen, wie sie alle einen wichtigen Einfluss auf das Wesen und die Funktion von internationaler Politik, Wirtschaftsleben, und ökonomischen Gegebenheiten haben. Sie alle haben eindeutig eine gestaltende Mitwirkung bei der endgültigen Form der internationalen Situation, und der integrale Ansatz zeigt explizit auf, wie sie alle zusammenpassen.

Doch darüber hinaus konzentriert sich unsere spezifische Projektforschung (in diesem Fall) auf ganz bestimmte Bereiche – wie Palästina, Afghanistan, den Balkan, so wie auch das innerstädtische Amerika – in dem Versuch den genauen Beitrag zu bestimmen, den jeder der fünf Hauptaspekte der menschlichen Existenz zu diesen verschiedenen Problemen beiträgt (durch sowohl theoretische wie auch praktische Analyse und Untersuchung). Und daraus ergeben sich Antworten auf die Frage, welches die effektivsten taktischen und strategischen Interventionen sein können, um einen Prozess lösungsorientiert voranbringen können.

Ähnlich versucht das Integrale Institut auch in anderen Bereichen sowohl das theoretische Verständnis integraler Ansätze voranzubringen, sowie auch bestimmte Forschungen und Anwendungen speziell zu entwickeln. Wir entwickeln sorgfältige experimentelle Forschung, die nicht nur jede unserer theoretischen Überlegungen beweisen helfen kann, sondern sie auch gegebenenfalls widerlegt. Wenn wir in einem bestimmten Bereich falsch liegen, dann wollen wir die ersten sein die das herausfinden.

Wir haben Experten in jedem dieser Bereiche zusammengebracht – globales Business, internationale Politik, Ökologie, Medizin, Konfliktlösungen, usw. –, um diese spezifischen Forschungsthemen zu planen und voranzubringen. Dies ist eines der Hauptziele des Integralen Institutes: Erforschung konkreter Beispiele eines integralen Ansatzes „in Aktion".

Unnötig zu sagen, dass dies nicht nur theoretische Themen sind, sondern Themen die unmittelbare Auswirkungen auf die Zukunft der Menschheit haben. Ein letztes, kurzes Beispiel: der Hunger in der Welt. Die meisten Ansätze zur Hungersbekämpfung konzentrieren sich auf äußere Dimensionen und versuchen, Mittel und Wege zu finden wie mehr Nahrung produziert und zu mehr Menschen verteilt werden kann. Und wieder gilt: wir leugnen nicht die Wichtigkeit dieser Maßnahmen.

Doch ein integralerer Ansatz würde auch auf folgendes hinweisen. Wie der Nobelpreisträger für Ökonomie, Amartya Sen, herausgefunden hat, trat Hunger historisch betrachtet nur in nicht-demokratischen Gesellschaften auf. Selbst in der heutigen Welt tritt der Hunger in nicht-demokratischen Bereichen auf (einer der Gründe dafür hat mit einem uneingeschränkten Informationsfluss zur effektiveren Nahrungsmittelverteilung zu tun).

Doch, und das hat Forschung wie die von Kegan immer wieder gezeigt, emergieren Demokratie und demokratische Werte erst mit dem 4ten Bewusstseinsrang. Daraus folgt, dass eine beträchtliche Anzahl von Menschen Zugang zum 4ten Bewusstseinsrang haben muss, damit Hunger abgewendet werden kann. Das bedeutet, Hunger existiert nicht in erster Linie aufgrund von Nahrungsmittelmangel, sondern aufgrund eines Mangels an Bewusstseinsentwicklung.

Ein integraler Ansatz berücksichtigt all diese Faktoren, speziell bei der Erforschung – und dann der Lösungsentwicklung – solch brennender Probleme wie Welthunger, politische Unruhen, Spannungen zwischen Kulturen, Mängel bei Bildung und medizinischer Versorgung. Der integrale Ansatz bevorzugt nicht ein bestimmtes Wertesystem vor einem anderen, sondern unterstützt Führungspersönlichkeiten ganz einfach dabei, einen so umfassenden Überblick wie nur möglich zusammenzustellen, so dass die drängenden Themen, denen wir gegenüberstehen angemessener, und auf eine gesundere Art und Weise angegangen werden können.